CATHERINE FOSTER, Sopran: Interview mit Dr. Adelina Yefimenko
Dr. Adelina Yefimenko traf Catherine Foster nach der Premiere von "Die Frau ohne Schatten" an der Deutschen Oper in Berlin zum Gespräch.

Catherine Foster, die über eine starke dramatische Sopranstimme mit stets erkennbarem Timbre verfügt, ist eine anerkannte Expertin des Wagner- und Strauss-Repertoires. In der Rolle von Baraks Frau in der Produktion der Deutschen Oper Berlin (Regisseur Tobias Kratzer) kombinierte die Sängerin meisterhaft die subtilsten emotionalen Nuancen einer Person in einer Ehekrise - von Hoffnung zu Aggression, von Enttäuschung zu Vertrauen, von auffallender Energie zu einer rational nachvollziehbaren und einzig richtigen Entscheidung - der Scheidung von Barak. Im Bild einer scharfen, impulsiven Persönlichkeit enthüllte die Sängerin die intonatorische Entwicklung einer souveränen Heldin, die von den funktional-familiären Verpflichtungen irritiert ist. Baraks Frau sucht aktiv nach einem Ausweg, provoziert ihren Mann, protestiert und verteidigt ihr Recht, unabhängig zu leben. Auch im beruflichen und privaten Leben ist Catherine Foster die Frau, die immer selbst Entscheidungen trifft. Ein Gespräch mit Catherine Foster – ein intensiver Austausch über die Musik, über das Leben der Sängerin, über die Opernregie und über aktuelle Probleme unserer Zeit.
Adelina Yefimenko: Liebe Catherine, wir haben uns das erste Mal persönlich in Füssen getroffen und kennengelernt. Sie haben die Isolde in der Produktion „Tristan und Isolde“ mit Lothar Zagrosek dargestellt und sie mit dem ukrainischen Kyjiw-Sinfonie Orchestra aufgeführt. Die Inszenierung wurde 2002 von Herbert Adler, als Regisseur und Leiter des Richard Wagner Festivals in Wels, aufgeführt. Es war eine sehr tiefgreifende Erfahrung. Die Isolde sang auf der Bühne und die breite Dimension der Wagnerschen Musik mit dem kosmischen Bühnenbild hat mich fasziniert. Es war allerdings eine für Musiker nicht gewöhnliche Situation, weil das Festspielhaus keinen großen Orchestergraben hatte und die Akustik nicht optimal für das Werk war. Welche Erinnerungen haben Sie an diesen Auftritt in Füssen?
Catherine Foster: Ehrlich gesagt war ich einfach sehr froh, bei dieser Aufführung mitzumachen. Es war einfach eine unglaubliche Erfahrung während der Pandemie und es war ein Moment des Jubels für mich, als ich wieder auf die Bühne durfte, um zu singen.
Adelina Yefimenko: Wo haben Sie Gesang studiert?
Catherine Foster: Ich begann mit Privatunterricht bei Pamela Cook, die sich auf Frauenstimmen spezialisiert hatte und für ihre Arbeit in diesem Bereich mit dem MBE (Der Member of the Order of the British Empire) ausgezeichnet worden war. Dann wurde ich am Royal Birmingham Conservatoire aufgenommen und wechselte an das Royal Northern College of Music, nachdem ich 1997 den Dame-Eva-Turner-Award gewonnen hatte. Danach wurde ich für ein Jahr gefördert, um von 1998 bis 1999 das Londoner Opernstudio zu besuchen. Während dieser ganzen Zeit studierte ich bei Pamela Cook bis zu ihrem Tod im Jahr 2013. Ich verdanke ihren Fähigkeiten nicht nur die Gesangtechnik die ich beherrsche, sondern auch meine Karriere.
Adelina Yefimenko: In einem Interview verrieten Sie, dass Sie vor der Sängerkarriere als Krankenschwester arbeiteten. Hat diese Erfahrung Ihren Beruf als Sängerin beeinflusst?
