Eutin, Eutiner Festspiele, MADAME BUTTERFLY - Giacomo Puccini, IOCO Kritik, 23.08.2022
MADAMA BUTTERFLY - Giacomo Puccini
in sommerlichem Abendlicht - welch herrliche Festspiel-Atmosphäre - dazu Wildgänse im Formationsflug
von Wolfgang Schmitt
Ein Abend bei den Eutiner Festspielen ist stets eine stimmungsvolle Angelegenheit, sofern der Wettergott milde gestimmt ist. Wenn sich allmählich die Dunkelheit über den Schloßpark legt, die Bäume um die Waldbühne herum von bunten Scheinwerfern angestrahlt werden, die Enten vom nahen See herüber schnattern und eine Schar Wildgänse im Formationsflug über die Spielfläche und die Tribüne im Park schwirren, dann ist die Eutiner Festspiel-Atmosphäre nahezu perfekt.
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Nach einem heißen Sommertag, dem 11.8.2022, mit strahlendem Sonnenschein stand an diesem lauen Sommerabend Puccinis japanische Tragödie Madame Butterfly auf dem Programm, eines der meist gespielten Werke der gesamten Opernliteratur. Wieder schuf Jörg Brombacher ein wunderschön anzuschauendes Bühnenbild, natürlich unverkennbar japanisch, mit einer roten Holzbrücke, über die man Cio.Cio-Sans kleines Haus mit Pergament-Schiebetüren, einem Pergola-Torbogen und viel Bambus im Vorgarten erreicht. Teil dieses Vorgartens ist eine kreisrunde Spielfläche, auf der der größte Teil der Handlung vonstatten geht, schließlich rechts ein kleines Podest mit einem Ohrensessel - als Symbol für die westliche Kultur -, auf dem Konsul Sharpless Platz nehmen darf.
Die Inszenierung lag in den bewährten Händen von Igor Folwill, der sich mit viel Liebe zum Detail eine ausgefeilte Personenregie hat einfallen lassen. Exzellent geriet der Einzug der festlich in rotem Kimono gekleideten Cio-Cio-San inmitten ihres aus ca. 20 Choristinnen bestehenden Gefolges, diese ebenfalls in erlesenen, märchenhaft anmutenden hellen Kimonos gewandet (die Kostüme entwarf Martina Feldmann). Höchst bedrohlich wirkte der Auftritt von Onkel Bonze in seinem wallenden schwarzen Umhang. Fürst Yamadori, der erfolglose Freier, wirkte in seiner Kostümierung wie ein brutaler Samurai-Kämpfer. Fürs Liebesduett wurde die vordere Spielfläche mit einem riesigen weißen Laken bedeckt. Später während des gesamten Summchors verharrt Cio-Cio-San eindrucksvoll angestrahlt im Torbogen zum Eingang ihres Hauses (die ausgefeilte Lichtregie stammte von Rolf Essers).
Die Musiker der Kammerphilharmonie Lübeck unter der kompetenten Leitung von Hilary Griffiths präsentierten sich in absoluter Höchstform, Puccinis gefühlvolle Musik erklang italienisch stimmungsvoll, hochkonzentriert mit unglaublicher Intensität und Präzision, lyrische Passagen wechselten sich ab mit Pathos und Expressivität bis hin zur dramatisch packenden Schlußszene, so daß an diesem Abend keinerlei Wünsche offen blieben. Auch der von Sebastian Borleis einstudierte Damenchor beim ersten Auftritt und beim Summchor, wie auch die Herren Matrosen, deren „Oh eh“-Rufe vom nahen Seeufer her klangen, sangen hervorragend.
Tetiana Miyus als Cio-Cio-San, seit einigen Jahren am Opernhaus Graz engagiert, ist wahrlich eine Entdeckung. Ihr hell timbrierter lyrischer Sopran hat einen reinen zarten Klang wie eine junge Maria Cebotari, sie verfügt dennoch über genügend Kraft für die dramatischen Ausbrüche der Partie. Sie kann ihrer Stimme wunderbare dunklere Farben in der Mittellage abgewinnen, hier bezaubert sie mit melancholischen Tönen, und ihre ausdrucksvolle, innig empfundene Arie „Un bel di vedremo“ bescherte ihr lang anhaltenden Applaus, und auch das hoffnungsfrohe Blütenduett mit Suzuki erklang hinreißend. Schauspielerisch war sie in jeder ihrer Szenen grandios, sie gab sich gegenüber Sharpless als stolze, selbstbewußte amerikanische Ehefrau, die sich gern in die Stars-and-Stripes-Flagge einhüllt. Nach der fulminant vorgetragenen Schlußarie wird ihr von Onkel Bonze das Schwert gereicht und sie entleibt sich vor den Augen ihres Kindes (Piet Schuppe ist ein etwa vierjähriger äußerst agiler Steppke, der seine kleinen Auftritte und auch seinen tosenden Schlußapplaus sichtlich genoss). Viola Zimmermann gestaltete die Partie der besorgten Suzuki, Cio-Cio-San und das Kind liebevoll umsorgend, mit warmen, ausdrucksstarkem Mezzosopran. Timothy Richards war der schlanke, schmucke Pinkerton in weißer Marineuniform. Sein nicht allzu großer Spinto-Tenor klingt besonders in der Mittellage warm und schön, die Spitzentöne gelangen ein wenig offen. Darstellerisch war er der oberflächliche, dem Alkohol nicht abgeneigte, unbekümmerte Amerikaner in dem ihm fremden Land, der sein Vergnügen sucht und findet. Unterstützung hierfür findet er beim väterlichen Konsul Sharpless, gesungen von Gerard Quinn mit seinem kontrolliert eingesetztem Charakterbariton, und bei dem umtriebigen Heiratsvermittler Goro, von Tae Hwan Yun mit kräftigem lyrischen Tenor gesungen. Valentin Anikin mit kraftvoll auftrumpfendem Bass-Bariton war der Furcht einflößende Onkel Bonze, der Charaktertenor John Heuzenroeder war der von Cio-Cio-San verschmähte Fürst Yamadori, und Ana Vidmar sang die kurze Partie der Kate Pinkerton. Weitere kleine Rollen wurden gesungen von Lovro Kotnik als Kaiserlicher Kommissar, Thomas Bernardy als Standesbeamter, und Annika Egert als Cio-Cio-Sans Mutter.
Das Festspielpublikum dankte allen Mitwirkenden mit donnerndem Schlußapplaus, für Tetiana Miyus gab es am Ende verdiente Ovationen.
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