Dresden, Kulturpalast, DRESDNER PHILHARMONIE - Christian Macelaru, IOCO
DRESDNER PHILHARMONIE - DRESDEN: Dirigent Christian Măcelaru und der Pianist Colin Pütz gastierten am 10.3.2024 mit Werken von Witold Lutosławski, Wolfgang Amadeus Mozart sowie Antonin Dvořák bei der Dresdner Philharmonie im Dresdner Kulturpalast.
von Thomas Thielemann
Dirigent Christian Măcelaru und der Pianist Colin Pütz gastierten mit Werken von Witold Lutosławski, Wolfgang Amadeus Mozart sowie Antonin Dvořák bei der Dresdner Philharmonie im Dresdner Kulturpalast.
Das Leben des interessanten Komponisten Witold Lutosławski (1913-1994) spiegelt die wechselvolle Geschichte seines polnischen Heimatlandes wieder. Im „russischen“ Warschau geboren, gehörte er zur ersten Generation Heranwachsender, die nach dem russischen Bürgerkrieg und dem Frieden von Brest Litowsk mit der „Zweiten Republik“ eine Wiederherstellung einer polnischen Staatlichkeit miterlebte. Von 1939 erfuhr er die Besetzung seines Heimatlandes im zweiten Weltkrieg und nach 1945 die Schwierigkeiten der Volksrepublik Polen mit ihren stalinistischen Auswirkungen. Lutosławskis Planung, in Paris zu studieren, scheiterte am Ausbruch des Krieges. Kriegseinsatz, Gefangenschaft und Flucht dazu überdauern mit einer Kabarett-Truppe prägten seine Zeit bis Kriegsende. In den 1950er Jahren bemühte sich seine Tonsprache, Elemente der heimatlichen Folklore in neuartigem musikalischem Gewand auf individuelle Weise einzubeziehen. Versuche mit Zwölfton- und anderen neuartigen Kompositions-techniken brachten ihm im stalinistischen Polen Formalismus-Vorwürfe der offiziellen Kulturpolitik ein.
Die im Konzert gebotenen „Symphonischen Variationen für Orchester“ waren von 1936 bis 1938 entstanden. Bereits zu dieser Zeit hatte der 25-jährige Lutosławski durchaus komplexe Strukturen mit Brillanz und Vitalität in sein Orchesterwerk einbezogen. Die handwerklich perfekte Komposition erwies bereits, dass er als praktizierender Musiker mit den Künsten seines Metiers vertraut war.
Christian Măcelaru gestaltete Lutosławskis „Pariser Bewerbung“ mit den Musikern der Dresdner Philharmonie zu einem erfrischenden und interessanten Auftakt, an dem auch konservative Besucher ihre Freude haben konnten.
Mit seinem c-Moll-Klavierkonzert KV 491 war Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) im Jahre 1786 besonders intensiv in künftige musikalische Bereiche vorgestoßen. Die große thematische Intensität, die Tiefe der musikalischen Charakteristik und der vielfältige Einsatz der Chromatik zeugten schon von großer Reife des dreißig jährigen Mozarts. Deshalb sah ich es schon als Wagnis an, dieses komplexere der beiden Moll-Klavierkonzerte Mozarts dem jungen Pianisten Colin Pütz zu überlassen. Aber immerhin bestreitet Măcelaru seit fast drei Jahren Konzerte mit dem im 17. Lebensjahr befindlichen Pianisten. Seine hervorragende Virtuosität ist unbestritten, der Anschlag erwies sich aber wenig sensibel und in der Kadenz sogar hart. Damit fehlte der Interpretation die pathetische Anmutung und sie wirkte wie ein Holzschnitt-Abzug. Dabei war faszinierend, wie Pütz seine Verbindungen zum Orchester aufbaute. Er ließ sich vom Orchester regelrecht umspielen, auch umschwärmen. Auch genoss man Mozarts Aufgebot des üppigen Bläsersatzes, der den Flöten, Oboen, Fagott und Klarinetten der Philharmoniker reiche Gelegenheit bot, ihr hervorragendes Können zu zeigen.
Für den langanhaltenden freundlichen Beifall bedankte sich Colin Pütz bei den Besuchern mit Antonin Dvořáks „Humoreske" Nr. 7 op. 101.
Nach der Pause folgte die „Symphonie Nr. 6 D-Dur op. 60“ des böhmischen Meisters:
Antonin Dvořák (1841-1904) bemühte sich neben seiner Tätigkeit als Orchester-Bratschist um eine kompositorische Sprache und um einen individuellen Stil. Obwohl seine frühen Symphonien voller musikalischer Einfälle waren, und sich zunehmend handwerkliche Meisterschaft entwickelte, stellte sich kein rechter Erfolg ein. Erst als der Wiener Kritiker Eduard Hanslick (1825-1904) Johannes Brahms (1833-1897) auf das aufstrebende Talent aus Böhmen aufmerksam gemacht hatte und der acht Jahre ältere Arrivierte, Dvořák bei seinem Verleger Simrock einführte sowie ihm Kontakte in die Musikwelt vermittelte, riss der Knoten.
Aus dieser Unterstützung entwickelte sich eine zunehmend freundschaftliche künstlerische Zusammenarbeit, die ihre Spuren in den fünften und sechsten Symphonien Dvořáks hinterließen. Die „Symphonie Nr. 6 D-Dur op. 60“ komponierte Dvořák im Jahre 1880 eigentlich auf eine Bitte des Dirigenten Hans Richter (1843-1916) für die Wiener Philharmoniker. Eine Erkrankung Richters und Querelen im Orchester verhinderten eine Wiener Uraufführung. Der Komponist vermutete aber die anti-tschechische Stimmung im Wien der damaligen Zeit als Ursache der Zurückweisung.
Mit seinem Dirigat der „Symphonie Nr. 6 D-Dur op. 60“ verschaffte Christian Măcelaru mit der Dresdner Philharmonie der Komposition Antonin Dvořáks einen ganz eigenen Glanz und besonderen Schwung, gab ihr eine seltene Ausdruckskraft, ohne dass er dabei eine besondere Interpretationsagenda verfolgte. Seine Auslegung wurde aber dem Grundcharakter der Symphonie dank großer Akribie und Feinarbeit im Detail, in vollendeter Weise gerecht.
Măcelarus Ansatz zum ersten Satz war temporeich und erfasste die mehrfach wechselnden Perspektiven. Trotz der Wiederholungen bewältigte er die starken Tempokontraste zwischen dem ersten und zweiten Thema, beherrschte geschickt die Übergänge und führte die Philharmoniker zum grundlegenden Allegretto-Thema zurück.
Im Adagio ließ Măcelaru vor allem den glänzend aufspielenden Streichern des Orchesters viel Raum. Die Wirkung seines langsamen Satzes profitierte von der langen und leicht entlang schwimmenden Melodie, so dass das der Klang eher wie ein unbeschwertes Lied daherkam. Besonders gelungen war der Scherzo-Furiant, bei dem die Philharmoniker ungemein temperamentvoll und mit rhythmischer Energie agierten.
Im Finale „Allegro con spirito“ wurden zwei frische und fröhliche Themen vorgestellt, die Christian Măcelaru harmonisch dicht und brillierend mit dem Orchester verarbeitete. Die Lebensfreude dieses letzten, mit einer effektvollen Stretta abgeschlossen Satzes, kennzeichnete damit die geschlossene Leistung des Orchesters dieser rundweg gelungenen Interpretation.