Frankfurt, Kulturkeller Höchst, BusStop - Theater gegen Rassismus, IOCO Aktuell, 14.02.2020
BusStop youtube Trailer des PakBann e.V. Frankfurt am Main [ Mit erweitertem Datenschutz eingebettet ]
PakBann e.V. Frankfurt am Main
BusStop - Theater gegen Rassismus
„Ich bin anders, denn… Ich bin anders, lasst uns gemeinsam anders sein“
von Ingrid Freiberg
mit diesem Satz und kleinen Erzählungen begann 2017 BusStop, Theater gegen Rassismus, die ersten Aufführungen. Akteure mit sogenanntem Migrationshintergrund und Alteingesessene, die sich in Frankfurt, im Kulturkeller Höchst im Dalberger Haus zusammenfanden, enthüllen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, die sich in alltäglichen Situationen und tätlichen Angriffen wiederfinden. Die Theatertruppe BusStop will aufmerksam machen, zum Nachdenken und zum offenen Gespräch anregen, will Grenzen einreißen und das Miteinander stärken. Gemeinsam geschriebene Theaterstücke zeigen die bedrückende politische Entwicklung. Dabei zeigte sich auch, dass es dieser „bunten Truppe“ schwerfiel, Erlebtes angesichts unterschiedlicher Erfahrungen und eigener Vorurteile in Szene zu setzen. Heftige Diskussionen, unterschiedliche Begabungen und Toleranz führten jedoch zu einer engen Gemeinschaft, die es sich zur Aufgabe macht, das allgemeine Bewusstsein für Vielfalt und Andersartigkeit zu stärken...
Dabei werden Überlegungen aufgegriffen, wie: Bin ich integriert? Werde ich angenommen? Wie kraftvoll ist meine Verbindung zu den Ahnen, zu meinem kulturellen Erbe und die zu meiner neuen „Heimat“? Kann ich Dinge radikal benennen und dennoch in mir ruhen? Die Gruppe gibt den Sprachlosen eine Stimme und Hoffnung, ihre eigene Geschichte zurückzugewinnen. Dabei vermittelt das virtuose Gitarrenspiel von Paulo Silva, ein kapverdischer SingerSongwriter, mit seinen Fuana-, Batuk- und Morna-Rhythmen zwischen den unterschiedlichen Kulturen. Das eindrucksvolle Programm beleuchtet u. a. Rassismus gegenüber Frauen und die Wertung von Homosexualität. Es geht der Frage nach, wer sind wir eigentlich, was ist ein Fremder? Es fragt nach Hoffnungen und Träumen. Die Antworten scheinen einfach: ein Leben ohne Hass und Streit, ohne Tränen, ohne Schmutz, ein Leben in Liebe, in Menschenwürde, ein Austausch auf Augenhöhe.
Ein Glücksfall ist der Aufführungsort Kulturkeller Höchst im Dalberg Haus, ein alter Gewölbekeller, der Menschen zusammenbringt und erlaubt, bei Wein und Käse bereits vor Vorstellungsbeginn ins Gespräch zu kommen. Besonderer Dank gilt den Gastgebern Petra und Gerhard Klumpp, der auch die Technik übernimmt. Sie engagieren sich für BusStop weit über das Übliche hinaus. Ihnen liegt deren Themen sehr am Herzen. Nur durch ihre Unterstützung sind derartige Theaterabende möglich!
Fremde und Fremdes
„Fremd ist der Fremde nur in der Fremde“, heißt ein vielzitierter und hochphilosophischer Satz aus dem Dialog Die Fremden von Karl Valentin. Vielzitiert ist dieser Satz wohl deshalb, weil er, wie kaum ein anderer, alles in sich birgt, was das Thema „Fremde und Fremdsein“ bedeutet, nämlich die einfache und zugleich ungeheuer komplizierte Tatsache, dass jeder gleichzeitig irgendwo fremd ist und irgendwo zu Hause. Einzig auf den Standort und die Perspektive kommt es an. Fremd ist das, was man nicht kennt, was einem nicht vertraut ist.
Die Themen sind erschreckend alltäglich
Die Bushaltestelle, Namensgeber und Bühnenbild, lässt Raum für Phantasie und für die Auseinandersetzung mit dem Anderssein in einer neuen, nicht immer selbst gewählten Umgebung. Diese Haltestelle mit einer kleinen Bank und einem Fahrkartenautomaten ist ein Ort, an dem es immer wieder zu Rassismus in vielfältiger Form kommt. Hier nun eine Wiedergabe auf das Wesentliche konzentriert: Mit Laternen, sich an den Händen haltend, träumen alle Mitwirkenden von einer Welt ohne Hass, frei von Unterdrückung. Polizisten, die nicht präzise fragen, behandeln völlig respektlos eine Frau mit sogenanntem Migrationshintergrund... Auf ein „Grüß Gott“ von einer Iranerin, antwortet der Hinzugekommene „...jetzt sind wir schon so durchmischt, dass man die Deutschen nicht mehr erkennt!“... Ein Penner, der hinter dem Fahrkartenautomat hervorkommt, pöbelt eine Dame an. Als sie daraufhin angewidert aufschreit, „Jetzt stell dich nicht so an, Baby! Ich hab gepisst, du blöde Hure!“...
