Dresden, Kulturpalast, Haydn und Beethoven - Gegen Corona, IOCO Kritik, 20.06.2020
Haydn und Beethoven - Gemeinsam gegen das CORONA-Virus
Dresdner Philharmonie und das Ébène-Quartett
von Thomas Thielemann
Die in Sachsen verbindlichen Regelungen und ein kluges Hygienekonzept ermöglichte der Dresdner Philharmonie jeweils 498 Besucher für öffentliche Veranstaltungen in den Konzertsaal des Kulturpalastes einzuladen. Einhaltung der Abstandsregeln, ein rigides Einlass-System, Tragen von Mund- und Nasenbedeckung bis zum Erreichen des zugewiesenen Sitzplatzes, dazu eine intensive Raumbelüftung und Desinfektionsmaßnahmen erlauben fast dreißig Prozent der 1.700 Plätze für ein einstündiges Konzert ohne Pause zu besetzen.
Da für die Besetzung der 210 m² Bühnenfläche natürlich auch die Grundsätze der Abstandshaltung einzuhalten waren, wählte Marek Janowski für den ersten Teil des Konzertes ein Orchesterstück mit nach heutigen Üblichkeiten kleinerer Besetzung, Joseph Haydns Sinfonie Nr. 99 in Es-Dur aus dem Jahre 1793, aus. Zwölf Bläser, einunddreißig Streicher und ein Pauker hatten auf dem Podium in gebührendem Abstand Platz genommen. Hatte Haydn die Uraufführung 1794 in London noch vom Cembalo geleitet, so sorgte trotz der gewöhnungsbedürftigen Sitzordnung der Musiker Chefdirigent Marek Janowski mit seinem engagierten Dirigat für ein ausgewogenes Klangbild, auch wenn sich das Blech gelegentlich etwas vorwagte. Ansonsten, bei aller Betonung der wirbelnden Figuren und der charakteristischen Leichtigkeit der Symphonie, betonte Janowski deren Nähe zum Streichquartett. Die Streicher waren die maßgeblichen Träger des Geschehens und gaben mit ihrem ständigen Einsatz den Ton an, während die übrigen Instrumente für die Fülle und Vollständigkeit des Klangbildes sorgten.
Die Betonung von Kontrasten, der Blick auf Details und das deutliche Modellieren waren Kennzeichen der Interpretation Janowskis. Die schnellen Sätze waren überzeugend, vor allem das finale Presto gelang brillant. Dazu kam die Spielfreude der Musiker, die insbesondere im Finale ihre Erleichterung, dass „es endlich wieder losgeht“, spüren lassen.
Der Klangunterschied im nur knapp zu einem Drittel besetzten Saal war natürlich zu hören, so dass zumindest für mich der vom Akustikbüro Peutz ausgewiesene geringe Unterschied des mittleren Nachhalls von leerem und vollbesetztem Konzertsaal nicht zum Tragen kam. Das war insbesondere bei den Ovationen spürbar.
Dem Spätwerk Joseph Haydns (1732-1809) folgte mit dem Streichquartett Nr. 2 G-Dur op. 18 /2 von 1799 ein Frühwerk Ludwig van Beethovens (1770-1827).
Als Gastensemble war das für sein breites Repertoire bekannte Quatuor Ébène, zu Deutsch „Ebenholzquartett“, aus Frankreich eingeladen worden. Die Violinisten Pierre Colombet und Gabriel Le Magadure, die Bratschistin Marie Chilemme sowie der Cellist Raphaël Merlin sind mit ihrem Repertoire aus klassischer und zeitgenössischer Musik bis zum Jazz bekannt geworden. Damit sorgten sie in der Musikszene zu nachhaltiger Aufregung. Mit ihrem unvoreingenommenem Blick auf die Werke, mit ihrer Lust zwischen den Stilen zu wechseln, ohne dabei Demut und Respekt zu vergessen, begeistern sie ihr Publikum.
Das als zweites aus Beethovens Streichkonzert-Zyklus Opus 18, bekannte Werk, steht noch ganz in der Tradition seiner Vorbilder Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) und vor allem Joseph Haydn. Das G-Dur-Quartett, wegen seines Hauptthemas auch „Komplementier-Quartett" genannt, bietet mit seinem Finalsatz Bezüge zu Haydns G-Dur-Streichquartett op. 77,1 aus dem gleichen Entstehungsjahr. Es ist damit durchaus als Verbeugung des jungen Komponisten vor dem Altmeister zu verstehen.
Die Musiker des Quatuor Ébène spielten das viersätzige Werk taufrisch mit Brisanz und Unbedingtheit, als wäre es gerade erst entstanden. Die Details waren gestochen scharf und ließen feinste Schattierungen zur Geltung bringen. Dabei gelang es, das Geschehen energiegeladen, expressiv, spannend zu halten und wirkungsvolle Überraschungen zu gestalten.
Das Allegro kam noch ziemlich verspielt und durchsichtigt, während die Darbietung des langsamen Satzes sich vor allem durch seine Prägnanz und der Partien der Einzelstimmen auszeichnete. Mit dem Scherzo boten die vier Musiker Überraschungsmomente mit zum Teil grenzwertigen Wirkungen. Auch die Darbietung des Schluss-Satzes „Allegro molto quasi Presto“ war von Reibungen und einer guten Portion Übermut gekennzeichnet.
Für die schwache Besetzung des Konzertraumes war der Beifall frenetisch. Mir hat die Mut machende Veranstaltung mit dem einfallsreichen Konzept und der straffen Organisation ausgezeichnet gut gefallen.
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