Catherine Foster: In vielerlei Hinsicht hat mich die Arbeit als Krankenschwester und Hebamme natürlich als Sängerin beeinflusst, nicht in Bezug auf die Art, wie ich singe, oder die Technik, die ich anwende, sondern als Schauspielerin und wie ich meine Figuren auf der Bühne gestalte. Meine Darstellung der Elektra spiegelt zum Beispiel die verschiedenen Patienten wider, mit denen ich während meiner Ausbildung und meiner Arbeit in einer psychiatrischen Abteilung in Kontakt kam. Ich habe Menschen und das Leben in all seinen Formen kennengelernt, bevor ich überhaupt eine Ausbildung als Sängerin in diesen beiden Berufen begonnen habe, die von der Geburt bis zum Tod reichen.
Adelina Yefimenko: Damit hatten Sie schon viel früher Kenntnisse und Fähigkeiten über das Thema, welches Tobias Kratzer im Regiekonzept „Frau ohne Schatten“ entwickelte!
Catherine Foster: Ja, exakt, ich fand sein Konzept faszinierend und intrigierend zugleich, wie sehr er in die Tiefe gehen wollte, um die Charaktere zu schaffen, die er mit dem Text und der Musik von Strauss und Hoffmansthal geschaffen hat. Ich konnte alles, was er zu erreichen versuchte, aus allen drei Blickwinkeln nachvollziehen. Schließlich haben wir das Genie der Komponisten bereits auf dem Papier, und das Theater engagiert jemanden, der das durch seine eigene Perspektive als Regisseur zum Leben erweckt.
Adelina Yefimenko: Sie sind Britin, studierten in England und singen oft auf Deutsch. Wie ist es, nicht in Ihrer Muttersprache, sondern in einer anderen zu singen?
Catherine Foster: Ich spreche jetzt seit 24 Jahren Deutsch, und es gibt einen riesigen Unterschied, wenn man eine Sprache gut versteht. Es ist nicht nur wichtig, die Worte zu übersetzen, sondern auch die Intonation und die Bedeutung dahinter zu verstehen. Besonders beim Singen ist es entscheidend, wie die Melodie und die Emotionen zusammenpassen. In der Oper zum Beispiel ist es wichtig, die Sprache zu fühlen und nicht nur zu verstehen.
Adelina Yefimenko: Sie haben viel Erfahrung in der Darstellung komplexer Figuren. Was ist für Sie der wichtigste Aspekt bei der Arbeit an einer neuen Rolle? Welche Rolle spielt das Gefühl beim Singen?
Catherine Foster: Musik und Gefühl sind miteinander sehr eng verbunden. Die Vokale drücken das Gefühl aus, während die Konsonanten das Verständnis vermitteln. Man kann also sehr starke Emotionen durch Musik transportieren, und das ist der wahre Ausdruck der Sprache. Besonders bei Wagner und Strauss, deren Werke ich sehr schätze, ist es entscheidend, die emotionale Tiefe in der Musik zu spüren. Der wichtigste Aspekt für mich ist es, die innere Welt der Figur zu verstehen und herauszufinden, was sie antreibt. Es geht nicht nur darum, die Musik zu singen, sondern auch darum, die Emotionen und die psychologische Tiefe der Figur zu erfassen. Das ist besonders wichtig in den dramatischen Rollen, die ich gesungen habe, denn hier geht es nicht nur um Technik, sondern um echtes Gefühl und Ausdruck.
Adelina Yefimenko: Was schätzen Sie an der Zusammenarbeit mit anderen Künstlern in der letzten Inszenierung „Frau ohne Schatten“? Was hat Ihnen an der Produktion besonders gefallen?
