Dresden, Semperoper, Dresdner Strauss-Tage: DER ROSENKAVALIER, IOCO Kritik, 05.04.2023

Dresden, Semperoper, Dresdner Strauss-Tage: DER ROSENKAVALIER, IOCO Kritik, 05.04.2023
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Semperoper © Matthias Creutziger
Semperoper © Matthias Creutziger

DRESDNER STRAUSS-TAGE 2023

DER ROSENKAVALIER

- Cornelius Meister mit hervorragendem Sängeraufgebot -

von Thomas Thielemann

Der Rosenkavalier ist eine jener neun Opern, die Richard Strauss (1864-1949) von seinem älteren Freund Ernst von Schuch (1846-1914) am 26. Januar 1911 in Dresden hat uraufführen lassen. Das Uraufführungs-Konzept der über längere Zeit noch gespielten Inszenierung stammte von Max Reinhardt (1873-1943). Seine Inszenierung der Strauss-Oper für die Dresdner Semperoper des Jahres 2000 wollte Uwe Eric Laufenberg als eine Verbeugung  vor der Uraufführungs-Ausstattung  des Werkes von Alfred Roller (1864-1935) gestaltet wissen. Dem entsprechend waren die Bühnenbilder von Christoph Schubinger und die Kostüme von Jessica Karge klassizistisch strukturiert.

Die Grundidee Laufenbergs war eine Gegenüberstellung der überlebten Umstände der Habsburger Monarchie der Entstehungszeit der Oper mit den hereinbrechenden Entwicklungen des neuen Jahrtausends.

Semperoper Der Rosenkavalier hier Szenefoto © Klaus Gigga
Semperoper Der Rosenkavalier hier Szenefoto © Klaus Gigga

Mit einem ironisch gebrochenen Spiel von Rosenkavaliers-Konventionen mit einer Annäherung an unsere Gegenwart gelang Laufenberg eine erfrischende Lesart des Stoffes von Hugo von Hofmannsthal (1874-1929). Seine Inszenierung bleibt nach fast einen Viertel-Jahrhundert weiterer gesellschaftlicher Entwicklung, unabhängig ob sie einem gefällt, in der 69. Aufführung noch immer erlebenswert.

Die unterschiedlichen Stilelemente der Musik wurden von Laufenberg in der  weitgehend konventionellen Inszenierung mit einer gekonnt-intimen  Personenführung, die zwischen Melancholie und Komik, zwischen Abstraktion und Emotionalität irisiert,  verbunden.

Wie eine großangelegte symphonische Dichtung mit Gesang entwickelte Cornelius Meister ein prächtig aufgefächertes Klanguniversum und entwickelte mit seiner außergewöhnlichen Klarheit der Musikalischen Leitung die Grundlage für den Erfolg des Abends. Er spürte mit Akribie den musikalischen Feinheiten der Komposition nach und ließ die Sächsische Staatskapelle sanft und durchsichtig mit ihrem charakteristischen dunklen Klang musizieren. Zu seinen Stärken gehörten die präzisen Einsätze der Musiker-Solisten der Staatskapelle, was zur eindrucksvollen Entfaltung der Symphonischen Segmente der Tondichtung beitrug. Gleichsam verfügte sein Dirigat über das Gespür für das Wort-Ton-Verhältnis der Oper, so dass die zweideutigen Anspielungen des Librettos, die mit Ironie ein Wechselspiel zwischen Singenden und den Instrumentalgruppen aufbauten, zur Wirkung kamen.

Cornelius Meister ermöglichte in jeder Phase, dass die Sänger sich voll entfalten konnten, die Musik großartig aufblühte und die Oper zu einem Rausch voll großer Harmonie  und Vitalität wurde. Zum hervorragend aufgelegten Orchester wurde mit einen Traumbesetzung  von Sängerinnen und Sängern aufgewartet.

Die Marschallin von Camilla Nylund war die vornehme, erfahrene und souveräne Persönlichkeit mit einer Spur von Humor. Mit ihrer wunderbaren Stimme, klaren Diktion und guter Textverständlichkeit ist sie derzeit die wahrscheinlich bestmögliche Kombination aus schöner Stimme und überzeugender Darstellung dieser Rolle.

