Bayreuth, Bayreuther Festspiele 2024, DER FLIEGENDE HOLLÄNDER – Richard Wagner, IOCO
Trotz der entsprechenden Musik gibt es keine Erlösung, eher die Verweigerung der Erlösung. Der Holländer steht hier für die gesamte Gesellschaft, die verflucht ist. Alle haben mit dem Teufel gehandelt und sind von ihm besessen.
von Karin Hasenstein
Psychodrama vor bürgerlicher Kulisse - „Der sonderbare, immer wiederkehrende Traum des H.“
So lautet die Überschrift, die zu Beginn des Fliegenden Holländers auf den Vorhang des Festspielhauses projiziert wird. Der russische Regisseur Dmitri Tcherniakov deutet den Fliegenden Holländer neu, indem er eine Vorgeschichte erfindet. Zu den Klängen der von Oksana Lyniv zügig und zupackend dirigierten Ouvertüre sehen wir einen Platz in einer öden, grauen Kleinstadt. Eine junge Frau schickt ihren kleinen Sohn weg, um sich mit einem Mann zu treffen. Dieser vergewaltigt die Frau, schließlich muss ihr Kind mit ansehen, wie sie sich erhängt. Als Erwachsener wird dieser Junge in sein Dorf zurückkehren und Rache an seinen Einwohnern nehmen. Soweit die erfundene Vorgeschichte, nach der Tcherniakov konsequent seine Handlung entwickelt. Die Dorfbewohner bringen Tische und Stühle heraus, veranstalten eine launige Polonäse. Die Frau gehört nicht dazu, die Bewohner meiden sie, stellen eine geschlossene bedrohliche Menge dar. Die Tische und Stühle werden wieder abgeräumt. Die Frau will in die Kirche gehen, diese bleibt ihr jedoch verschlossen. Schließlich erhängt sie sich in ihrer Verzweiflung. Der zum erwachsenen Mann herangewachsene Junge kehrt nach vielen Jahren in seine Heimat zurück. Szenenwechsel. Aus dem Marktplatz wird durch immer wieder neu zusammenfahrende Elemente eine Seemannskneipe (Bühne: D. Tcherniakov). Seeleute genießen ihren Feierabend, trinken Bier, es herrscht ausgelassene Stimmung. Daland ist bei seinen Männern. Er trägt einen schlichten khakifarbenen Mantel, quasi in Tarnfarbe zur Klinkerfarbe der Häuser.
Im Hintergrund an einem Tisch sitzt ein Fremder in einem blaugrauen Mantel und hellem Rollkragenpullover (Kostüme: Elena Zaytseva) Die Kostüme sind gleichzeitig zeitgenössisch und doch auch zeitlos. Jede Figur trägt ein individuelles Kostüm und doch sind sie monochrom. Alle sind gleich, aber jeder ist besonders. Dieses Paradoxon lässt sich nicht auflösen. Die Dorfbewohner tragen eine „Nichtfarbe“, eine Mischung aus braun, grau, grün, die Seeleute blau, die Farbe des Meeres. Senta sticht aus dieser Masse heraus mit ihrem gelben Mantel und ihrem grünen Pullover. Die Dorfbewohner gehen fort oder schlafen an ihren Tischen ein. Der Fremde kommt zu Daland und berichtet ihm von dem Fluch, der auf ihm lastet. „Und abermals verstrichen sind sieben Jahr“. Er ist verdammt, über die Meere zu fahren und kann nur erlöst werden, wenn er eine Frau findet, die ihm treu bis zum Tod ist. Daland wittert den Reichtum des Holländers und erzählt ihm, dass er eine Tochter hat. Der Holländer bittet um Sentas Hand und bietet Daland dafür