Catherine Foster: Das war in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes. Ich habe eine neue Produktion einer Lieblingsrolle gemacht und durfte mit einer unglaublichen Besetzung singen und arbeiten, einer Besetzung von Sängern, mit denen ich schon einmal zusammengearbeitet hatte, und die Gelegenheit, Künstler kennenzulernen und mit ihnen zu arbeiten, die ich noch nicht kannte. Da dies eine relativ neue Rolle für mich ist, mochte und schätzte ich besonders die Tiefe, die Tobias Kratzer in den ersten Wochen der Probenarbeit an den Tag legte - immer ein Lieblingsteil des Arbeitsprozesses für mich, egal wie oft ich eine Rolle gesungen habe. Er hatte eine Storyline für jede einzelne Figur und wie sie in die Geschichte als Ganzes passte, wie sie zueinander in Beziehung standen, und wenn ich mir zu irgendeinem Zeitpunkt nicht sicher war, wohin wir mit der Richtung gehen, brauchte ich nur zu fragen.
Adelina Yefimenko: Sie haben mal erwähnt, dass neben den Wagner-Partien Sie von der Partie der Färberin in „Die Frau ohne Schatten“ träumen. Dieser Traum wurde erfüllt. Wie waren Ihre ersten Kontakte zu anderen großen Komponisten?
Catherine Foster: Ich habe mich immer für Wagner und Strauss interessiert, und diese Komponisten sind für mich sehr wichtig. Aber natürlich gab es auch andere große Komponisten, die Einfluss auf meine musikalische Entwicklung hatten. Ursprünglich wurde ich an der Hochschule und im Opernstudio zu einer dramatischen Koloratur ausgebildet, mit Rollen von Donizetti und Bellini, aber auch dem frühen Verdi, Puccini, Mozart und Weber. Meine erste professionelle Rolle war Königin der Nacht an der Opera Northern Ireland, der walisischen Nationaloper und der ENO. Nach Deutschland kam ich mit Konstanze, Donna Anna, Elisabeth aus Tannhäuser (ich brauchte eine kurze Sopranarie!), Agathe und der großen Arie aus Ernani. Nachdem ich in der Spielzeit 2001/02 am DNT Weimar angefangen hatte, wechselte ich zu den dramatischen Rollen von Jugendlich mit Mimi, Fidelio, Elisabeth in Tannhäuser, Senta und Trovatore. Ich habe mich schnell durch das Repertoire bewegt und Tosca, Abigail, Don Carlos, Die Kaiserin, Brünnhilde, Turandot, Elektra bis 2010 und Isolde 2011 gesungen. Die Koloraturen sind mir nie abhandengekommen, und ich habe zum Beispiel vor Kurzem die Eglantine in Euryanthe gesungen.

Adelina Yefimenko: Die Partie der Färberin hatten Sie das erste Mal in Mannheim gesungen. Welche Rollen waren in den Opern von Strauss für Sie besonders prägend?
Catherine Foster: Zuerst habe ich die Partie der Kaiserin in Die Frau ohne Schatten 2006 in Dresden gesungen. Das war ein sehr besonderes Erlebnis für mich. Auch die Partie der Elektra – sie ist eine unglaublich schwierige, aber faszinierende Rolle. Es ist eine echte Herausforderung für die Stimme. Dann habe ich in Mannheim eine Wiederaufnahme von Die Frau ohne Schatten gemacht, die sehr erfolgreich war. Es war meine erste echte Begegnung mit dieser Partie, und es war ein Moment, den ich nie vergessen werde. Ich fühle mich heute viel näher zu diesem Werk und glaube, dass ich nun in der Lage bin, diese anspruchsvollen Partien noch besser zu entdecken.
Adelina Yefimenko: Wenn wir die Partie der Elektra mit der Partie der Färberin vergleichen, was macht diese beiden Partien so herausfordernd für Sie?