Die französische Mezzosopranistin Sophie Koch, seit über zwei Jahrzehnten mit der Laufenberg-Inszenierung verbunden, geht inzwischen in der Darstellung keinesfalls noch als Quinquin durch. Auch hat die gesellschaftliche Entwicklung inzwischen die Skandalisierung der Beziehung eines Siebzehnjährigen mit einer verheirateten Frau überholt. Deshalb stand der Octavian von Sophie Koch der Feldmarschallin als ein  gereifter, erwachsener selbstbewusster Charakter gegenüber. Vollmundig, sinnlich-auftrumpfend, dabei gleichzeitig verletzlich oder wo nötig auch zupackend-burschikos, sang und spielte sie. Die dunkle, charakterstarke Klangfarbe ihrer Stimme mischte sich hervorragend mit dem Sopran Camilla Nylunds.

Semperoper Der Rosenkavalier hier Szenefoto © Klaus Gigga
Semperoper Der Rosenkavalier hier Szenefoto © Klaus Gigga

Als eine heranwachsende, selbstbewusste  junge Frau im Kampf in einer männerdominierten Welt verlieh Nikola Hillebrand der Sophie eine besondere charakterliche Stärke. Mit ihrer silberhell-strahlenden Stimme und ihrer deutlichen Aussprache gestaltete sie die Sophie bei aller Selbstsicherheit zu einer liebreizenden Persönlichkeit.

Die Verbindung der Stimme von Nikola Hillebrand mit dem farbenreichen Gesang von Sophie Koch war ein besonderer Glücksfall.

Deshalb war es nicht verwunderlich, dass sich die Duette von Sophie mit Octavian neben dem halsbrecherischen Terzett der drei Sängerinnen im dritten Akt der Vorstellung als die vokalen Höhepunkte des Abends entwickelt hatten. Hier gingen die Sängerinnen in Hochform und boten im faszinierenden Zusammenspiel  musikalische Prunkstücke.  Den Italienischen Sänger interpretierte Pavol Breslik tenorschmelzend, warm  und mit gefühlvoller Naivität.

Den Ochs von Lerchenau hatte sich Peter Rose als einen heruntergekommenen selbstironischen  Falstaff mit hemmungsloser Vitalität und einer prachtvollen Bass-Stimme zu Recht gelegt. Selbst in den blamabelsten Momenten blieb  er eine Standesperson.

Zudem umgab er sich er sich mit einem  debil-brutalem Gefolge, deren ganzes Tun auf fressen, saufen, vergewaltigen begrenzte.

Semperoper Der Rosenkavalier hier Szenefoto © Klaus Gigga
Semperoper Der Rosenkavalier hier Szenefoto © Klaus Gigga

Die Karikatur eines Vertreters der bürgerlichen Leistungsgesellschaft gestaltete Markus Eiche als Brautvater Faniel. Das Balancieren des schwerreichen Heereslieferanten zwischen dem Wohl seiner Tochter und der Suche des eigenen Vorteils, dazu seine merkwürdige Bewunderung für den Baron, ließen ihn zwischen Begeisterung und Entsetzen schwanken.

Als souveräne Leitmeritzerin sang, spielte Daniela Köhler und als dominanter Polizeikommissar war Tilmann Rönnebeck zu erleben.

Von den übrigen Besetzungen sollte das Intriganten-Paar der Annina von Christa Mayer mit dem Valzacchi von Aaron Pegram, die Modistin der Katerina von Bennigsen sowie die adligen Waisen von Ofeliya Pogosyan, Mariya Taniguchi und Justyna Olów erwähnt werden.

Neben den von André Kellinghaus solide vorbereiteten Sängern des Staatskapellenchores gefiel auch der beflissene Notar Matthias Henneberg.

Zu den Widersprüchlichkeiten der Aufführung gehörte, dass bei allen mitreißenden Turbulenzen auf der Bühne, dem Stück seine schillernde Vieldeutigkeit nicht zu entlocken war. Es blieb aber die Freude über das von hervorragenden Sängern und einem grandiosen Orchester gestaltete musikalische Ereignis.

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