Berlin, Komische Oper Berlin, Kurt Weill Woche, IOCO Kritik, 18-24.01.2013

Berlin, Komische Oper Berlin, Kurt Weill Woche, IOCO Kritik, 18-24.01.2013
Komische Oper Berlin © IOCO
Komische Oper Berlin © IOCO

Komische Oper Berlin

Kurt-Weill-Woche an der Komischen Oper in Berlin 18. - 24.01.2013

Innerhalb der zahlreichen Aktivitäten zum diesjährigen Berliner Themenjahr unter dem Titel „Zerstörte Vielfalt“ zeigt die Komische Oper eine Woche lang eine Auswahl aus dem vielfältigen Schaffen des Komponisten Kurt Weill.

"Der Kuhhandel" (18.01.)

Als Auftakt fand am 18. Januar in konzertanter Aufführung die Premiere der selten gespielten Operette in zwei Akten „Der Kuhhandel“ statt.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933, flüchtete der aus einer jüdischen Familie stammenden Kurt Weill zuerst nach Paris, wo 1934 die auf dem Libretto von Robert Vambery basierende Operette entstand, jedoch unvollendet blieb. 1935 kam sie dann doch noch in veränderter Form und in einer englischen Fassung als „A Kingdom For A Cow“ in London auf die Bühne, wenn auch eher mit mäßigem Erfolg. Die von Kurt Weill nie weiter bearbeitete ursprüngliche Version von „Der Kuhhandel“ wurde erst vor wenigen Jahren neu redigiert und erlebte eine gefeierte Renaissance.

Im Stil der Offenbachschen Operette, wo sich schwungvolle heitere Musik mit einer meist satirisch-hintergründigen Handlung verbindet, geht es hier um Liebe und Politik in einer Bananenrepublik und ist ein pazifistischer Appell gegen Aufrüstung und Korruption.

Der Schauspieler Max Hopp, alias Waffenhändler Felipe Chao, führt brillant durch den Abend. Die Moderation verbindet klug die einzelnen musikalischen Stücke und dient als Ergänzung zum besseren Verständnis, bzw. Verfolgen der Handlung.

Sehr effektiv auch die einfallsreiche szenische Einrichtung von Barrie Kosky, die mit einfachem Einsatz von Requisiten den Durchblick durch das Geschehen und die jeweiligen Figuren erleichtert.

Das Sänger-Ensemble überzeugt vokal wie darstellerisch. Das Liebespaar wird verkörpert von der Sopranistin Ina Kringelborn in der Rolle der Juanita Sanchez und Vincent Wolfsteiner als Juan Santos, der ausdrucksstark und mit durchschlagender Tenorstimme singt. Sehr gut besetzt auch Christoph Späth als Präsident Mendez, Tansel Akzeybek mit schönem lyrischen Tenor und klarer Diktion in der Doppelrolle Ximenex/ Gerichtsvollzieher, sowie Christiane Oertel als Juans Mutter/ Madame Odette und der komödiantisch begabte Stefan Sevenich als Emilio Sanchez/ Minister von Ucqua. Der als Gast auftretende Bariton Daniel Schmutzhard, durch eine Erkältung etwas indisponiert, meisterte trotz gelegentlicher Heiserkeit bravourös die Rolle des Generals Garcias Conchaz.

Hervorragend das Orchester unter der Leitung des Kurt-Weill-Spezialisten Antony Hermus, Generalmusikdirektor am Anhaltischen Theater Dessau und der klangvolle Chor (André Kellinghaus).

Viel Beifall für alle. Kompliment für diese schöne musikalische Leistung und den sehr vergnüglichen Abend. Ein gelungener Start in die Kurt-Weill-Woche.

"Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" und Nachtkonzert „Weill!“

Weniger beeindruckend wurde der 2. Abend mit der Wiederaufnahme von „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ (Weill/ Brecht) in der Inszenierung von Andreas Homoki und unter der musikalischen Leitung von Stefan Blunier fortgesetzt.

Optisch wie musikalisch wenig inspirierend, leidet die Aufführung (Premiere 2006) am offensichtlichen Mangel an Probezeit. Spielfreudig der Chor und das Sänger-Ensemble, vokal aber bis auf wenige Ausnahmen leider eher enttäuschend.

Umso schöner gestaltete sich der weitere Verlauf des Abends mit dem Nachtkonzert „Weill!“, welches im Anschluss, nach einer kurzen Pause und in kleiner Runde, auf der Bühne der Oper stattfand.

Unter dem Dirigat des Leiters des Opernstudios der Komischen Oper, Byron Knutson, spielten Mitglieder des Orchesters der Komischen Oper Berlin und das Saxophon-Quartettmodernsax berlin“, Ausschnitte aus der „Dreigroschenoper“ und das „Mahagonny-Songspiel“. Vortrefflich auch die Darbietung aller beteiligten Sänger, hauptsächlich Mitglieder des Opernstudios. Besonders erwähnenswert die zwei jungen Sängerinnen; die texanische Sopranistin Ariana Strahl und die aus Kuba stammende Mezzosopranistin Katarina Morfa, sowie der Tenor Stephan Bowing.

„Last Tango in Berlin“ - Konzert mit Ute Lemper

Am 3. Abend, zum ersten Mal zu Gast an der Komischen Oper, die weltweit bekannte und gefragte Chanson- und Liedinterpretin Ute Lemper. Die seit vielen Jahren in den U.S.A. lebende Künstlerin präsentiert sich dem Berliner Publikum mit ihrem Programm „Last Tango in Berlin“. Eine musikalische Reise nicht nur mit einer Auswahl an Werken von Kurt Weill, aber auch mit Chansons von Edith Piaf und Jacques Brel, Tangos von Astor Piazzolla und eigenen Liedern.