Catherine Foster: Färberin und Elektra sind extrem anspruchsvolle Rollen, sowohl emotional als auch technisch. Die Figur der Elektra ist zutiefst verstört und kann keine Lösung finden - selbst am Ende, nachdem die Rache angezettelt wurde, bleibt offen, ob sie in dem Gemetzel, das sie so sehr wollte und erreichte, wirklich eine Lösung gefunden hat. Die Färberin ist unglücklich und auf der Suche nach einer Lösung. Das drückt sich bei jedem ihrer Auftritte im ersten Akt als Wespennest und Gereiztheit aus – was es schwierig macht, Wärme im Gesang zu finden. Diese Rollen erfordern eine enorme Menge an emotionalen und körperlichen Reserven, und bei beiden Rollen muss man in der Lage sein, seine inneren Kämpfe auszudrücken, ohne dass die Stimme leidet, sondern mit VIEL Linie in der Luft zu singen. Das ist eine der größten Herausforderungen in beiden Rollen - nicht in die emotionale Falle der Figur zu tappen, sondern eine innere Haltung zu bewahren. Die Frauenfiguren in den Werken von Wagner und Strauss sind oft von einem tiefen inneren Konflikt geprägt. Infolgedessen steigt die Stimmlage oft sehr hoch und spiegelt den inneren Schmerz und die ungehörten Punkte der Verzweiflung wider. In vielen Fällen haben diese Frauen das Gefühl, dass ihnen niemand wirklich zuhört. Dies ist ein zentrales Thema, das sich in vielen Opern wiederfindet, und es liegt eine gewisse Tragik in der Tatsache, dass sie oft nicht die Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Die größte Herausforderung besteht darin, die Figuren so glaubhaft wie möglich darzustellen und gleichzeitig den stimmlichen Anforderungen gerecht zu werden. Es ist ein Gleichgewicht zwischen Technik und Gefühl, das oft schwer zu erreichen ist. Besonders bei Rollen wie Elektra, Kaiserin oder Färberin in Die Frau ohne Schatten muss man sowohl die stimmliche Herausforderung meistern als auch die Tiefe und Komplexität der Figuren auf der Bühne verkörpern.
Adelina Yefimenko: Was ist das Hauptproblem in der Rolle der Färberin?
Catherine Foster: Das Problem liegt in der Beziehung der zwei Menschen in der Ehe. Barak scheint immer nett zu sein, er verspricht immer wieder, sich oder die Situation zu ändern, aber letztlich tut er nichts. Die Färberin sehnt sich nach einer Beziehung, in der beide etwas für sich bekommen, aber er scheint sie nicht zu verstehen. Manchmal führt er sich respektlos ihr gegenüber auf, besonders wenn er aggressiv wird und sogar droht, sie umzubringen. Das ist für sie völlig inakzeptabel. Meine Färberin ist sehr sympathisch, aber sie merkt, dass sie in dieser Beziehung nicht weiterkommt. Sie verliert ihre Identität, weil sie ständig mit den anderen Menschen beschäftigt ist. Sie verliert sich immer mehr in diesem Umfeld. In der Beziehung geht es nicht nur um Liebe, sondern auch um Respekt und gegenseitige Unterstützung. Am Ende scheint es, als ob beide ihre eigenen Wege gehen müssen, um wieder zu sich selbst zu finden.
Adelina Yefimenko: Und sie kann in dieser Beziehung keine Kinder bekommen …
Catherine Foster: Ein zentraler Konflikt ist die Frage, ob sie ein Kind haben will oder nicht …
Adelina Yefimenko: In der Inszenierung von Tobias Kratzer hatte die Färberin eine Fehlgeburt, oder?
Catherine Foster: Das war für sie ein Wendepunkt. Sie sagt, sie möchte kein Kind mehr haben. Er möchte jedoch unbedingt ein Kind. Sie trennen sich schließlich, weil sie unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft haben. Das Kind kann nicht zur Voraussetzung der Beziehung werden, ohne dass die Beziehung wirklich funktioniert.
Adelina Yefimenko: Wie sehen Sie grundsätzlich die Entscheidung in Beziehungen, ob eine Familie Kinder haben sollte oder nicht?
Catherine Foster: Tobias Kratzer bringt eine wichtige Perspektive ein: Nicht jede Frau möchte ein Kind haben, und nicht jede Beziehung muss ein Kind erforderlich machen. Wenn eine Beziehung ohnehin nicht funktioniert, ist ein Kind nicht die Lösung. Es könnte sogar noch mehr Druck auf die Beziehung ausüben. In diesem Fall ist es für Barak wichtiger, ein Kind zu haben, als die Ehefrau. Tobias Kratzer zeigt, wie einseitig die Vorstellungen von Familie und Zukunft sein können.
