DANIEL KIRCH, Tenor - im Interview

In der Folge des Liederabends Winterreise auf Mallorca führte Karin Hasenstein mit Daniel Kirch ein ausführliches Interview, in welchem dieser künstlerische Ansichten und seine Entwicklung der letzten Jahre darlegt.

DANIEL KIRCH, Tenor - im Interview
Teatre Municipal Xesc Forteza - Palma de Mallorca @ Wikimedia commons

„Das Ziel muss immer die Emotion sein!“ Auf einen Kaffee mit Daniel Kirch

von Karin Hasenstein

In der Folge des Liederabends Winterreise auf Mallorca führte Karin Hasenstein mit Daniel Kirch ein ausführliches Interview, in welchem dieser künstlerische Ansichten und seine Entwicklung der letzten Jahre darlegt.

Einführung: Palma de Mallorca, ein Freitagabend Mitte November 2023 in dem kleinen Teatre Municipal Xesc Forteza, Foto oben, unweit der Kathedrale. Würde man hier einen deutschen Liederabend erwarten, einen Liederabend mit Schuberts Winterreise? Nicht unbedingt, die meisten Menschen fliegen aus anderen Gründen nach Mallorca. Solisten des Abends waren der bekannte deutsche Tenor Daniel Kirch, der seinen Lebensmittelpunkt auf Mallorca hat und der mallorquinische Pianist Francesc Blanco. Karin Hasenstein besprach diesen Liederabend für IOCO, link HIER.

IOCO begegnete der Künstler Daniel Kirch schon des öfteren, so auch, Link folgend, 2022 und 2023 in seiner Partie als Loge der neuen Bayreuther Inszenierung des Ring des Nibelungen von Valentin Schwarz.

In der Folge des Liederabends Winterreise auf Mallorca führte Karin Hasenstein mit Daniel Kirch ein ausführliches Interview, in welchem dieser künstlerische Ansichten und seine Entwicklung der letzten Jahre darlegt.

Daniel Kirch @ Daniel Kirch

Daniel Kirch, Tenor im Interview mit Karin Hasenstein, IOCO

Karin Hasenstein (KH): Daniel, du hast gestern in Palma mit deinem Begleiter Francesc Blanco einen Liederabend gegeben, Schuberts Winterreise. Wie geht es dir heute, am Tag danach?

Daniel Kirch (DK):    Ich bin zufrieden, glücklich, entspannt, ein bisschen müde, im besten Sinne gut entleert.

KH:    Das hört sich gut an. Ich denke auch, für alle, die gestern in Palma im Teatre Xesc Forteza waren, war es ein sehr schöner, ein sehr berührender Abend. Es war deutlich zu spüren, dass das Publikum mitgegangen ist, das ist ja auch der Idealfall, dass zwischen den Künstlern und dem Publikum eine Verbindung entsteht, dass der Funke überspringt. Das hat man deutlich an der Spannung gemerkt, die im Zuschauerraum war, die du mit deinem Vortrag aufgebaut hast.

DK:    Ja, ich hatte das Gefühl, ich konnte mir das Publikum vom ersten Lied an „greifen“, ich konnte direkt einsteigen und das Publikum ist sofort mitgegangen. Ich fand das außergewöhnlich, es war sehr ruhig, kein Husten, Räuspern, bis auf das Quietschen des Klavierhockers – lacht – da war nichts Störendes, das war die komplette Konzentration auf beiden Ebenen. Das wurde dann so intensiv, dass ich dachte, ich kann jetzt nichts trinken oder mir die Nase schnäuzen, ich kann das jetzt nicht unterbrechen! Du musst das jetzt wie einen kleinen Krimi eine Stunde fünfzehn auf die Bühne bringen. Mir kam das im Endeffekt vor wie 20 Minuten. Und ich wollte das genauso! Deshalb bin ich auch so zufrieden. Natürlich gibt es immer mal so Stellen, aber ich will das jetzt gar nicht so im Einzelnen zerpflücken. Es passte einfach insgesamt, es hat mich selbst beflügelt und ich glaube, das ist rübergekommen.

KH:    Ich weiß, was du meinst, das ist ganz genau rübergekommen! Krimi ist aber ein gutes Stichwort. Der Spannungsbogen war einfach von Anfang an da, bis hin zum letzten Lied, du hast die Zuhörer berührt, und es ist ja auch eine spannende Geschichte, die da in den 24 Liedern erzählt wird.

Warum habt ihr dieses Programm gewählt, warum Schubert, warum die Winterreise?

Daniel Kirch als SIEGFRIED / Götterdämmerung @ Matthias Baus / Staatsoper Stuttgart

DK:    Diese Winterreise von Franz Schubert begleitet mich schon seit 16, 17 Jahren. Die erste wichtige Möglichkeit, die Winterreise aufzuführen, für die ich sehr dankbar bin, war mit dem Regisseur Michael Thalheimer am Deutschen Theater Berlin. Wir hatten vorher eine andere Produktion zusammen gemacht und wollten immer mal wieder eine Arbeit auf schauspielerischer Ebene machen und bei allen Beteiligten kam sofort die Idee auf: „Wie wäre es mit der Winterreise?“ Wir haben dann vom Deutschen Theater Berlin die Möglichkeit bekommen, was mich sehr gefreut hat. Ich kam ja als Ensemblemitglied von der Komischen Oper Berlin und habe mich immer als singender Schauspieler oder schauspielernder Sänger verstanden. Ich wollte nicht „nur“ singen, ich wollte immer auch etwas bewegen, wollte Menschen berühren und das nicht nur mit meinem Gesang, sondern auch mit Darstellung, mit Vertiefung, einfach noch mit einer anderen Ebene, mit Rollenporträts, die auch mal unter die Haut gehen, die ärgern, verstören. Ich wollte, wie es bei Shakespeare heißt, den Löwen auch noch spielen, auch mit dem Mut zur Hässlichkeit, ich war mir für nichts zu schade. Dann bekam ich diese Möglichkeit mit Michael Thalheimer und wir hatten 25 fast ausverkaufte Abende an den Kammerspielen des Deutschen Theaters. Ich hatte damals eine Inhaltskrise, aus der heraus mich diese Winterreise geführt hat.

          Es gab auch noch andere Winterreisen, auch die Zender-Version – auch eine spannende Sicht auf das Werk – immer wieder hat mich dieses Stück begleitet, und in diesen 17 Jahren, die mich dieses Stück begleitet, ist es immer mehr gereift, wie ein guter Wein. Es wird immer selbstverständlicher. Ich habe mich oft gefragt: singe ich es auswendig oder nicht, aber ich kann es gar nicht anders singen als auswendig.

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