Dresden, Kulturpalast, Peter Rösel, Pianist - Dresdner Streichquartett, IOCO Kritik, 14.04.2023

Dresden, Kulturpalast, Peter Rösel, Pianist - Dresdner Streichquartett, IOCO Kritik, 14.04.2023
Kulturpalast Dresden © Nikolaj Lund
Kulturpalast Dresden © Nikolaj Lund

Kulturpalast Dresden

Peter Rösel, Pianist -  Dresdner Streichquartett

Klavierquintette:  Dmitri Schostakowitsch - Johannes Brahms

von Thomas Thielemann

Kulturpalast Dresden / Peter Rösel, Pianist © Koichi Miura
Kulturpalast Dresden / Peter Rösel, Pianist © Koichi Miura

Der Pianist Peter Rösel gehört zu jenen Musikern, dessen Schaffen uns im Konzertsaal und mit seinen Einspielungen begleitete, seit wir uns mit klassischer Musik beschäftigen. Von seinen Konzerten mit dem Gewandhausorchester Leipzig bis zu den Sonntags-Nachmittagskonzerten im Pillnitzer „Carl-Maria-von-Weber-Museum“ können wir auf unzählige musikalische Begegnungen der unterschiedlichsten Formen zurückblicken.

Mit dem Dresdner Streichquartett - Thomas Meining (1. Violine), Barbara Meining (2. Violine), Andreas Schreiber (Viola), Tom Höhnerbach (Violoncello) - gestaltete der inzwischen im 79. Lebensjahr befindliche Klaviervirtuose Peter Rösel am 13. April 2023 im Konzertsaal des Dresdner Kulturpalastes die Klavierquintette g-Moll von Dmitri Schostakowitsch und f-Moll von Johannes Brahms.

Schostakowitsch (1906-1975) komponierte sein einziges Klavierquintett als Opus 57 im Jahre 1940, kurz vor Beginn des „Großen Vaterländischen Krieges“. Dem Stück werden ein Überfluss an musikalischen Einfällen und eine Meisterschaft der Form bei einer großartigen stilistische Einheit bescheinigt.

Möglicherweise ist die subtile musikalische Sprache, das gelegentlich bemängelte Fehlen „großer Höhenflüge“ und die konsequente Nutzung alter Formen dem Umstand zu schulden, dass Schostakowitsch seine Schwierigkeiten wegen des Avantgardismus-Vorwurfs der Zeit um 1936 innerlich noch nicht überwunden hatte.

Dresdner Streichquartett hier Thomas Meining (1. Violine); Barbara Meining (2. Violine); Andreas Schreiber (Viola), Tom Höhnerbach (Violoncello) © Grossemusiker
Dresdner Streichquartett hier Thomas Meining (1. Violine); Barbara Meining (2. Violine); Andreas Schreiber (Viola), Tom Höhnerbach (Violoncello) © Grossemusiker

Die Interpreten des Konzertes ließen die Musik Schostakowitschs direkt aus sich selbst sprechen. Mit Klarheit und Unmittelbarkeit loteten die fünf Musiker die Dialoge zwischen den Streichern und dem markant auftrumpfenden Pianisten zwischen Melancholie und Beklemmung aus. Im wild-schwingendem Scherzo arbeitete der Pianist eigensinnig gegen die sich ihm entziehenden Streicher, bevor mit dem Lento die fünf wieder in brüchiger Harmonie zusammenfanden. Mit Trotz, harmoniesuchend und verzweifelnd zwischen den rückwärtsgewandten Ambitionen des Quartetts agierend, gestaltete der hervorragend aufgestellte Peter Rösel das Finale.

Johannes Brahms © IOCO
Johannes Brahms © IOCO

Für viele Musikfreunde ist das Klavierquintett f-Moll der Inbegriff der Kammermusik Johannes Brahms (1833-1897). Dabei war der Entwicklungsweg des Opus 34 geradezu abenteuerlich. Der junge Komponist begann mit der Arbeit an einem Streichquintett, als er sich vergeblich in Hamburg um die Position des „Direktors der Philharmonischen Konzerte“ und des „Chormeisters der Singakademie“ bewarb und in der Folge seine Heimatstadt in Richtung Wien verließ. Diese Erstfassung für eine reine Streicherbesetzung mit zwei Violinen, einer Viola du zwei Violoncelli fand offenbar in seinem Freundeskreis nur eine kritische Aufnahme. Insbesondere der Geiger Joseph Joachim (1831-1907) lobte zwar die schwungvolle Gestaltung und die männliche Kraft des Werkes, mokierte aber einige Schroffheiten, so dass Brahms den Autografen offenbar vernichtete. Im Frühjahr 1864 arbeitete Brahms das Streichquintett in eine Sonate für zwei Klaviere, dem op. 34a um. Dieser Fassung bescheinigte man, „dass sie ein Füllhorn über ein ganzes Orchester ausschütten könne“. Brahms reagierte diesmal vernünftig und packte „das symphonische Füllhorn“ in den kammermusikalischen Rahmen eines Klavierquintetts. Eine erste Aufführung in der uns im Konzert gebotenen Fassung ist vom Juni 1865 in einer Baseler Privatwohnung mit Brahms am Klavier nachweisbar.

Mit ihrer Interpretation des Brahms´schen f-Moll-Werkes schufen unsere Musiker eine wunderbare Synthese zwischen einem zupackend-aufwühlenden Spiel und der Formstrengen Komplexität der Komposition. Die Melodiebögen waren feinschattiert, so dass sich der Instrumentalklang klar entfalten konnte. Es wurde nicht forciert und Transparenz auf Kosten der Klangfülle betont.

Die Opulenz des Ensembleklanges wurde durch die filigran differenzierte Balance zwischen den Einzelstimmen und deren rhythmischen Prägnanz erreicht.

Der federnde, kultivierter Anschlag und eine fast grenzenlos Ausdruckspalette des Pianisten, grundierte die kultivierte Einfügung des Klavierparts in den Streichersatz. Souverän reagierte Peter Rösel auf die feinen Nuancen der Streicher, so dass sich Sehnsucht, Verzweiflung und abgründige Poesie in der Interpretation mischten.

Im Kopfsatz standen Schmerz und Bedrängnis im Vordergrund.  Im zweiten Satz entspannten die Musiker mit einer zart aufblühenden organisch zwischen den Instrumenten abgestimmten Phrasierung. Im dritten Satz gehen die Musiker energisch und spritzig an ihre Grenzen. Selbst im dichtesten Gewimmel von gegenläufigen Rhythmen blieb der Instrumentenklang erhalten. Man bekam den Eindruck, als wollten die Musiker jede Note und jedes Detail zum Klingen bringen.

Im von Kontrasten geprägten Finale versuchten die Musiker das ruhige Fahrwasser des Beginns zu meiden. Sie steigerten sich rasch in die heftiger vorgetragenen Variationen der Motive der früheren Sätze und führten die mit ihrer Klarheit bestechende Deutung des Klavier-Quintetts zu einem strahlenden Abschluss.

Das in Dresden populäre Ensemble wurde für die beeindruckende Darbietung folgerichtig gefeiert und bedankte sich mit der Wiederholung des Scherzos des Schostakowitsch Klavierquintetts.

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