Bad Kissingen, Max-Littmann-Saal, GRIGORY SOKOLOV - Kissinger Sommer 2023, IOCO Kritik, 08.07.2023

Bad Kissingen, Max-Littmann-Saal, GRIGORY SOKOLOV - Kissinger Sommer 2023, IOCO Kritik, 08.07.2023
Regent Bau in Bad Kissingen © Daniel Karmann
Regent Bau in Bad Kissingen © Daniel Karmann

KISSINGER SOMMER 2023

- Grigory Sokolov - im Zauberkreis eines großen Pianisten -

von Thomas Thielemann

Kissinger Sommer / Grigory Sokolov © Rosana Kochanevski
Kissinger Sommer / Grigory Sokolov © Rosana Kochanevski

Seit vielen Jahren ist der 1950 in Leningrad geborene Grigory Sokolov einer der erfolgreichsten Gäste beim Kissinger Sommer 2023. Nach meiner Erinnerung war er der erste Solo-Musiker, der den Sprung aus dem kleineren Rossini-Saal auf die Bühne des Max-Littmann-Saales schaffte und auch im großen Raum ständig für ausverkaufte Konzerte sorgt. Zum „Kissinger Sommer 2023“ hatte Sokolov ein Programm mit Kompositionen von Henry Purcell (1659-1695) und Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) mitgebracht.

Von Purcells Kompositionen haben vor allem seine geistlichen Werke die Zeiten überdauert. Für seine Schüler hat der Klavierlehrer eine Vielzahl von Übungsstücken und für seine Mitmenschen eine Unmenge von Gebrauchsmusik komponiert. Er experimentierte mit Folklore, Tänzerischem, Suiten und Kreiselbewegungen. Die meisten wurden erst nach Purcell Versterben erschlossen und von der Witwe Purcells als Übungsbuch veröffentlicht.

Es brauchte eine gehörige Portion Selbstbewusstsein und man musste sich seines Publikums sicher sein, aus diesem Kosmos neun Stücke herauszugreifen und damit den ersten Teil eines Klavier-Soloabends zu gestalten. Es waren keine Stücke: Suiten, burleske Piecen, eine Chaconne. Das meiste waren Übungsstücke, die Purcell für seine Schüler vorbereitete oder Variationen von Themen, Tänze, die er in entspannter Laune komponierte. Nur ein großer Pianist kann es sich leisten, zu einem Klavierabend mit diesem Programm anzutreten und nur einem besonderen Meister konnte es gelingen, ein Publikum mit diesem Programm zu begeistern. Das Wunder des Kontrapunkts wurde von Sokolov geruhsam probiert und gefeiert. Wie der Pianist die triller- und verzierungsreichen rhythmisch charaktervollen und kraftvoll melodischen Suiten und Einzelstücke Purcells vortrug, war schon bezwingend. Die englische Barockmusik wurde allein durch die einzigartige Weise seines Spiels zum Ereignis.

Dazu kam dieser unfassbare leichte, dabei glasklare Anschlag des gewichtigen Menschen. Viele Pianisten der Welt beneiden ihn um die Perfektion seiner Verzierungen, das Prickelnde und der Zerbrechlichkeit seines Spiels. Man blieb vom ersten bis zum letzten Ton gefesselt.

Nach der Pause spielte Sokolov  Mozarts Sonate Nr. 13 B-Dur KV 333 und das Adagio h-Moll KV 540 weicher und eloquenter. Die Welt hatte sich auch kompositorisch zwischen den beiden Genie-Komponisten verändert.

Beklemmend war Sokolovs Mozart-Spiel, wenn er im Kopfsatz der B-Dur- Klaviersonate  das Tempo dimmte und jede Note regelrecht buchstabierte, obwohl er ansonsten jedem Gedanken seine Zeit gab und die Musik atmen ließ. Besonders das Andante cantabile der „Sonate Nr. 13 KV 333 in B-Dur“ gelang denkwürdig. Eine beklemmende Stellungnahme zur Zeit war offenbar die Wahl, mit der weit in die Romantik vorgreifende Todesbetrachtung des h-Moll-Adagios KV 540 das Programm zu schließen. Die Abgründe des Mozartschen h-Moll Adagios vermag wohl keiner so bedingungslos zu ergründen, wie Sokolov.

Max Littmann-Saal in Bad Kissingen © Daniel Karmann
Max Littmann-Saal in Bad Kissingen © Daniel Karmann

Von seiner Person macht Grigory Sokolov wahrlich wenig von sich her. Es erklimmt der Pianist Grigory Sokolov die Bühne des Kissinger Max-Littmann-Saales, verbeugt sich kurz, nimmt Platz und spielt fünfzig Minuten fast ohne Unterbrechungen. Ein Bann scheint über dem Publikum zu liegen, denn dem Solisten umweht ihn die Aura geheimnisvollen Wissens um die Musik, der er näher scheint als allen Anderen im Saal. Sein Streben nach Vollkommenheit lässt ihn in seinen Konzerten auf die Begleitung seines Spieles durch ein Orchester verzichten

Für die heftigen Ovationen seines Kissinger Stammpublikums dankte Grigory Sokolov mit sieben Zugaben. Erbarmungslos ließen die begeisterten Besucher den zunehmend erschöpften Meister immer wieder die Stiege zum Podest des Littmann-Saales hochklettern, bis sich ein Techniker seiner erbarmte und das Licht nicht wieder dimmte.

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