Adelina Yefimenko: Das Symbol der „Schatten“ ist eindeutig die übliche Vorstellung von der Frau ohne Kind. Normalerweise wird der Begriff „Frau ohne Schatten“ mit einer Frau ohne Kind assoziiert. Aber in der romantischen Literatur hat der Begriff „Schatten“ viele verschiedene symbolische Bedeutungen. Der Schatten kann auch als eine Art dunkles Alter-Ego, als etwas Bedrohliches interpretiert werden. Besonders spannend ist, wenn man sich mit den verschiedenen Bedeutungen auseinandersetzt. Es gibt unterschiedliche Ansätze und Interpretationen, und die Frage bleibt offen, was genau als „Schatten“ definiert wird.
Catherine Foster: Es geht dem Regisseur nicht nur um die Geschichte an sich, sondern darum, die Menschen dazu zu bringen, etwas zu sehen, was früher nicht offensichtlich war. Es ist spannend, weil viele Zuschauer, die diese Inszenierung gesehen haben, zu mir kamen und haben gesagt, dass sie dachten, dass die Oper lang ist, aber sie haben die Aufführung nicht als lang empfunden. Die Zeit verging wie im Fluge, und sie fanden die Inszenierung klar und fesselnd. Denn diese Inszenierung bezieht die zeitgenössischen Fragen und Probleme ein. Die Oper von Richard Strauss hat also eine neue Dimension bekommen, die zu den aktuellen Themen und gesellschaftlichen Entwicklungen passt. Erinnern wir uns daran, wie wichtig es für die Frauen nach dem Krieg war, Kinder zu bekommen – vor allem, weil die Gesellschaft das als deren wichtigste Aufgabe ansah. Heute jedoch ist es nicht mehr so entscheidend. Es gibt eine viel breitere Vorstellung möglicher Frauenrollen. Die gesellschaftlichen Erwartungen sind weniger starr, und Frauen können selbst entscheiden, ob und wann sie Kinder haben wollen. Das bedeutet jedoch auch, dass die Frau ohne Schatten heute weniger mit dem Fehlen eines Kindes assoziiert wird und mehr mit der Freiheit, ihre eigene Identität zu definieren. Es gibt in der Oper eine interessante Szene, die den sozialen Druck thematisiert, insbesondere in der Beziehung zwischen zwei Frauen. Diese Frauen haben unterschiedliche Sichtweisen: die Kaiserin ist eine komplexe Figur. Einerseits ist sie die Frau, die das ideale Bild einer Mutter verkörpern könnte, andererseits gibt es eine Leere in ihr, weil sie selbst kein Kind bekommen hat. Das spiegelt die inneren Konflikte vieler Frauen wider, die sich mit gesellschaftlichen Erwartungen und persönlichen Wünschen auseinandersetzen müssen. Sie hat ihre Pflicht erfüllt, aber auf der anderen Seite bleibt ein Gefühl der Unvollständigkeit, weil sie keine Kinder hat. Diese Ambivalenz wird in der Inszenierung sehr deutlich und sorgt für tiefgründige psychologische Konflikte. In der Figur der Färberin wird nicht nur das Problem einer Frau thematisiert, die keine Kinder hat, sondern auch von einer Frau, die ihre Identität unabhängig von den äußeren Normen findet. Ich denke, das ist eine universelle Geschichte, die viele Frauen betrifft.

Adelina Yefimenko: Sie sprechen von einem anderen Weg, den die beiden „Frauen ohne Schatten“ in dieser Inszenierung gehen. Wie sind diese Wege?
Catherine Foster: Ja, ein Mensch ist nie wie eine Straßenbahn auf Schienen, alles hängt immer von uns ab. Es ist viel schwieriger, als man denkt, die Rollen der Kaiserin und der Färberin zu singen. Ich habe beides gemacht, und ehrlich gesagt, die Färberin ist die schwierigere der beiden Rollen. Man muss sehr vorsichtig sein, um nicht zu schnell zu singen oder zu viel zu riskieren. Es geht darum, die Kontrolle zu behalten.
