Dresden, Semperoper, TURANDOT – Giacomo Puccini, IOCO Kritik, 08.10.2023
TURANDOT – Giacomo Puccini
Puccinis mediale Vorausbestimmung? Marie-Eve Signeyrole und die 5. Dresdner Auslegung von TURANDOT
von Thomas Thielemann
Die gespaltene Gefühlswelt von Frauengestalten zwischen Unabhängigkeit und Liebe zu einem Mann ist seit Jahrtausenden ein Motiv in der Kunst der unterschiedlichsten Kulturkreise. Die Geschichte um die Prinzessin Turandot, „das Mädchen aus Turkestan“, ist bereits um 1199 im persischen Schrifttum in einer Erzählung „Die sieben Schönheiten“ des Elyas ebn-e Ysofs zu finden. Ein als „Derwisch Mokles“ bekannter Geschichtensammler hat die Episode im 17. Jahrhundert in eine Sammlung „Häzâr-jak Rûz-1001-Tag“ aufgenommen. Der französische Orientalist François Pétis de La Croix (1653-1713) brachte die Schriften nach Europa und übersetzte die Texte. Das Sujet der grausam-selbstbestimmten Prinzessin wurde vor allem in Italien und Frankreich unter anderem von Carlo Goldoni (1707-1793) und Carlo Guzzi (1720-1806) in unterschiedlichsten Ausprägungen bis hin zur Gesellschaftssatire verarbeitet. Die Transferierung der Handlung vor die Tore des chinesischen Beijings hat vermutlich der französische Vaudeville-Autor Alain René Lasagne (1668-1747) vorgenommen. Der Turandot-Knochen wurde im nachschaffenden Kulturbetrieb bis in die Gegenwart mit einer Unzahl von Opern, Schauspielmusiken, Suiten und Balletten benagt.