Dresden, Kulturpalast, Schostakowitsch-Festival Gohrisch 2024, IOCO

DRESDEN - Kulturpalast 26.6.2024: Vorabendkonzert des „Schostakowitsch-Festivals Gohrisch 2024“ - 27.6. - 30.6.2024 - Schostakowitschs siebte Symphonie im Orchesterdebüt mit der Staatskapelle Dresden

Dresden, Kulturpalast, Schostakowitsch-Festival Gohrisch 2024, IOCO
KULTURPALAST Dresden @ Nikolaj Lund

26.6.2024: Vorabendkonzert des „Schostakowitsch-Festivals Gohrisch 2024“ - 27.6. - 30.6.2024 - Schostakowitschs siebte Symphonie im Orchesterdebüt mit der Staatskapelle Dresden

von Thomas Thielemann

Im Garten des Gästehauses des Ministerrates der DDR im Kurort Gohrisch nahe der Grenze zur Tschechoslowakei, unter einer Buche am Teich sitzend, arbeitete Dmitri Schostakowitsch (1906-1975) zwischen dem 12. und 14. Juli des Jahres 1960 an der Partitur seines 8. Streichquartetts. Es dürfte Schostakowitschs meistgespieltes Streichquartett geworden sein. Auch hat eine Bearbeitung von Rudolf Barschai des Quartetts als Kammersymphonie Schostakowitschs als op. 110a eine besondere Popularität erlangt. „Die schöpferischen Arbeitsbedingungen in Gohrisch haben sich gelohnt: ich habe dort mein 8. Streichquartett komponiert.“ Später hat Schostakowitsch das Werk als sein Requiem bezeichnet.

Eigentlich sollte er in Dresden die Musik für den Film „Fünf Tage- fünf Nächte“, einer idealisierten Verklärung der Umstände, wie Rotarmisten nach dem zweiten Weltkrieg die ausgelagerten Kunstschätze der „Gemäldegalerie Alte Meister“ aufspürten, komponieren. Vor Ort sollte er sich von der zerstörten Stadt inspirieren lassen und die Betreuer wollten dem Gast im 40-km entfernten Luftkurort gute Wohnbedingungen bieten. Im Mai und im Juni 1972 wohnte Schostakowitsch mit seiner Frau Irina noch einmal einige Wochen „am unerhört schönen Ort“ im Gohrischer Gästehaus im Anschluss an die Berliner Erstaufführung seiner fünfzehnten Symphonie.

SÄCHSISCHE STAATSKAPELLE - im Kulturpalast @ Oliver Killig

Auf Initiative des damaligen Konzertdramaturgen der Sächsischen Staatskapelle Dresden Tobias Niederschlag (geboren 1976 und derzeit Leiter des Konzertbüros des Gewandhausorchesters Leipzig) wollte der Verein „Schostakowitsch in Gohrisch e.V.“ den Aufenthalt des Komponisten im Kurort ins öffentliche Bewusstsein bringen sowie angemessen würdigen und rief im Sommer 2009 die „Internationalen Schostakowitsch Tage Gohrisch“ ins Leben..

Mangels eines repräsentativen Konzertraums, letztlich auch aus Geldmangel, griff der Verein auf eine Scheune mit Betonwänden, Dachstuhl und Asbestdach zurück, die leergeräumt eine grandiose Akustik bietet. Dank der Mitwirkung von Musikern der Sächsischen Staatskapelle Dresden zündete die Idee und 2010 waren die „Internationalen Schostakowitsch Tage Gohrisch“ als das „Anti-Festival“ geboren.

Durch die Mitwirkung namhafter Gäste ist die „Konzertscheune von Gohrisch“ inzwischen die Pilgerstätte der Verehrer des Komponisten und Menschen Dmitri Schostakowitsch. Zu den ersten Unterstützern gehörte Michael Jurowski (geboren 1945), der als Kind mit Schostakowitsch vierhändig Klavier spielte, und als besonders authentischer Interpret seiner Kompositionen gilt.

Für drei Tage, solange arbeitete der Komponist 1960 an seinem Streichquartett, beherbergt in jedem Jahr der 800-Seelen-Ort in der Nähe der Grenze zur Tschechischen Republik das weltweit einzige regelmäßige Festival für den bedeutendsten russischen Komponisten.