Zwei ältere Damen auf der Bank: „Wie die unsere Mädchen ansehen, die denken, sie sind Freiwild, sie vergewaltigen sie, und wenn sie nicht wollen, haben alle ein Messer im Sack und stechen zu. Die gehören alle rausgeschmissen!.". Äußerst berührend und leider kein Einzelfall in der heutigen Zeit ist die Erzählung einer türkischen Putzfrau über ein altes Nachbar-Ehepaar: Oma alt im Altenheim. Opa allein zu Hause! „Opa wie geht’s?“ Opa: „Es muss!“ Manchmal ich Suppe kochen, Opa bringen. Einmal von der Arbeit kommen, Opa nicht sehen, Opa nicht hören. Andere Tag Suppe kochen, Opa klingeln klopfen. „Opa, Opa ich Suppe bringen!“ Ich große Sorgen, Polizei anrufen. Opa tot! Nix glauben ich. Ich weinen. Andere Tag Tür klingeln. Groß chic mit einem Strauß Blumen, er sagen: „Ich Opas Sohn!“. Ich nicht wissen, Opa Sohn haben. Warum jetzt kommen - zu spät? Opa wie mein Vater!...
Gespräch des Sohnes mit seiner Schulfreundin: „Wirft mir die Blumen vor die Füße! Wie die da stand mit ihrem Kopftuch und ihrem gebrochenen Deutsch! Die hat Zeit, zu ihren Eltern zu gehen, geht schwarz putzen, bekommt unsere Sozialhilfe!“... Ein Ehepaar mit fremdartigem Aussehen, sichtbar auf der Durchreise, wird wie folgt beurteilt: „Jetzt guck sich mal Aaner die feine Pinkel an, die Ausländer verprassen unser Geld und kriegen alles in‘n Arsch geblasen!“... Eine Dame, die das beobachtet, schämt sich und hat das Gefühl, zwischen zwei Stühlen zu sitzen, weil es ihr trotz Bemühen misslingt, mit dem Ehepaar ins Gespräch zu kommen. Auf der Bank sitzend trägt eine Frau sehr melodische persische Lyrik vor. Dem Hinzugekommenen, der die Worte nicht versteht, gefällt es so sehr, dass er mehr darüber wissen will, und bittet sie, noch ein paar Zeilen hören zu dürfen...
People of Color: einer durch die Sonne des Maghreb, andere durch Bluthochdruck
Müll an der Haltestelle ist immer wieder zu finden: „Freundsche, du kannst nicht einfach deinen Müll hier ablade, wie de willst!“ Ali und Hermann haben vieles gemeinsam: Sie können sich nicht leiden. Der eine spricht Deutsch seit Jahrzehnten, der andere seit Generationen. Beide sind People of Color , "der eine durch die Sonne des Maghreb, der andere durch Bluthochdruck“... Erich Kästners Gedicht „Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt“, das den Menschen mit seinem tierischen Erbe konfrontiert, ist eine ausgefeilte Skizze: „So haben sie mit dem Kopf und dem Mund den Fortschritt der Menschheit geschaffen. Doch davon mal abgesehen und bei Lichte betrachtet, sind sie im Grund noch immer die alten Affen!“... Schwarze Männer sind sexy!
Eine feine Dame im besten Alter mit Hut, Minirock und ausgesprochen schönen Beinen flaniert mit einem gutaussehenden Afrikaner an der Haltestelle entlang. Die Verliebte sagt zu ihm: „Es ist so schön, dich bekommen zu haben, wenn es auch viel Arbeit gemacht hat.“ Ein anwesendes Pärchen beobachtet die Szene: „Das war die Edith mit ihrem Neger, den hat sie aus Kenia mitgebracht. Letztes Jahr war sie dreimal da, die alte Schabracke! Er wartet nur bis er einen deutschen Pass hat!“ Darauf er: „Schatz können wir nicht ein Taxi nehmen, sonst komme ich zu spät und bekomme meinen Pass wieder nicht!“ Gespräch zwischen Mann und Frau: „Du bist ja so viel schlauer als wie ich!“ „Was ist Intrigation?“ „Es heißt Integration!“ „Über die Intrigation da soll es sogar Kurse geben! Wo kann man das Intrigieren lernen, was muss man da lernen?“ „Zuerst die deutsche Sprache!“ „Da werde ich nie intrigiert! Wenn ich doch alles gelernt habe, bin ich dann Reichsbürger?“ „Das sind doch Nazis!“ „Ja, da gabs mal Aaner, der ist aber schon lange tot! Die AFD - Adolfs Freunde Deutschland – sind nur besorgte Bürger!“ „Aber es sind die, die es uns Ausländern gerne besorgen würden!“...