seine Reichtümer. Das Drama nimmt seinen Lauf. Für den zweiten Aufzug formieren sich die Häuserelemente wieder neu. Frauen kommen herbei und stellen eifrig Stühle im Halbkreis auf. Notenmappen werden verteilt, gleich wird eine Chorprobe stattfinden. Frau Mary leitet also keine Spinnerinnen an, sondern Chorsängerinnen. Alle sind mit Feuereifer dabei, nur Senta ist deutlich genervt. Sie will nicht mitmachen, läuft immer wieder weg, macht sich über die anderen lustig. Die Ermahnungen durch Mary lassen sie unbeeindruckt. Mit bunten Haarsträhnen und Kapuzenpulli hebt sie sich auch optisch von den anderen Frauen ab. Sie betrachtet ein Bild des Holländers, woraufhin die Frauen feststellen „Sie ist verliebt!“. Aber eigentlich ist Senta ja mit Erik verlobt. Sie fordert die anderen auf „Macht dem dummen Lied ein Ende“ und erzählt mit ihrer Ballade den anderen die Geschichte vom bleichen Mann. Die Frauen lassen das Bild durch die Reihen gehen. Erik hat die Szene mitbekommen. Er fürchtet, dass Senta ihn nicht mehr liebt („Senta! Willst du mich verderben?“). Der Chor geht ab, Senta und Erik bleiben zurück. Die Häuser werden wiederum neu arrangiert. Erik kämpft leidenschaftlich um seine Liebe: „Wenn dieses Herz im Jammer bricht wird’s Senta sein, die für mich spricht?“. Diese jedoch redet sich heraus: „Ich bin ein Kind und weiß nicht, was ich singe.“ Erik steigert sich immer mehr in Rage. Er versucht sie umzustimmen, indem er ihr von einem Traum erzählt: „Auf hohem Felsen lag ich träumend“, erreicht aber das Gegenteil. Senta ist wild entschlossen, mit dem Fremden zu gehen. Die Häuser wechseln erneut die Position, wir finden uns auf der Straße vor dem Hause Dalands wieder. In einem gläsernen Wintergarten deckt Mary den Esstisch. Ein großer Tisch, vier Stühle, eine Tischdecke, das gute Porzellan und Tafelsilber, bürgerliche Idylle. Der Holländer überrascht sie dabei. Auch Daland kommt hinzu. Mary trägt die Suppe auf, Daland öffnet eine Flasche Wein zu Ehren des Gastes. Er verschachert regelrecht seine Tochter. Dementsprechend ist Sentas Laune. Der Holländer beobachtet genau, er ist offenbar von Senta sehr angetan: „Wie aus der Ferne längst vergang’ner Zeiten spricht dieses Mädchens Bild zu mir.“ Das folgende Duett verbindet kunstvoll beide handelnden Personen. Sie singen zusammen und doch ist jeder für sich in seiner eigenen inneren Welt. Die Musik wird ruhiger und langsamer, es entwickelt sich etwas zwischen den Beiden. Sie singen zusammen, die Dynamik steigert sich, auf eine kurze a cappella Stelle folgt am Ende wieder das Orchester. Das Senta-Motiv erklingt, es gibt erneut einen Wechsel in der Musik.
Der Holländer will sichergehen: „Wirst du des Vaters Wahl nicht schelten?“ aber Senta versichert ihm und sich: „Ach, wenn Erlösung ihm zu hoffen bliebe, Allewiger, durch mich nur sei’s!“ Im dritten Aufzug fahren die Häuser erneut zusammen und bilden einen großen Platz mit einer Häuserfront an der rechten Seite. Die Dorfbewohner stellen Tische und Stühle zusammen.
