Dresden, Sächsische Staatskapelle, 9. Symphoniekonzert - Bach, Haydn, Vivaldi, Händel, IOCO Kritik, 27.04.2022
Sächsische Staatskapelle Dresden
9. Symphoniekonzert - Bach, Haydn, Vivaldi, Händel - 26.4.2022
Staatskapelle versucht sich mit Barockmusik - Ton Koopman dirigiert 9. Symphoniekonzert
von Thomas Thielemann
Georg Friedrich Händel (1685-1759), in Halle an der Saale geboren und über Hamburg, Italien sowie Hannover 1711, eigentlich zu einem verlängerten Urlaub, nach London gekommen, würde nach heutiger Definition als ein Popstar seiner Zeit benannt werden.
Er betätigt sich in London über 40 Jahre als Unternehmer, schmeichelt den Adeligen und begeistert die Bürger mit überwiegend leidenschaftlich-schwülstigen, unwahrscheinlichen Stoffen in Opern, Kantaten und Oratorien, war aber letztlich in allen gängigen Musikgenres zu Hause.
Als 1748 die Österreichischen Erbfolgekriege mit dem „Aachener Frieden“ abgeschlossen worden waren, sollte der Erfolg der Verbündeten Maria Theresias und Georg II. mit „dem größten Feuerwerk“ auch in London gefeiert werden. König Georg II. (1683-1760) beauftragte Händel, für die Begleitung des Spektakels eine Orchestersuite zu komponieren. Der militäraffine König forderte, dass die Musik ausschließlich von Bläsern und Paukern dargebracht werden sollte, also keine „fiddles“ zum Einsatz kommen dürften. Erst nach heftigen Auseinandersetzungen beugte sich Händel und verfasste die Erstfassung für „martial instruments“.
Da aber die Detail-Vereinbarungen der Vertragsverhandlungen noch fast ein Jahr beanspruchten, konnte die geplante Feier in London erst am 27. April 1749 stattfinden. Die Probleme um die „Feuerwerksmusik“ gingen schon mit deren Generalprobe am 21. April 1749 weiter, als 12 000 zahlende Besucher im Vergnügungspark „Vauxhall Gardens“ den ersten Verkehrsstau Londons auslösten. Stundenlang mussten die wohlhabenden Londoner in ihren Kutschen ausharren.
Auch zur Friedensfeier gingen die Pannen weiter: da es regnete, gingen die 101 Auftakt-Salutschüsse nicht los und Händel ließ die Ouvertüre gleich zweimal vor dem Feuerwerk spielen. Auch das Feuerwerk wurde zum Debakel, als Raketen-Irrläufer die prachtvollen Illuminations-Aufbauten in Brand setzten, Besucher unter schützende Bäume flüchten mussten, und der italienische Architekt der Kulissen auf den englischen Feuerwerker mit dem Degen losging. Der König hatte sich, obwohl Veranstalter, wegen des Regens längst in seine Bibliothek zurückgezogen und erlebte das Fiasko aus der Ferne.
Händel hat dann vier Wochen später die Feuerwerksmusik in einem Saal in der von ihm gewünschten Fassung mit Streichern aufgeführt. Da ihn das Klangbild nicht überzeugte, dampfte er die ursprüngliche Bläserbesetzung von 24 Oboen, zwölf Fagotten, einem Kontrafagott, neun Hörnern, neun Trompeten und ein paar Pauken ein, beließ aber die volle Streicherbesetzung.
Der ausgewiesene Barockmusiker Ton Koopman ließ im Konzert diese Fassung spielen, wobei es die reduzierten Bläser bei der Übermacht der opulenten Streicher-Besetzung der Staatskapelle doch schwer hatten, sich zu behaupten.
Vor dem „Highlight Feuerwerksmusik“ hatten die Programmmacher Ton Koopman weitere interessante Beispiele der Barockmusik des 18. Jahrhunderts ins Programm geschrieben, wohl auch um Spitzenmusikern der Staatskapelle die Gelegenheit zum Spiel dieser nicht zur Kernkompetenz des Orchesters gehörenden Musik zu geben.
Johann Sebastian Bachs Orchestersuite Nr. 4 BWV 1069, nach neuesten Forschungen bereits 1715/16 in Weimar entstanden, erklang am Konzertbeginn in einer, nach meinem Empfinden, den heutigen Hörgewohnheiten abträglichen Fassung. Mit Joseph Haydns „Sinfonia concertante B-Dur Hob.I:105“ gab das weiter Programm die Besonderheit Spitzensolisten der Staatskapelle ihre Barock-Auffassungen darzulegen. Matthias Wollong Violine), Norbert Anger (Violoncello), Céline Moinet (Oboe) und Thomas Eberhardt (Fagott) spielten eine himmlische Quartett-Kadenz.
Haydn (1732-1809) hatte die Sinfonia concertante 1792 in London in der damals beliebten Form geschrieben, um eine Konkurrenzsituation zwischen zwei Geigern dem Publikum zur Entscheidung vorzulegen, ob Musik mit Niveau oder gefällige Darbietungen die Konzertsäle füllen sollten. Eigentlich noch immer ein aktuelles Problem.
Mit Koopmans Dirigat wurde am Konzertabend das Problem nicht gelöst, hatte mich aber doch tief beeindruckt.
Komplettiert war der Abend mit Antonio Vivaldis Concerto g-Moll RV 577 „Per l´Orchestra di Dresda“, entstanden 1720 oder 1721. Die Musik Vivaldis wurde offenbar von der Kurfürstlichen Hofkapelle häufig gespielt und der Venezianer wusste von der Leistungsfähigkeit des Orchesters, ist aber nie in Dresden gewesen. Aber sein Schüler und Freund Johann Georg Pisendel (1687-1755) war seit 1712 zunächst Geiger und später Konzertmeister der Kapelle und wird ihm berichtet haben.
Zumindest hat Vivaldi (1678-1741)dem Geiger ein hochvirtuoses Solo geschrieben, dass Matthias Wollong im Konzert hervorragend, unterstützt vom Oboisten Rafael Sousa zur Geltung brachten.
Zu einem emotionalen Höhepunkt des Konzertes gestaltete sich, als zum Abschluss der Solohornist und Kammervirtuose Erich Markwart nach 32 Dienstjahren in der Sächsischen Staatskapelle vom Orchestervorstand Friedwart Christian Dittmann in den Orchestermusiker-Ruhestand verabschiedete und Ton Koopman den verdienten Virtuosen mit Händels „La Réjouissance“ besonders ehrte.
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