Zwei elegante Damen treffen sich an der Haltestelle Höchst: „Höchst ist kein Vergleich zu Bad Homburg. Früher war das besser!“ „Meine Bekannte ist hier in der Klinik. Schrecklich, alles voller Ausländer!“ Ein Schwuler betritt die Szene und bringt ein Plakat an. Die eine: „Trotz meines Alters habe ich nichts gegen die, sie sind doch auch Menschen wie du und ich!“ Die andere: „Grüßen Sie ganz herzlich Ihren Sohn von mir!“ „Ach, das ist ja so peinlich! Mein Sohn hat sich kürzlich geoutet. Jetzt kennt die meinen Sohn und womöglich kennt ihn meine Herzsportgruppe auch. Mein Mann ist ja sehr konsequent. Unsere Möbelfabrik wird er nicht übernehmen. Wir könnten Kunden verlieren! Mit seinem Mann, offenbar ein Ausländer, hat er seine Mitte gefunden. Wenn er normal geworden ist, kann er jederzeit nach Hause kommen. Ich habe nichts dagegen!“... „Schatzi, es war sehr schön im Urlaub!“ Er: „Und das Essen, große Portionen, das hat mir gefallen, besonders die leckeren Schnitzel!“ „Mallorca und Schnitzel!?“
Eine Zigeunerin tritt auf. „Da siehst du, was da alles reinkommt. Früher hat‘s geheißen, die Wäsche rein, die Zigeuner kommen!“ „Die sollen doch in ihren Drecksländern bleiben! Die schmeißen den Müll aus dem Fenster heraus!“ Die Zigeunerin zeigt einen Zettel: „Hallo ich kann nicht lesen, ich nix verstehn!“ Die beiden antworten: „Wir haben keine Brille!“ Wortlos gehen sie. Im Weggang verliert die Frau ihr Portemonnaie. Die Zigeunerin eilt hinterher, übergibt es. „Die wollte uns beklauen!“ „Hallo Frau, ich nix klauen, du arme Leute, du keine Brille haben!“...
Jenseits der Muttersprache - Claudia M. Berrang
„Ausgespuckt aus der Heimat, ausgespuckt, nur mit einem Koffer voller Wörter, bin weggelaufen, gelaufen gesprungen hoch und höher über die Grenzen und gefallen mitten auf den Mund, der Koffer aufgerissen fallen alle meine Wörter heraus. Buchstaben, auf dem Boden zerstreut, wie die Gedärme aus meinem Leib, sie werden zerquetscht unter den Passantenfüßen, meine Stimme verschwunden im Lärm. Die verletzten Buchstaben zärtlich in den Koffer eingepackt, mich weitergeschlichen, Lippen aufeinandergepresst, ausgespuckt aus der Heimat, ausgespuckt über die Grenzen und gefallen hier in die Ecke. Den Koffer auf dem Schoß, gebückt am Rande dieser Stadt, namenlose Gesichter eilen vorbei, werfen mir fremde Wörter zu, meine bleiben liegen. Die fremden Wörter verschlungen, hungrig in mich hineingestopft heruntergewürgt, bilden eine Kugel, unverdaulich und schwer, ausgeschwitzt aus meinen Poren. Meine Gedärme brechen heraus, formlose Geschichten schreien aus meiner Kehle, meine bleiben liegen. Ausgespuckt aus der Heimat, ausgespuckt nur mit einem Koffer voller Wörter, bin weggelaufen, gelaufen gesprungen hoch und höher über die Grenzen und gefallen mitten auf den Mund.“
Mit dem beschwörenden Schlusschor „Ausblick“ verabschieden sich die bewegend aufspielenden Laien-Darsteller: Amir Mansoor (Regie), Klaus Baumgarten, Claudia M. Berrang, Herta-Konstanze Braun, Maria Buttiglieri, Joachim Hossbach, Fariba Khadivi, Karin Kühn, Michaeö Langer, Justin Yao Lassana, Behjat Mehdizadeh, Paulo Silva (Gitarre), El Houari Slimi, Mehret Woldal
Nach anfänglicher Stille endet der Applaus in Jubelstürmen!
Danach gab es Gelegenheit, nicht nur untereinander zu diskutieren, sondern sich auch mit den Mitwirkenden über die teils erschütternden Szenen auszutauschen, die Zuschauer erinnerten sich an eigene Erfahrungen und wurden nicht mit ihren Gedanken und Bildern alleine gelassen.
Es wird weitere Vorstellungen geben, mehr unter www.busstop-frankfurt.com
---| IOCO Kritik Kulturkeller Höchst |---