Die Norweger sind wieder alle monochrom in Khaki, die Leute des Holländers in Blau gekleidet. Die Männer des Holländers, die toten Seeleute, sitzen bewegungslos an den Tischen. Auch auf die Rufe der Mädchen „He, Seeleut, Seeleut, wacht doch auf!“ reagieren sie nicht. Die Menge kommt immer näher. Mit der Reprise entsteht wieder eine Polonäse wie im ersten Aufzug. Die Seeleute reagieren immer noch nicht. Nach und nach bilden sich zwei Fronten. Jemand fängt Streit an. Der Holländer zückt eine Pistole und zielt wahllos in die Menge. Panisch fliehen die Dorfbewohner in die Gassen. Senta bleibt alleine auf dem Platz zurück. Erik kommt hinzu und begreift, dass sie dem Holländer verfallen ist. Er ist verzweifelt, seine Qual ist spürbar. Der Holländer kommt von der rechten Seite und wirft einen Stuhl um. Er sieht Senta mit Erik und ist sich sicher, dass sein Plan nicht aufgehen wird. „Verloren, ach, verloren. (…) Um deine Treue ist’s getan, um deine Treue - um mein Heil!“ Mit einer Pfeife ruft er seine Leute zusammen. Die Seeleute kommen in Zeitlupe näher. Zum Terzett von Senta, Erik und dem Holländer kommen schließlich Mary und Daland hinzu. Der Holländer stößt Senta zu Boden und mit den Worten „Erfahre das Geschick, vor dem ich dich bewahr‘“ offenbart er ihr sein Schicksal. Es gibt jedoch noch Rettung: „Wohl hast du Treue mir gelobt, doch vor dem Ewigen noch nicht; dies rettet dich!“. Hinter den Fenstern des Städtchens breitet sich ein roter Feuerschein aus.Der Holländer offenbart seine Identität – „Den Fliegenden Holländer nennt man mich!“
Senta gelobt ihm Treue – „Preis deinen Engel und sein Gebot! Hier steh‘ ich, treu dir bis zum Tod!“. Mary erschießt den Holländer und so ist es nicht Sentas Tod, der ihn erlöst, sondern sein eigener. Die Stadt brennt lichterloh. Der Fliegende Holländer ist das erste Werk Richard Wagners, das er selbst für festspieltauglich erachtet hat und die vierte Oper, die er geschrieben hat. Dem Werk liegen eigene Erlebnisse Wagners zu Grunde, wie seine Flucht aus Riga im Sommer 1839. Wagner hatte Schulden gemacht und musste vor seinen Gläubigern fliehen. Seine Flucht führte ihn mit einem Schiff über die Ostsee, zunächst nach London und später nach Paris. Ein schwerer Sturm trieb das Schiff nach Norwegen, in die Bucht von Sandwike. Die Inspiration zu den Seemannschören erhielt Wagner durch die Rufe der Seeleute, die an den Klippen widerhallten. Das Motiv der Erlösung von einem Fluch fand er in der Literatur, in dem Roman „Die Memoiren des Herren von Schnabelewopski“ von Heinrich Heine. Das Genre ist die Romantische Schaueroper, die zu der damaligen Zeit sehr modern war. Das Vorbild mag „Der Vampyr“ von John Polidori gewesen sein. Konzeptionell ist der Holländer am ehesten mit Tristan und Isolde zu vergleichen, da es in beiden eher um die innere Handlung geht. Das Äußere zeigt das innere Erleben der Figuren. Somit ist der Holländer keine Parabel wie etwa der Ring des Nibelungen oder der Tannhäuser. Entscheidend ist hier die Psychodramatik der Figuren. Tcherniakovs Konzept beruht darauf, dass er das Stück als Kammerspiel wie bei Ibsen oder Strindberg anlegt. Das norwegische Dorf, in das ein Sturm das Schiff des Holländers verschlägt, ist öde und leer, grau, unbehaglich und wenig einladend.
Eine schlichte Kirche, ein paar einfache Wohnhäuser vom Reißbrett, gesichtslose Architektur (Bühne: Dmitri Tcherniakov). Entscheidend bei Tcherniakov ist die Vorgeschichte. Daland hat eine Affäre mit einer Frau, die Mutter des kleinen Holländers. Aufgrund dieser Affäre wird die Frau aus der Gemeinschaft ausgegrenzt. Selbst vom Pfarrer an der Kirchentür wird sie abgewiesen. Das treibt sie schließlich in den Suizid. Ihr kleiner Sohn muss mit ansehen, wie sie sich erhängt und erleidet dadurch ein Trauma. Es geht zur See, das Meer ist hierbei eine Metapher für den Seelenzustand des Holländers, für den Zustand des Sehnens schlechthin.Die Häuser sind extrem beweglich, formen sich zu immer neuen Orten, sind aber auch instabil. Alles ist in Bewegung. Kleine Fenster lassen nicht viel Licht hinein und halten neugierige Blicke draußen. Diese Kleinstadt lässt einen an Derry/ Maine von Stephen King denken oder an Schauplätze der Romane von Lars von Trier. In dem Dorf gibt es eine Kneipe mit Außengastronomie. Hier spielen sich große Teile des Dorflebens ab. Der Steuermann besingt den Südwind, genießt sein Bier oder seinen Rum und schläft darüber ein. Der Fremde setzt sich dazu, die Szene ist bedrückend. In der Kneipe hängt eine Uhr. Sie ist das Symbol für die begrenzte Zeit eines Sozialexperiments, dem wir beiwohnen. Wenn man die Zeiger der Uhr genau beobachtet, wird man feststellen, dass am Ende etwa 24 Stunden vergangen sein werden, was in etwa der realen Zeit der erzählten Handlung entspricht. Der Holländer ist frustriert, einsam und sehnsüchtig. Er ist anders, als die Bewohner, aber nicht fremd. Er gibt eine Lokalrunde aus. Sein Fluch ist sein innerliches Schicksal. Er schaut immer wieder zu dem Ort, an dem seine Mutter sich erhängt hat. Tcherniakov schafft hier einen dialektischen Gegensatz zwischen Vernichtung und Erlösung. Dieser wird in der Tragik aufgehoben, es gibt keine Umkehr, keine Erlösung. Die Motivation des Holländers ist Rache. Rache an der Dorfgemeinschaft, die seine Mutter in den Tod getrieben hat. Richard Wagner hat die Figur des Holländers den „Ahasverus des Ozeans“ genannt. Der Holländer wird wie Ahasver zum Vorboten der Apokalypse.
