Dresden, Semperoper Ballett, COW - Alexander Ekman, IOCO Kritik, 13.04.2019

Dresden, Semperoper Ballett, COW - Alexander Ekman, IOCO Kritik, 13.04.2019
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Semperoper

Dresden / Semperoper im Sonnenschein © Matthias Creutziger
Dresden / Semperoper im Sonnenschein © Matthias Creutziger

COW -  Ballett von Alexander Ekman

- Wenn ihr nicht werdet wie die Kühe... -

von Thomas Thielemann

Eine Kuh, die stundenlang genussvoll das im Magen fermentierte Raufutter wiederkäut und wie nebenbei ihre sonstigen Grundbedürfnisse befriedigt, ist ein Symbol der inneren Ruhe. Zudem wird dabei eiweißarmes Futter in hochwertiges Fleisch und fettreiche Milch umgewandelt.

Mit der Intensivtierhaltung, unabhängig ob zur Mast oder zur Milcherzeugung, verweigert der Mensch den Rindern diese Grundbedürfnisse. Damit die Tiere nicht die Einstreu fressen, werden sie auf Gummimatten gehalten. Mit Hochenergie-Futter wird den Tieren sogar das Wiederkäuen zunehmend abgewöhnt.

 COW Ballett von Alexander Ekman youtube Trailer der Semperoper [ Mit erweitertem Datenschutz eingebettet ]

Diese Dramatik einer Nutztiergattung ist der eigentliche Hintergrund des Ballettabends COW in der Semperoper. Vier Kreative, an der Spitze der schwedische Choreograf Alexander Ekman hatten mit elf Szenen den Charakter dieser Lebewesen, wie „ein Symbol des Seins12.März 2016 auf die Bühne  der Semperoper gebracht. Für diese Choreographie wurde Alexander Ekman 2016 mit dem deutschen Theaterpreis „Faust“  ausgezeichnet.

Der Komponist Mikael Karlsson steuerte eine Musik bei, die vom Bundes- Jugendorchester  eingespielt, elektronisch verfremdet und neu gemischt wurde. Eine mehrere Minuten dauernde Abfolge  von „Kuh-Mooings“ erzeugt dabei eine Atmosphäre, die den Tänzern ihre Einsätze und welche Rhythmen sie halten sollen vorgeben. Die Tänzer ergänzen die Musik, indem sie sprechen, schreien und Skyler Maxey-Wert, begleitet von Caroline Beach, am Ende sogar ein Lied „Nothing Moves a Cow“ zu Gehör bringt.

Die Kostüme hat der skandinavische Modedesigner Henrik Vibskov von bizarr bis elegant den Szenen angepasst. Da sind hautfarbene enge Kostüme, schwarze Anzüge und weite weiße Röcke ergänzt durch verrückte Hüte bunt gemischt.

Ekmans dritter Partner war der amerikanische Multimedia-Experte T.M. Rives. Er dokumentierte zunächst die Entstehung des Balletts, wie die Protagonisten auf Weiden sowie in Kuhställen Milieustudien machten und sich der Tänzer Christian Bauch auf allen Vieren mit scheinbar stumpfsinnigen Gesichtsausdruck durch Betriebsräume des Semperbaus oder  Bereiche der Dresdner Innenstadt bewegt.

Semperoper Dresden / COW - Ballett von Alexander Ekmann - hier : Alice Mariani, Gareth Haw, Johannes Schmidt © T.M. Rives
Semperoper Dresden / COW - Ballett von Alexander Ekmann - hier : Alice Mariani, Gareth Haw, Johannes Schmidt © T.M. Rives

Der Einsatz von lebenden Kühen auf der Bühne war Ekman abgelehnt worden, da die Gefahr unkontrollierten Laufens und die Absonderung von Kuhpasteten höchst wahrscheinlich geworden wären, so dass lebendgroße Plastikkühe zum Einsatz kamen.

Der Ballettabend COW besteht aus elf Szenen in denen Solos, Pas de Deux und Gruppentänze abwechseln oder auch nur bewegte Tücher. Dabei werden menschliche Verhaltensformen in vielfältiger Weise tänzerisch dargestellt und von Plastik-Kühen, eine hängt ständig über der Szene, oder dem Christian Bauch, auf allen Vieren kommentiert. Da ist viel Gesellschaftskritik im Spiel, wenn Gruppenzwang, Gruppeninstinkt, das Verhalten gegenüber Individualisten und Außenseitern, das Helfen bei individuellen Schwächen sowie das Aufgehen von Paarbeziehungen in der Gruppe kommentiert werden. In der Szene „Stampede“ wird das Verhalten von Menschen  unter den Bedingungen einer Kuhstall-Unterbringung thematisiert.  Die Szene „Hufe“, bei der den Tänzern Holzklötze unter den Schuhen zur Erzeugung von Knallgeräuschen angebracht sind, glaube ich als Militär-Persiflage erkannt zu haben.

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Die beiden Eckszenen haben einen gewissen Schlüsselcharakter, wenn am Beginn als „Regel“ die gesellschaftliche Tretmühle im Broterwerb, den Familienbeziehungen, den alltäglichen Abläufen bis fortlaufendes Anrennen an eine Wand dargestellt und nahtlos in eine Gruppe weidender Kühe überführt wird. Mit der abschließenden Szene „Räume“ wird mit der Aufteilung der Bühnenfläche in Parzellen und deren Ausgestaltung  mit Hausrat, Gartengerät und Picknick in spießige Bereiche gesellschaftliches Umfeld persifliert.

Der zunächst als „Kuh“ das Geschehen beobachtende Christian Bauch richtet sich auf und verlässt aufrecht die Bühne. Getanzt wird auf hohem Niveau.

Wir haben seit dem Premierenabend am

12.März 2016

den immer weiter entwickelten Ballett-Abend zum dritten Mal erlebt; dabei immer neue Details entdeckt und immer wieder neu fasziniert.

Das Anliegen des Ballettabends  ist einfach zu erfassen, aber ob die Folgerung, “so wir nicht umkehren und werden wie die Kühe, so kommen wir nicht in das Himmelreich“ wird beim Publikum kaum durchschlagen. Da ist wohl eher die Parallele zur Massentierhaltung wahrscheinlich.

Begeisterter Jubel der überwiegend jungen Besucher im fast ausverkauften Semperbau.

COW - Ballett an der Semperoper, die folgende Vorstellung dieser Spielzeit: 17. April 2019

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