Bad Kissingen, Max-Littmann-Saal, Thielemann - Symphonieorchester des Bay­erischen Rundfunk, IOCO Kritik, 11.07.2023

Bad Kissingen, Max-Littmann-Saal, Thielemann - Symphonieorchester des Bay­erischen Rundfunk, IOCO Kritik, 11.07.2023
Regent Bau in Bad Kissingen © Daniel Karmann
Regent Bau in Bad Kissingen © Daniel Karmann

KISSINGER SOMMER 2023

Christian Thielemann - Symphonieorchester des Bay­erischen Rundfunks

von Thomas Thielemann

Im November des Jahres 1875 ernannte die Wiener Universität den Komponis­ten Anton Bruckner (1824-1896) zum Lektor für Harmonielehre und Kontrapunkt. Mit seiner fünften Symphonie wollte Bruckner, wie in einem Lehrbuch, jenes zusammenfassen, was er seinen Studenten vermitteln möchte und schuf so sein kontrapunktisches Meisterwerk.

 Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks © Astrid Ackermann
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks © Astrid Ackermann

Um die Fülle der in der Symphonie verpackten Klangkombinationen wirksam zum Hörenden zu bringen, bedarf es drei Voraussetzungen: ein qualifiziertes Orchester, einen Perfektionisten, der das Orchester zur Erzeugung der Töne in richtigem Zeitmaß und notwendiger Intensität anregt sowie einen Klangraum, in dem sich die Tonkombinationen auch diszipliniert bis zum Ohr des Besuchers bewegen.

Mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Dirigenten Christian Thielemann und vor allem mit dem Max-Littmann-Saal waren alle diese Bedingungen am 9. Juli 2023 beim Konzert des Kissinger Sommers 2023 auf das Vollkommenste erfüllt.

Max Littmann Konzertsaal © Feuerpfeil Verlags GmbH
Max Littmann Konzertsaal © Feuerpfeil Verlags GmbH

Bereits bei unserem ersten Besuch des Festivals Kissinger Sommer im Jahre 1996 hatte uns der Saal im Regentbau fasziniert. Die Kirschbaum-holzvertäfelung mit den Ebenholzintarsien der 36 Meter langen Seitenwände und die Kassettenabdeckung des 16 Meter hohen Raumes vermittelten bereits beim Betreten ein Gefühl der Beherbergung. Da uns auch die Klangentwicklung im „Schuhkarton“ mit seinen 660 Parkett- und 500 Balkonplätzen auf Anhieb überzeugte, sind wir seit dieser Zeit ständige Gäste der Festspiele gewesen. Bei der Vielzahl unserer Konzertbesuche war auch aufgefallen, wie „demokratisch“ sich die Akustik gegenüber Besuchern der unterschiedlichsten Platzbereiche zeigte.

Die Pläne für den im Zeitraum von 1910 bis 1913 errichteten Regentbau, in dem sich der Konzertsaal befindet, stammen von dem in Chemnitz geborenen und in Dresden ausgebildeten Architekten Max Littmann (1862-1931).

Littmann hatte, nachdem er mit Wohnhaus- und Gewerbebauten, unter anderem mit dem Münchner Hofbrauhaus am Platzl, Erfahrungen sammelte, sich weitgehend mit einer Revolutionierung des deutschen Theaterbaus beschäftigt. Mit dem Bau des Münchner Prinzregenten-Theaters schuf er 1900 bis 1901 einen regelrechten Affront zum Bayreuther Festspielhaus. In Kissingen wurde nach seinen Plänen 1904 bis 1905 das Kurtheater errichtet.

Nun haben wir als Dresdner intensiv und aufmerksam alle Konzerte des Maestros in der Stadt und zum Teil in Salzburg besucht und glauben eine gewisse Fähigkeit entwickelt zu haben, zu erkennen, wann und wie Christian Thielemann seine Pausen setzt.

Wir lieben seine Tempo- und Dynamikgestaltung, sowie seine weichen Übergänge. Wie er die Partitur seziert und die Segmente meisterhaft wieder zusammenfügt, durften wir bereits oft erleben. So konzentrierten wir uns auf die Interpretation der Bruckner-Symphonie mit einem uns unbekannten Orchester und auf den Umgang des Maestros mit dem tollen Konzertraum.

Christian Thielemann © Matthias Creutziger
Christian Thielemann © Matthias Creutziger

Wir konnten genießen, wie die Klangphysik des Max-Littmann-Saales mit der Unmenge unterschiedlichster Tonsequenzen Bruckners umgeht und wie sauber die Töne beim Hörer ankommen.

Da war bereits im Kopfsatz beim Buchstabieren von Einzelnoten die messerscharfe Trennung der Einzeltöne zu konstatieren. Die Pianissimo schienen sich, wie an Ketten gezogen durch den Raum zu bewegen, um unbeschadet von Brechungen ihr Ziel zu erreichen. Der Flötenklang schwebte schwerelos durch den Raum und das sanfte Zupfen der Celli war differenziert bis ins Kleinste.

Die schrillen Blechsequenzen hingegen wurden bei aller Lautheit von den Brechungen der Kassettendecke auf das Angenehmste ab gedröhnt, ohne ihre Konturen zu verlieren. Selbst wenn im Scherzo sich die Klänge regelrecht überstürzten, hielt der Saal das Klangbild transparent und bis in das feinste Detail erkennbar.

Die Darbietung der fünften Symphonie Anton Bruckners durch das Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks mit dem Dirigat Christian Thielemanns ermöglichte uns, den außergewöhnlichen Umgang des Max-Littmann-Saales mit den letztlich aus Luftbewegungen resultierenden Klängen auf das Eindrucksvollste auszukosten.

Leider gelang es dem Dirigenten trotz Verharren in einer nicht zu übersehenden Schluss-Pose den sofort ausbrechenden Beifallsorkan pausieren zu lassen. Dafür erlebten wir in Bad Kissingen wieder einmal stehende Ovationen.

Bleibt für uns der Wunsch, dass Christian Thielemann im Littmann-Saal ein Bruckner-Konzert mit der Sächsischen Staatskapelle und deren weicheren Dresdner Klang zelebrieren möge, kommen doch die Münchner bei aller Qualität etwas bestimmter  und härter daher.