Er handelt dabei geplant und zielgerichtet und begibt sich regelrecht auf einen Rachefeldzug. Im zweiten Akt verwandelt sich das Bühnenbild. Die Kirche ist wieder zu sehen und ein Platz vor einer Häuserzeile. Frau Mary leitet eine Chorprobe. Die Figur der Mary erfährt bei Tcherniakov eine Umdeutung. Sie ist nicht die Amme oder Dalands Haushälterin, sondern seine Frau, Sentas Stiefmutter. Die Figur der Senta ist vielschichtig und widersprüchlich. Sie ist kokett, trägt Hosen, raucht, färbt sich die Haare bunt, ist manipulativ und emanzipiert. Ein pubertärer Teenager. Erik hält dennoch an der bürgerlichen Hoffnung auf eine Beziehung mit Senta fest. Nachdem die Chorprobe beendet ist, begegnen sich Senta und der Holländer im Wintergarten, der als Esszimmer genutzt wird. Die Glaswände schaffen Transparenz und Isolation gleichzeitig. Beim Abendessen wird deutlich: Daland hat seine Tochter an den Holländer verschachert, denn er rechnet sich einen guten Anteil an dessen Reichtum aus. Die Situation der vier Personen beim Abendessen ist etwas befangen. Der Familienkonflikt ist deutlich an den Blicken und Gesten zu spüren. Das Duett Senta – Holländer spiegelt eher die innere Handlung der Personen wider. Daland und Mary sind nur Randfiguren und löffeln schweigend ihre Suppe. Mary sieht das Unglück kommen. Sie wird es schließlich sein, die den Holländer aufhalten wird. Im dritten Aufzug treffen wir auf feiernde Norweger. Die Seeleute halten die Dörfler in Schach. In seinem Monolog äußert der Holländer den Verdacht, Senta und Erik hätten ihn betrogen, er hat Zweifel an Sentas Treue. Der Holländer erschießt einen Seemann und wird daraufhin von Mary erschossen. Trotz der entsprechenden Musik gibt es keine Erlösung, eher die Verweigerung der Erlösung. Der Holländer steht hier für die gesamte Gesellschaft, die verflucht ist. Alle haben mit dem Teufel gehandelt und sind von ihm besessen. Die individuelle Befreiung ist aber nur im Tod möglich. Die Inszenierung entzieht sich einer politischen Aussage. Sie setzt auf die Psychologie der Figuren und kann dabei manchmal auch witzig sein. Trotzdem endet das Ganze zwangsläufig im Desaster, in der Vernichtung der gesamten Stadt im flammenden Inferno.