Adelina Yefimenko: Und wie hat sich das auf Ihre Darstellung der Kaiserin ausgewirkt?
Catherine Foster: Die Färberin ist sich ihrer Macht und ihrer Rolle bewusst, aber in einem bestimmten Moment fängt sie an zu zweifeln und stellt alles infrage. An dieser Stelle beginnt sie, ihre wahren Gefühle zu zeigen. Es ist wichtig, die verschiedenen Farben der Rolle zu nutzen, um die Veränderungen in ihrer inneren Welt darzustellen.
Adelina Yefimenko: In der Inszenierung gab es eine sehr klare Entwicklung beider Frauenfiguren, die diese Veränderung veranschaulichten und in der Musik Bestätigung haben.
Catherine Foster: Tobias Kratzer stellt als Regisseur diese Entwicklung visuell sehr deutlich dar, aber die Grundlage für die Veränderung kommt von Strauss und Hofmannsthal, also bereits aus der Musik. Schon 2019 konnte man in der Partitur sehen, dass die Kaiserin sich öffnet und eine größere Freiheit erlangt. Der Weg, diese Freiheit darzustellen, war auch stark von der Regie und den Gesprächen mit Tobias geprägt. Ja, die Grundlage für die Entwicklung war, dass der Regisseur die Möglichkeit geschaffen hat, dass sich die Kaiserin öffnet, aber der Schlüssel dazu liegt in der Musik. In der Inszenierung gab es dann Momente, in denen er diese Freiheit unterstützt hat, wie zum Beispiel die Szene, in der die Kaiserin Barak trifft. Diese Szene war für mich besonders wichtig, weil sie von der Musik her eine Wendung nimmt.
Adelina Yefimenko: Und die Szene mit Barak? In der Szene der Scheidung war es besonders deutlich zu sehen, wie die Färberin und Barak sich nach der Scheidung mit offenen Armen begegnen. Es ist, als ob sie endlich die Freiheit erreichen, die sie sich immer gewünscht haben.
Catherine Foster: Für mich ist das ein sehr intensiver Moment der Befreiung – musikalisch und emotional. Diese Freiheit war von Anfang an in der Musik eingebaut, und Tobias hat sie in der Inszenierung wunderbar herausgearbeitet. Ja, das war der Moment, als ich mich wirklich mit der Rolle verbunden fühlte. Tobias hat klargemacht, dass es nicht notwendig ist, einer bestimmten Inszenierung oder Interpretation zu folgen, um diese Freiheit zu erlangen. Es war wichtig, dass die Färberin in dem Moment wirklich das tut, was sie will – sie verlässt Barak, weil sie es wirklich möchte. Am Ende bleibt die Frage offen, ob sie tatsächlich frei ist, aber zumindest hat sie für sich selbst entschieden.
Adelina Yefimenko: Wie würden Sie das Finale zusammenfassen?
Catherine Foster: Für mich geht es um die Menschlichkeit dieser Figuren. Am Ende sind es nicht die äußeren Umstände, die entscheiden, sondern die inneren Entscheidungen der Charaktere. Die Färberin und Barak entscheiden gemeinsam, wie sie nach der Scheidung miteinander umgehen, was zeigt, wie wichtig die Freiheit in dieser Beziehung ist. Sie bleiben hoffentlich gute Freunde.
Adelina Yefimenko: Ich habe einen faszinierenden Moment in Ihrem Schauspiel entdeckt. Sie haben ein großes filmisches Talent. In der Szene der künstlichen Befruchtung der Färberin auf der Leinwand. In dieser Szene singen sie nicht, aber ihre Augen sprachen mehr als Worte. Ohne ein einziges Wort herauszubringen, schafften Sie es, so viel auszudrücken – das war beeindruckend. Es war überraschend, wie viel Wirkung ein Blick haben kann. Sie könnten ein Hollywood-Star werden (sie lacht). Dieser Moment war eine perfekte Kombination aus Ihrer Präsenz als Sängerin und der emotionalen Tiefe, die Sie ohne Worte vermitteln konnten. Was empfanden Sie so besonders in dieser Szene, um diese subtile Ausdruckskraft hervorzubringen? Können Sie mehr über den Prozess hinter der Filmaufnahme erzählen?
