Bad Kissingen, Max-Littmann-Saal, TSCHECHISCHE PHILHARMONIE - Kissinger Sommer 2023, IOCO Kritik, 10.07.2023

Bad Kissingen, Max-Littmann-Saal, TSCHECHISCHE PHILHARMONIE - Kissinger Sommer 2023, IOCO Kritik, 10.07.2023
Regent Bau in Bad Kissingen © Daniel Karmann
Regent Bau in Bad Kissingen © Daniel Karmann

KISSINGER SOMMER 2023

Tschechische Philharmonie - Petr Altrichter - Bertrand Chamayou

von  Thomas Thielemann

Die Tschechische Philharmonie gehört zu den Gastorchestern der „ersten Stunden“ des Kissinger Sommers und erfreut sich beim Stammpublikum größter Beliebtheit. Auch im Festivalprogramm des Jahres 2023 waren am 7. und 8. Juli je ein Konzert mit der Musikalischen Leitung des Chefdirigenten Semyon Bychkov vorgesehen. Wegen eines Unfalls Bychkovs übernahm der langjährige Gastdirigent des Klangkörpers Petr Altrichter die Leitung der Konzerte.

Im Mittelpunkt des ersten Abends stand Antonin Dvoráks (1841-1904) selten aufgeführtes „Konzert für Klavier und Orchester g-Moll op. 43“ mit dem Französischen Pianisten Bertrand Chamayou.

Wann Dvorák die Anregung des Pianisten Karel von Slavkovsky (1846-1919), ein tschechisches Klavierkonzert zu komponieren, aufnahm und die ersten Skizzen aufzeichnete, ist nicht bekannt. Den Angaben in Dvoráks handschriftlicher Partitur nach, stellte er die drei Sätze im knappen Zeitraum von zwei Monaten im späten Sommer des Jahres 1876 fertig. Seine handschriftlichen Eintragungen mit Korrekturen sowie Änderungen in der ursprünglichen Niederschrift, zum Teil mit Überklebungen, reichen aber über sieben Jahre und zeugen von mässiger Zufriedenheit mit der Arbeit. In den beiden ersten Sätzen reflektieren sich noch die Einflüsse der deutschen Romantiker. während im Finalsatz Allegro con fuoco das Streben Dvoráks nach Weltläufigkeit zu erkennen ist.

Kissinger Sommer 2023 / Tschechische Philharmonie © Petr Kadlec
Kissinger Sommer 2023 / Tschechische Philharmonie © Petr Kadlec

Trotz seiner einzigartigen musikalischen Qualitäten kann das Werk nicht verleugnen, dass der Komponist selbst kein Pianist war, so dass virtuose Anforderungen an den Solisten weitgehend fehlen, das Symphonische betont ist und die Unterhaltung zwischen Klavier und Orchester unterbleibt.

Der 1981 in Toulouse geborene Bertrand Chamayou ist für seine Neugier auf Werke bekannt, die jenseits des Repertoire-Mainstreams liegen. Auch verfügt er über die zielgenaue Intelligenz, die zugleich die Komplexität schwieriger Werke erfasst, so dass er sich dem Dvorák-Klavierkonzert widmen konnte, ohne im Orchesterrausch unterzugehen. Er betonte deshalb die eher kleine Kadenz des Kopfsatzes mit seiner Perfektion, seinem klanglichen sowie formalen Balancegefühl, baute sie aus und entzog dem Orchesterspiel regelrecht Farbe. Petr Altrichter ist es zu danken, dass er auch in der Folge auf die Ambitionen des Solisten einging und ihm dort Raum gab, wo der Komponist einen Spalt gelassen hatte.

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,Kissinger Sommer 2023 / Tschechische Philharmonie mit Petr Altrichter, Dirigat, Bertrand Chamayou, Klavier © Petr Kadlec

Mit einer Liszt-Zugabe konnte Bertrand Chamayou seine mühelose Virtuosität des Spitzen-Pianisten demonstrieren und auch den letzten Zweifler von seinem Können überzeugen.

Das Klavierkonzert war von Felix Mendelssohn Bartholdys (1809-1847) „Symphonie Nr. 4 A-Dur op. 90“, die italienische, und Guiseppe Verdis (1813-1901) Ouvertüre zur Oper „La forza del destino“ umrahmt.

Das zweite Konzert der Tschechische Philharmonie am 8. Juli gehörte ausschließlich den Werken Antonin Dvoráks, einer der Kernkompetenzen des Orchesters. Bereits mit dem ersten Programm-Teil, den Konzertouvertüren „In der Natur“, „Othello“ und „Karneval“ demonstrierte das Orchester seine Spitzenklasse.

Im zweiten Konzertteil hatte Semyon Bychkov Dvoráks böhmischste „Symphonie Nr. 7 d-Moll op. 70“ ins Programm gesetzt. Diese prachtvolle Verquickung von Volksmusik seiner Heimat als Ausdruck des Wunsches nach einem Nationalstaat und der Bestrebungen des Komponisten zu internationaler Wirkung wurde vom Orchester publikumswirksam umgesetzt.

Die präzise Orchesterführung durch Petr Altrichter und seine deutliche Ansprache an die Musiker sicherten glanzvolle Dynamik und Modulationen. Die Vielfalt der Emotionen und Charaktere, der Wechsel dunkler Passagen mit versöhnenden oder auch gemütlichen Stellen, waren beeindruckend herausgearbeitet. Schattierungen und Phrasen hat man selten mit der Klarheit des Petr Altrichter gehört.

Beim poco Adagio gelangen mit der Gestaltung der Übergänge besondere Klangeindrücke. Das Scherzo und das Finale wurden mit einer ausgewogenen Orchesterführung absolviert.

Der körperbetonter Dirigierstil mit den weitgreifenden Armbewegungen des böhmischen Ur-Musikanten Petr Altrichter wird zwar oft belächelt, wurde aber offenbar von den Musikern verstanden und begeistert umgesetzt.

Mit einer Slawischen-Tanz-Zugabe beendeten Dirigent und Orchester ihren mit reichlich Beifall bedachten schönen Konzerterfolg.