Berlin, Berliner Dom, Messa da Requiem - Giuseppe Verdi
von Michael Stange
Giuseppe Verdis Messa da Requiem ist seine einzige vollständige liturgische Komposition. Komponiert war das Werk für die heilige Messe im Gedenken an den verstorbenen hochangesehenen Alessandro Manzoni, (1785-1873), eine Identifikationsfigur des Risorgimento, der italienischen Nationalbewegung, zu der auch Verdi gehörte. Nachdem Verdi 1871 mit der Oper Aida einen bahnbrechenden Erfolg errungen hatte, komponierte er die Messa da Requiem, bevor mit seinem Schaffen für nahezu zehn Jahre pausierte.
Verdi war die Kirchenmusik durch seine Ausbildung geläufig. Sein Requiem verfügt über eine wirkungsvolle sakrale Aura, die innige Momente und überbordende Dramatik paart. In einigen Teilen knüpft er aber an die Instrumentierung und Stimmung seiner Opern an und manches erinnert an Momente des 4. Aktes des Rigoletto.
Ein zentraler Aspekt für Verdi ist das Jüngste Gericht. Dieser bei Verdi häufig erklingende „Tag des Zorns und des Gerichthaltens“ spielt eine große Rolle. Für Verdi geht es in seinem Requiem um die letzten Dinge in Bezug auf das menschliche Individuum aber auch darum wie das Individuum in der Apokalypse in der ganzen Menschheit im Heil oder Untergang aufgeht.
Marcus Merkel bewies auch in diesem Konzert mit der Junge Philharmonie Berlin im November 2023 im archiektonisch so auffälligen Berliner Dom erneut, sein musikalisches Gespür für die zahlreichen Schichten der Partitur. Seine Fähigkeit, durch einen architektonisch strukturierten Aufbau einen spannungsgeladenen, stets fesselnden Klangteppich auszurollen, war ein wesentlicher Faktor dieser in jedem Detail mitreißenden Darbietung. Mit Solisten, Chor und Orchester entwickelte er ein fein gesponnenes und glänzend auf das Finale zusteuerndes Klangbild. Er fand eine geschickte Balance zwischen Innigem und Dramatischem. Mit immenser klanglicher Einfühlsamkeit und rhythmischer Präzision lotete er mit dem Ensemble Verästelungen und Klangentwicklungen aus. Durch Steigerungen des Ausdruckes und Veränderungen der Tempi im Verlauf der Sätze wurde Verdis packende klanglichen Wendungen farbenreich dargestellt. Die Kulmination war das bebende Finale. Wirkungsvolle auch die Positionierung der Ferntrompeten auf der Empore, die Im „Tuba mirum“ mit ihren Posaunenstößen das Jüngste Gericht eröffneten.
Eine weitere große Leistung war der Zusammenhalt von Orchester, Chor und Solisten, der im akustisch schwierigen Berliner Dom mit seinem langen Nachhall keine Leichtigkeit ist.
Die Junge Philharmonie Berlin besteht aus jungen, erfahrenen und hochtalentierten Musikern. Das Orchester spielte ein fein abgestuftes Requiem mit prächtigen Farben und großer Klangschönheit. Ihm gelangen innige, berührende aber auch lebendig auftrumpfende Momente. Ihre Virtuosität und Spielfreude waren ein wesentlicher Motor dieser überragenden Aufführung.
Die Herausforderungen des Werkes – insbesondere für den Chor – liegen in der Dynamik, den Tempowechseln aber auch dem und dem Klangrausch des opulent besetzten Orchesters. Hier bewährte sich der Ernst Senff Chor unter Steffen Schubert und zeigte, dass er diesem anspruchsvollen Stück vollends gewachsen war.
Die fordernden Solopartien verlangen von den Sängerinnen und Sängern große stimmliche Meisterschaft und eine immense Ausdruckspalette. Das Solistenquartett meisterte seine Partien bravourös.
Barbara Krieger setzte mit ihrem individuellen, samtweich timbrierten und strahlenden Sopran bewegende Akzente. Mit immenser Dynamik entwickelte sie dramatische Ausbrüche und überzeugte in den lyrischen Passagen zugleich mit bestrickend warmen, innigen Tönen. Ihre leuchtende, völlig frei klingende Höhe strömte mit Glut und Schwung in den Saal. Tragfähig, gelöst und glockenhell erklang die Stimme mit betörender Schönheit in künstlerischer Vollendung unter die Domkuppel. Was sie auszeichnet, ist das Singen mit der Seele und ihre immense Wortdeutlichkeit und Gestaltung.