Catherine Foster: Übrigens war es ein sehr strukturierter Prozess. Der Regisseur wusste genau, was er wollte. Er hatte alles vorbereitet, und ich wusste, was er von mir erwartet. Es war fast wie eine kleine und präzise Verfilmung. Die Kameras und das Team hatten alles genau im Griff. Als ich dann die Szene betrat, wusste ich, wie ich mich bewegen sollte – wie ich hereinkommen und wieder hinausgehen sollte. Ich sollte während der Dreharbeiten einen Moment der Unsicherheit ausdrücken. Besonders zu Beginn sollte die Färberin das Gefühl haben, dass sie sich in einer völlig neuen Welt befand. Sie fühlte sich unsicher und wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte und überhaupt, ob sie am richtigen Ort ist und ob sie die richtigen Dinge tut. Es war ein wichtiger Bestandteil ihres Charakters. Es war spannend, diese Ängste und Zweifel der Färberin zu vermitteln, während ich diese Rolle spielte.
Adelina Yefimenko: Diese Unsicherheit kommt vielleicht, weil die Färberin aus einer anderen sozialen Schicht kommt. Wie beeinflusst das Ihre Sicht auf die Situationen?
Catherine Foster: Die Färberin ist eine sehr starke Frau, aber natürlich ist man ein Mensch, und wenn man aus seinem eigenen Umfeld oder Lebensstil herausgeholt wird, braucht man eine gewisse Anpassung und Zeit – Entscheidungen werden nicht immer so getroffen, wie man es tun würde, wenn man die ganze Situation kennen würde, oder sogar rational, wie wir im zweiten Akt sehen. Eine soziale Schicht oder ob man Geld hat oder nicht, führt zu Entscheidungen, die notwendig sind. Man hat nicht immer den Luxus, einfach machen zu können, was man will, und die Färberin hat so lange gearbeitet und nichts für sich gehabt. Plötzlich tauchen diese Damen auf und bieten ihr „Dinge“ an, die sie bisher nur in Zeitschriften oder im Fernsehen gesehen hat, und nun sind sie unter ihren Fingern und in ihrer Reichweite - unter einer Bedingung … sie denkt vielleicht nicht darüber nach, aber sie reagiert auf Barak, als er sie vor allen Kindern und Brüdern blamiert, indem er sich über ihr Haarteil lustig macht, von dem sie noch nicht einmal wusste, ob sie es nimmt oder nicht. Er hat natürlich seine eigenen Gründe, aber aus welchem Grund auch immer konfrontiert er sie öffentlich und lässt ihr keinen Raum, um mit ihm unter vier Augen darüber zu sprechen, sodass sie reflexartig mit Wut und Verlegenheit reagiert.
Adelina Yefimenko: Was die Erziehung der Kinder betrifft, greift Tobias Kratzer in seiner Inszenierung den moralischen Aspekt der Leihmutterschaft auf.
Catherine Foster: Ja, das Thema Leihmutterschaft hat eine starke moralische Dimension. Es geht nicht nur um den physischen Aspekt des Gebärens, sondern auch darum, was es mit einem Menschen macht, seine Entscheidung oder seine Seele zu verkaufen. In dem Zusammenhang spricht man oft von der Verantwortung, die mit solchen Entscheidungen kommt. In solchen Momenten denkt man nicht nur an sich selbst, sondern auch an die Folgen für andere. In einer Geschichte zum Beispiel sieht man eine Frau, die das Kind verliert und sich fragt, was sie getan hat, um das zu verdienen. Sie hat das Gefühl, einen Teil ihrer Seele verloren zu haben. Die Färberin ficht eine tiefe moralische Auseinandersetzung mit sich selbst und dem eigenen Handeln aus. Sie durchlebt einen tiefen inneren Konflikt. Es gibt Momente, in denen sie Hilfe sucht und Trost braucht. Aber es gibt auch eine Entwicklung, in der sie erkennt, dass sie in ihrem Leben mehr will. Sie hat einen Weg vor sich, den sie selbst wählen muss – es geht um ihre Freiheit, Entscheidungen zu treffen und sich selbst zu finden.
