Frankfurt am Main, Alte Oper, DIE GROSSE RICHARD WAGNER GALA – Richard Wagner, IOCO
Es sind die Minuten von Andreas Schager vor der Pause. Er gilt als einer der besten Siegfried-Tenöre weltweit und Siegfrieds Schmiedelied ist ein Bravourstück von ihm, hochgeschätzt.
von Ingrid Freiberg
„Dem Wahren Schoenen Guten“
Seit 2004 präsentiert und inszeniert der Intendant von Opera Classica Europa, Michael Vaccaro, mit großem Erfolg Opernproduktionen und Konzerte in mehr als 24 Ländern. Dabei liegen ihm eine historische Aufführungspraxis, das Wissen um künstlerische Gestaltungsmittel und Kostüme der jeweiligen Zeit besonders am Herzen. Getreu der Inschrift am Fries der Alten Oper Frankfurt am Main „Dem Wahren Schoenen Guten“ liebt er Oper in ihrer reinsten Form. Hierzu gehört auch die Wahl geeigneter Aufführungsorte. Vom Publikum begeistert aufgenommen werden Open-Air-Aufführungen im Rahmen berühmter deutscher Schlösser. Auch die Auswahl der Künstler, das besondere Programm und die Moderation der Großen Richard Wagner Gala sind von dieser Ästhetik, dem Wunsch, weniger eingängige Musik dem Publikum näherzubringen, geprägt. Mit Charme, behutsam und informativ führt Claudia Grundmann durch den Abend. Es gelingt ihr, selbst bekennenden Wagnerianern Wissenswertes zu vermitteln, wie die Erläuterung der Zahl 13, die im Leben von Richard Wagner eine fast magische Bedeutung hat: Er wurde 1813 geboren. Der Name, der ins Taufbuch eingetragen wurde, besteht aus 13 Buchstaben. Die Quersumme seines Geburtsjahres ergibt wieder 13. Am 13. April 1845 vollendete Wagner die Instrumentation seines Tannhäusers, der am 13. März 1861 in Paris nach insgesamt 164 Ensemble-Proben! mit einem Heidenspektakel durchfiel. Als im selben Jahr bei einem Bankett des Tonkünstlerfestes auf der Altenburg von Weimar 13 geladene Gäste gezählt wurden und einer rasch verschwinden wollte, entschied der Meister apodiktisch: „Dageblieben! Keiner soll verschwinden! Lasst mich der Dreizehnte sein!“ Richard Wagner starb am 13. Februar 1883 …
Ausgezeichnete Wahl der Interpreten
Nach der selten gespielten Ouvertüre zur Oper Rienzi, der letzte der Tribunen, mit der der junge Wagner in seiner vierten Oper mit großem Nachdruck versuchte, die Prunkentfaltung eines Spontini oder Meyerbeer zu übertreffen, bittet Andreas Schager als Rienzi Gott um Beistand „Allmächt’ger Vater blick herab …“. Bereits hier zeigt sich die ausgezeichnete Wahl der Interpreten des Abends: Schager, derzeit einer der führenden Heldentenöre, besticht durch seine prachtvolle Stimme, seine Intensität und Aussprache. Mühelos gelingen ihm die leisen, flehenden Töne. Sehr gespannt durfte man auch auf Albert Dohmen sein, der bereits auf eine langjährige internationale Karriere zurückblickt und als einer der führenden Wotan-Interpreten seiner Generation gilt. Als Holländer, der dazu verdammt ist, in alle Ewigkeit auf dem Meer herumzuirren, und nur alle sieben Jahre an Land darf, berührt er mit ausgezeichneter Diktion, souverän, mit feinem Gefühl für Nuancen, differenziert, ausgereift mit „Die Frist ist um …“
