Chemnitz, Theater Chemnitz, Siegfried - Der Ring des Nibelungen, IOCO Kritik, 12.06.2019
Siegfried: Der - Chemnitzer - Ring des Nibelungen
Was will die Regie wirklich zeigen?
von Thomas Thielemann
Die gravierende Fehlbesetzung der Titelrolle des Siegfrieds im Oster-Ring der Oper Chemnitz war Veranlassung genug, den Siegfried des Pfingst-Ringes mit dem Sänger-Darsteller der Premierenrunde Daniel Kirch zu besuchen. Auch waren Unklarheiten geblieben, was Regisseurin Sabine Hartmannshenn dem arglosen Opernbesucher in ihrer Inszenierung vermitteln möchte; die IOCO Rezension vom 26.4.2019 - Wagner aus feministischeer Sicht - link hier- und dort erwähnte Verbrechen von Männern an Frauen deuten schon deren Richtung an.
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Erst die phänomenale schauspielerische Leistung des Daniel Kirch, die geringfügige sängerische Rest-Defizite vergessen lässt, führt zum Kern der Inszenierung. Mit fünf Männern konfrontiert uns Richard Wagner, die von der Regie charakterisiert werden müssten: Der Riese Fafner ist bereits im Rheingold als Brudermörder ob seiner Habgier denunziert. Der Zwerg Mime schneidet brutal den Siegfried-Fötus aus Sieglinde und lässt sie verbluten, nur um sich ein Werkzeug zu schaffen, das seine körperlichen Defizite kompensieren soll. Sein Bruder Alberich vergewaltigt eine gesichts- und willenslose Nibelungensklavin, um dem Knaben Hagen die angestrebten Machtverhältnisse zu demonstrieren. Der junge Hagen begreift und tritt nach. Warum der Wanderer, also eigentlich ein Gott, wenn auch auf Abruf, den Waldvogel umbringt, erläutert die Inszenierung nicht so richtig. Ist dem Gott ihre Informationsfreudigkeit und ihr Warnen ein Dorn im Restauge geworden?
Bleibt Siegfried: er ist bereits von Wagner am Beginn als kindlich und naiv angelegt. Aber die Spielfreude des Daniel Kirch, wahrscheinlich von Sabine Hartmannshenn noch angefeuert, stellt ihn uns kindisch bis zu den Schluss-Szenen vor. Er beherrscht die Bühne, ohne dabei auch nur die geringste Entwicklung zu zeigen. In der April-Rezension hatte ich der Regie mangelhafte Personenführung kritisiert. Das war aber am Ostersamstag der Notwendigkeit geschuldet, dass der musikalische Leiter alle Mühe hatte, den armen Ersatz-Siegfried über den Spätnachmittag zu bringen und ihn deshalb häufiger an die Rampe holte. Kirch hat bewiesen, dass seine Spielfreude Mittel zum Zweck war. Siegfried blieb ein Kindskopf bis er in die Fänge der Brünnhilde geriet.
Fazit der Chemnitzer Inszenierung: Alle Männer sind Verbrecher oder naive Kindsköpfe; es sei denn, sie werden von einer starken Frau gelenkt, geleitet
Sabine Hartmannshenn ist eine höchst begabte Regisseurin. Wie sie die Oper mit diesem einen Bühnenbild, das eigentlich nur im Bereich des Feuerzaubers abgewandelt ist, ausfüllt, ist bemerkenswert. Einige Szenendetails - die Tafelei des Wanderers mit Mime mit dem abrupten Abbruch, die Drachenszene mit der Statisterie - zeugen von hoher Kreativität.
Gesungen wurde in der Aufführung recht ordentlich. Arnold Bezuyen war besser als am Ostersamstag. Prachtvoll wieder Jukka Rasilainen, Magnus Piontek und vor allen Guibee Yang und Stéphanie Müther.Überzeugend auch der Wanderer von Ralf Lukas und die Erda von Nadine Weismann.
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Die Abendleistung des Orchesters zu beurteilen fällt schwer. Weil noch andere Aufführungen in meinem Ohr klingen, scheint mir, daß Guillermo Garcia Calvo mit den Blechbläsern recht üppig um sich warf und über weite Strecken das Feuer eines Richard Wagner vermissen ließ.
Der ausgeprägt aggressive Feminismus in den Konzeptionen von Sabine Hartmannshenn und Elisabeth Stöppler bleibt nach modernen Wertvorstellungen nur schwer verkraftbar.
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