Adelina Yefimenko: Was bedeutet es in Ihrem Leben, Entscheidungen zu treffen, besonders wenn man zwischen zwei schwierigen Optionen wählen muss?
Catherine Foster: Entscheidungen zu treffen, ist oft sehr schwer, besonders wenn es keine klare Wahlmöglichkeit zwischen „gut“ und „schlecht“ gibt. Manchmal kommt die Entscheidung von außen, und man hat keine andere Wahl. Aber es geht auch um das Gefühl der Freiheit, Verantwortung zu übernehmen und zu wissen, dass man diese Entscheidungen selbst trifft. Es ist ein langer Prozess, der persönliches Wachstum erfordert.
Adelina Yefimenko: Wann wussten Sie, dass Sie Sängerin werden wollten?
Catherine Foster: Solange ich denken kann, wusste ich, dass ich Krankenschwester und Sängerin werden wollte.
Adelina Yefimenko: Gab es bestimmte Wendepunkte, die Ihre Karriere geprägt haben?
Catherine Foster: Lustigerweise entdeckte ich meine Gesangslehrerin durch eine Frau, die ich als Hebamme betreute. Das war auf jeden Fall ein großer Wendepunkt in meinem Leben.
Adelina Yefimenko: Wie wichtig ist es für Sie, als Sängerin eine klare Vision über ein Regie-Konzept zu haben?
Catherine Foster: Sehr wichtig! Es geht nicht nur um das technische Können, sondern auch um die Frage, warum und wie man etwas macht. Wenn ich als Sängerin auf die Bühne gehe, muss ich verstehen, was der Regisseur von mir will und warum. Nur dann kann ich meine Rolle wirklich authentisch ausfüllen. Es ist immer eine Zusammenarbeit, in der jeder seine Ideen einbringt. Wenn ich nicht verstehe, warum ein Regisseur eine bestimmte Richtung vorschlägt, dann ist es schwer, die Rolle richtig zu spielen. Ich muss verstehen, was er mir vermitteln möchte, damit es für das Publikum auch nachvollziehbar wird. Als Sängerin arbeite ich oft mit Regisseuren zusammen. Wenn ich mit der Grundidee klarkomme, dann kann ich viel freier agieren. Grundsätzlich muss man verstehen, was man darstellt und warum. Wenn das Konzept klar ist, kann man die Rolle mit Überzeugung spielen.
Adelina Yefimenko: Welche weiteren Pläne haben Sie?
Catherine Foster: Ich habe einen arbeitsreichen Sommer vor mir und werde vier Monate lang auf Reisen sein, beginnend mit Tristan und Isolde in Cottbus - eine Produktion, die auf DVD herausgebracht und 2023 veröffentlicht wurde, dann gehe ich an die Hamburgische Staatsoper für Tristan und Isolde und nach Athen ins Herodium für Turandot, um dann für ein paar weitere Vorstellungen nach Hamburg zurückzukehren. Danach gehe ich direkt nach Bayreuth, wo ich die Brünnhilde im Zyklus Valentine Schwarzes Ring unter der Leitung von Simone Young spielen werde. Im Herbst habe ich ein Konzert in Helsinki mit Pietari Inkenen und dem Helsinki Philharmonic Orchestra und fahre dann nach Seoul für Tristan und Isolde.
Adelina Yefimenko: Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?
Catherine Foster: Ich freue mich darauf, wie immer zu arbeiten und zu reisen, neue Leute zu treffen, neue Orte zu sehen und Musik zu machen.
Adelina Yefimenko: Vielen Dank für das interessante Gespräch und für Ihre Zeit, in der Sie so viel über Ihre Arbeit und Ihre Pläne erzählt haben.