Im Gegensatz zu den Dramen auf der Bühne vollziehen sich musikalisch ausschließlich erfreuliche Ereignisse. Der amerikanische Tenor Matthew Newlin begeisterte als Steuermann mit seinem lyrischen Tenor. Newlin lässt aufhorchen bei „Mit Gewitter und Sturm aus fernem Meer…“ welches er lyrisch gestaltet und einfach schön erzählt. Dabei fällt seine gute Textverständlichkeit auf. Begleitet wird sein Gesang von ausdrucksstarkem Spiel. Georg Zeppenfeld gibt einen überzeugenden vielschichtigen Daland. Immer solide, bisweilen schmeichelnd, verschachert er seine Tochter an den reichen Holländer. „Wie, meine Tochter sein Weib?“ gestaltet er leicht und tänzerisch. Neben seinem feinen sonoren Bass begeistert Zeppenfeld auch durch nuanciertes Spiel. Wunderbar, wie er beim Abendessen seine Tochter anpreist, leicht, erzählend, fast schon schelmisch. Daneben zeigt er seine wunderbare Tiefe bei „Sie zieret ihr Geschlecht“ und überzeugt zu jeder Zeit mit seiner ausgesprochen guten Textverständlichkeit. Der polnische Bass Tomasz Konieczny, für Michael Volle eingesprungen als Holländer, gehört seit seiner Interpretation des Wotan zu den Publikumslieblingen in Bayreuth.
Mit kraftvoller Bass lässt er die Wut des Holländers deutlich spüren. Sein Ausbruch „Wenn alle Toten aufersteh’n“ ist schmutzig, böse, „Ewige Vernichtung, nimm mich auf!“ im Fortissimo lässt die Zuhörer zusammenfahren.
Im dritten Aufzug steigert sich Konieczny sehr hinein in seine Figur, er tobt vor Wut und gestaltet in ausdrucksstarkem Gesang und intensivem Spiel den Schlussmonolog. Die norwegische Sopranistin Elisabeth Teige singt die Rolle der Senta. Teige verfügt über eine sichere leicht metallische Höhe sowie ein angenehmes Vibrato. Ihr Text ist gut verständlich. Auch Teige identifiziert sich stark mit ihrer Rolle, so dass man ihr die genervte Göre aber auch die leidenschaftlich Liebende gut abnimmt. Die Rolle der Frau Mary wird von Nadine Weissmann gesungen. Mit ihrem dunkel timbrierten Mezzosopran verleiht sie der etwas undankbaren Rolle, die in Tcherniakovs Inszenierung eine Aufwertung erfahren hat, stimmlich und darstellerisch eine gewisse Tiefe. Der amerikanische Tenor Eric Cutler gestaltet den zurückgewiesenen Verlobten Erik sehr leidenschaftlich. Leider ist er etwas sehr stark als Psychopath gezeichnet, so dass Cutler einem schon fast leidtut. Er meistert diesen Anspruch aber sehr professionell. Sein Spiel wirkt etwas überzeichnet, scheint aber der Rolle geschuldet. Cutler singt mit heldentenoralem Timbre, großer Emotionalität und Leidenschaft. Er verfügt über ein angenehmes Vibrato und eine gute Diktion. Neben den genannten Solisten gibt es einen weiteren Star in der Personage des Holländers: den Chor. Gerade der Fliegende Holländer steht und fällt mit den mächtigen Chören (Einstudierung: Eberhard Friedrich). Der Herrenchor begeistert einmal mehr als sichere Bank in den Seemannschören. Sowohl als Dalands Leute als auch als Geisterchor, also der Mannschaft des Holländers, überzeugen und begeistern die Herren mit sattem Chorklang, musikalischer und textlicher Präzision, sauberen Absprachen und gut abgestimmter Dynamik. Der Damenchor in der Spinnstube überzeugt mit feinem Klang, sprachlicher Präzision und sehr guter Verständlichkeit. Sehr schön ist auch das Zusammenspiel mit Mary und Senta in der Ballade sowie die absolute Intonationsreinheit beim Einsatz von Senta. Die ukrainische Dirigentin Oksana Lyniv, die erste Frau im Orchestergraben der Bayreuther Festspiele, erweist sich als wahrer Glücksfall.
Lyniv hat den großen Klangkörper gut im Griff. Das Festspielorchester segelt mit Schwung durch die Partitur, mit großer Verve, differenzierten Tempi und sensibler Dynamik. Insbesondere im dritten Aufzug wählt Lyniv großartige Tempi, hält zurück und gibt nach, wobei sie sehr sensibel mit den Solisten mitgeht und sehr sängerfreundlich gestaltet. Dementsprechend feiert das Publikum Dirigentin, Chor und Orchester und die Solisten mit begeistertem Applaus und stehenden Ovationen.