SÄCHSISCHE STAATSKAPELLE - Dirigent Vitali Alekseenok @ Oliver Killig

Für die anreisenden Gäste veranstaltet die Sächsische Staatskapelle traditionell am Vorabend der Eröffnung des Festivals in Dresden ein Konzert. In diesem Jahr dirigierte der weißrussische Dirigent Vitali Alekseenok mit einem Orchesterdebüt bei den „Dresdnern“ Schostakowitschs siebte Symphonie C-Dur op.60, die „Leningrader“.

Schostakowitschs Opus 60 umweht mit seinem „ich widme meine siebte Symphonie unserem Kampf gegen den Faschismus, unserem unabwendbaren Sieg über den Feind und Leningrad, meiner Heimatstadt“ und die daraus resultierende Benennung „Leningrader“ eine besondere Aura. Dazu trägt auch die legendäre von Karl Eliasberg dirigierte Aufführung vom 9. August 1942 im seit September 1941 belagerten Leningrad bei. Mit einem aus fünfzehn überlebenden Mitgliedern des Leningrader Rundfunkorchesters, komplettiert mit von der Front abgestellten Musikern, war dieses propagandistisch zweifelsfrei wichtige Konzert durchgesetzt worden. Die Dramatik der „Leningrader Blockade“, die bis zum Januar 1944 während 871 Tage dauerte und etwa eine Million verhungerter Zivilisten zur Folge hatte, erreichte erst in der Folgezeit ihr tatsächliches Ausmaß.

Allerdings lässt sich die Bindung der Komposition an die Blockade nicht unbedingt aufrecht halten, denn der Komponist hatte den ersten Satz zuvor von 1939 bis zum August 1941 geschrieben und das Moderato begonnen. Im bereits belagerten Leningrad vollendete er den zweiten und komponierte den dritten Satz, bevor er im Oktober 1941 nach Kuibischew evakuiert, die Fertigstellung der Partitur vornehmen konnte.

Bekanntlich hatte Stalin die Partitur in die Welt versenden lassen und Aufführungen unter anderem von Arturo Toscanini befeuert, was dann selbst Schostakowitsch peinlich war.

Dirigent Vitali Alekseenok un die SÄCHSISCHE STAATSKAPELLE - @ Oliver Killig

Unter diesen Umständen gestalten sich aktuelle Bezüge einer Aufführung des Werkes eher schwierig: Mit seinem Dirigat betonte der 1991 in Bjelorussland geborene Vitali Alekseenok die musikalische Substanz der Komposition, indem er Details betont nuancenreicher ausmusizieren ließ. Von den ersten, bedrohlich ruhigen Tönen baute Alekseenok die Spannung mit den sich wiederholenden Rhythmen und Motiven mit fast hypnotischer Wirkung auf. Der Mittelteil des ersten Satzes, ein eigentlich banales Thema, wurde vom gleichbleibenden Trommelrhythmus bis zum Höhepunkt getrieben, ohne dass Alekseenok auch nur einen Moment die präzise agierenden Musiker von der Leine ließ. In gefühlten elf Variationen steigerte er immer drängender den Druck, ohne dabei die Feinheiten der Balance aus dem Blick zu lassen.

Im zweiten Satz, dem Moderato, regte er die engagiert mitgehenden Musiker an, diese Systematik weiter zu verfolgen. Mit ausgeprägten Streichergesten über bedrohliche Rhythmuskaskaden ließ er das Orchester regelrecht am Abgrund musizieren. Die Kontraste zwischen den heiteren Momenten und den düsteren Passagen blieben kompakter betont, während die Balance zwischen der Leichtigkeit und der Schwere, zwischen Freude und Trauer sensibel herausgearbeitet war.

Das „Adagio“ mit dem einleitenden Bläserchoral schien mit seiner Emotionalität zunächst Hoffnung spenden zu wollen. Insbesondere die Holzbläser halfen der Stimmung mit warmem, expressivem Spiel. Beeindruckend fügten die Klarinettensoli der Interpretation eine fast persönliche Note bei.

Mit dem eigentlich kriegerischem Finale ging Alekseenok allerdings eher versöhnt und entspannt zu Werke. Die dynamische Entwicklung der Kontraste und die Ausformung der dramatischen Themen waren von der Sächsischen Staatskapelle zwar mit höchster Intensität dargeboten, machten aber letztlich einen zunehmend opernhaften Eindruck.

Dem überwiegenden Teil der Besucher hatte die Interpretation Alekseenoks gefallen, so dass dem Orchester und dem Dirigenten mit nahezu komplett stehenden Ovationen gedankt wurde.

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Hamburg, Staatsoper, DER FREISCHÜTZ - C. M. von Weber, IOCO

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