Begleitet von zwei hervorragenden Musikern und Komponisten, dem New Yorker Jazz-Pianisten Vana Gierig und dem einfühlsamen Bandoneon-Solisten Marcelo Jaime Nisinman, interpretiert sie, mit bewundernswerter Professionalität, die unterschiedlichen Lieder. Bewusst ihrer Wirkung, setzt sie sich mit jeder Geste, jeder Bewegung perfekt in Szene, moduliert gekonnt (manchmal etwas zu manieriert) ihre Stimme. Leider ist man sich nicht immer über die Authentizität der dargestellten Gefühle sicher und vermisst des Öfteren wahre Wärme, wodurch man insgesamt eher unberührt bleibt.

Trotzdem eine bemerkenswerte Leistung, für die es viel Beifall und Ovationen von den zahlreich anwesenden Fans gibt.

„Sieben Songs/ Die Todsünden“ (23.01.)

Sicherlich eines der Highlights die „Sieben Songs/ Die Todsünden“ in der sehr bemerkenswerten Interpretation der Schauspielerin und Sängerin Dagmar Manzel, dem Publikum bereits bestens bekannt aus „Kiss me Kate“, ebenfalls inszeniert von Barrie Kosky. Auch in dieser Produktion, die ihre Premiere vor fast einem Jahr hatte, erweist sich die Konstellation Manzel – Kosky als sehr erfolgreich.

Ein einsam wanderndes Scheinwerferlicht erscheint – die Aufführung beginnt. Als Einführung oder Einstimmung zu „Die sieben Todsünden“, und wie Barrie Kosky selbst sagt, um den Abend für das Publikum noch lohnenswerter zu machen, eröffnet Dagmar Manzel den Abend mit sieben Liedern von Kurt Weill, den „Sieben Songs“, begleitet am Klavier von Frank Schulte. Meisterlich interpretiert sie die einzelnen unterschiedlichen Lieder und Stimmungen, und meisterlich geht es dann auch weiter, wenn sich anschließend der Vorhang öffnet, das begleitende Orchester unter der musikalischen Leitung von Ralf Sochaczewsky erscheint und „Die sieben Todsünden“ beginnen.

Das Werk, als Ballett mit Gesang bezeichnet, ist eigentlich für zwei Darstellerinnen konzipiert – welche, die eine mit dem Gesang und die andere mit dem Tanz die Schwestern Anna I und Anna II verkörpern sollen. Hier aber, in einer bearbeiteten Fassung für eine tiefe Frauenstimme, ist Dagmar Manzel allein auf der Bühne. Es sind alles Erinnerungen ein und derselben Frau mit unterschiedlichen Facetten, an die sieben Stationen, die sie durchlaufen musste, an die verschiedenen Städte und die gemachten Erfahrungen. Annas Familie ist hier lediglich durch die aus dem Dunkel kommenden Stimmen von dem Vater (Máté Gál), der Mutter (Dong Won Seo) und den beiden Brüdern (Bernhard Hansky und Stephan Boving) präsent.

Mal leise, mal laut, mal grob, mal poetisch, mal lustig, mal traurig, mal statisch, mal tanzend führt sie uns mit Leib und Seele in ihrem hellblauen Kleid durch die unterschiedlichen Etappen und verzaubert uns mit ihrer sehr persönlichen und eigenständigen Interpretation der Musik und der Texte von Weill und Brecht. Grandiose Leistung!

Konzert zur Kurt-Weill-Woche

Als Abschluss - das Konzert zur Kurt-Weill-Woche. Voller Energie und Präzision das Dirigat von Kristina Poska, auch neue Kapellmeisterin, unter dem das Orchester der Komischen Oper Berlin einen hervorragenden Kurt Weill Klang erreicht. Vorzüglich auch die Sänger im „Das Berliner Requiem“; Hans-Jürgen Schöpflin (Tenor), Carsten Sabrowski (Bariton) und Bogdan Talos (Bass). Begeisternd auch der Violinist Gabriel Adorján wie er die technischen Herausforderungen im „Konzert für Violine und Blasorchester op.12“ in immer steigender Virtuosität meistert.

Als besonderer Gast des Abends wird nach der Pause mit Standing Ovations die Schauspielerin, Diseuse und große Brecht-Interpretin Gisela May auf der Bühne empfangen. Charmant erzählt sie im Gespräch mit Ulrich Lenz, dem Chefdramaturgen der Komischen Oper, aus ihren Erinnerungen an Kurt Weill und Bertolt Brecht, sowie andere Anekdoten aus ihrem reichen Theaterleben, und stimmt sogar anschließend, zu großer Freude des Publikums, ein paar Lieder kurz an, begleitet am Klavier von Adam Benzwi.

Mit der klangvollen Musik der „Kleinen Dreigroschenoper für Blasorchester“ (1928) und dem krönenden „Dreigroschen-Finale“ endet diese gelungene Kurt-Weil-Woche, die mit vielfältigen, musikalischen und künstlerischen Darbietungen eine großartige Gelegenheit war, die unterschätzte Musik von Kurt Weill besser kennen zu lernen.

IOCO / Gilberto Giardini / 24.01.2013

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