Lohengrin, Vorspiel 1. Akt, das Franz Liszt als „eine Art Zauberformel“ bezeichnete, öffnet ein hochromantisches Gemälde, in dem die musikalischen Themen fein verwoben sind. So ist in Lohengrins Motiv nicht nur das Motiv Elsas, sondern dialektisch auch die Sphäre Ortruds enthalten. Hier wird anfangs zu kraftvoll musiziert. Erst langsam, im Vorspiel zum 3. Akt, kommt das Orchester zu einem klangrednerisch geschärften Stil, zu soghaft wirkendem Musizieren voller Intensität und Empfindung. Mit der Gralserzählung „In fernem Land …“ beschreibt Andreas Schager (Lohengrin), dass er der Sohn Parsifals ist und zum Gral zurückmüsse, da ein Gralsritter nur unerkannt die Kraft besitze, für das Recht zu streiten. Diese heldischen Passagen sind selten so klangschön zu hören. Schagers Stimme und seine Ausstrahlung vereinigen alle Parameter zur idealen Gestaltung des Gralsritters. Sein tragfähiger, klarer Tenor und seine Phrasierungskunst beglücken. Es sind die Minuten von Andreas Schager vor der Pause. Er gilt als einer der besten Siegfried-Tenöre weltweit und das Schmiedelied „Hoho! Hoho! Hahei! Hahei! Blase, Balg, blase die Glut!“ ist ein Bravourstück von ihm, hochgeschätzt. Mit kindlicher Freude schmiedet er Notung auf einem historischen Amboss, der extra für diesen Zweck von Opera Classica Europa ersteigert wurde. Es ist ein Konzerterlebnis der besonderen Art, das alles Pralle, Sinnliche, Pulsierende, Prickelnde, bunt Lebendige anspricht, ein Schager, der Extraklasse!
Klangrednerisch geschärft agiert die Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach mit Intensität und Empfindung, durchsetzt von dramatischen Akzenten bei der Ouvertüre zu Tannhäuser. Prof. Helge Dorsch fängt formale Brüche auf, mit organischen Tempofreiheiten lässt er die Abschnitte ineinander münden. Zugewandt, unglaublich sensibel, überzeugt Albert Dohmen mit seiner warmen, biegsamen Stimme, seinem Stimmschmelz als Wolfram von Eschenbach mit „O du, mein holder Abendstern“ … Mit seiner Stimme über mindestens drei Oktaven präsentiert Andreas Schager feinstimmig timbrierten Gesang in bestens differenzierter Kombination von kernig maskulinen Qualitäten. Zunächst verhalten, sich allmählich steigernd, ohne konditionelle Einbußen, interpretiert er in eindrucksvoller Disposition „Ein Schwert verhieß mir der Vater …“ aus Die Walküre. Wer sich alle Aufnahmen dieser Arie angehört hat, weiß, dass Lauritz Melchior bisher unschlagbar ist: Er hielt das schwer erreichbare hohe C ganze 17 Sekunden lang! Schager muss einen Vergleich allerdings nicht scheuen … „Leb wohl, du kühnes, herrliches Kind! Du meines Herzens heiligster Stolz! Leb wohl! Leb wohl! Leb wohl!“ (Wotans Abschied) gelingt Albert Dohmen wunderbar eindringlich. Mit fließender Geläufigkeit und Virtuosität tönt sein dramatisch timbrierter Bassbariton. Unterstützt durch sein suggestives Spiel entsteht selbst im Konzert ergreifendes Musiktheater. Genaue Artikulation, die große Tragfähigkeit seiner Stimme in allen Lagen und eine deutliche Differenzierung sind das Fundament von Andreas Schagers phänomenaler Gesamtleistung, was er auch bei seiner letzten Arie „Winterstürme wichen dem Wonnemond …“ unter Beweis stellt. Zusammenfassend gelingt es den Holzbläsern der Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach unter der Leitung von Prof. Helge Dorsch sich über die flirrend hohen Streicher hinwegzuheben. Das Schlagwerk setzt Akzente, vielfarbige Paukensoli schaffen Konturen im vibrierenden Klangflächenzauber, gestützt von Streicherglissandi und zitternden Tremoli. Die Blechbläser liefern sensible Einwürfe. Melodisches wird angedeutet, Spannung gebende Dissonanzen bleiben als Klangteppich bestehen und werden als angenehm erlebt. Als weniger angenehm ist bisweilen der Sinn fürs Begleiten der Sänger, deren harmonische Unterstützung wahrzunehmen. Der Schlussapplaus ist euphorisch, was dazu führt, dass der Walkürenritt, eine von Wagners bekanntesten Melodien, als Zugabe gegeben wird.