Hamburg, Staatsoper Hamburg, TOSCA - Giacomo Puccini, IOCO Kritik, 13.04.2023
TOSCA - Giacomo Puccini
- Eine traditonelle Inszenierung - Starke Stimmen : Begeistern -
von Wolfgang Schmitt
Die „Italienischen Opernwochen“ an der Hamburger Staatsoper schritten am 2.4.2023 voran mit Aufführungen von Puccinis Tosca in der hinlänglich bekannten traditionellen Inszenierung von Robert Carsen und der Ausstattung von Anthony Ward aus dem Jahre 2000.
Die Titelpartie sang Natalya Romaniw, eine junge britische Sopraistin, die in dieser Partie ihr Hamburg-Debüt gab. Sie gestaltete die Tosca ganz als klassische Primadonna. Sie beherrschte die Bühne im ersten Akt als eifersüchtige, gequälte Liebende, mit divenhaftem Habitus im zweiten Akt in ihrer dunkelblauen Abendrobe, sang mit warmem volltönendem Sopran, opulenter Mittellage, einem sicheren mühelosen Höhenregister, herrlichen Legati und betörenden lyrischen Passagen, und ihr „Vissi d'arte“ wurde zu Recht bejubelt. Ihre Stimme paßte sich der dramatischen Handlung wunderbar problemlos an, klang natürlich und mußte niemals forciert werden.
Ihr zur Seite als Cavaradossi stand Stefan Pop, der seinen kraftvollen, hell timbrierten Spinto-Tenor präsentierte und hier besonders seine Spitzentöne, die er endlos lange halten konnte. Aber nicht nur die Spitzentöne waren seine Stärke, auch sonst gefiel er mit makellos geführter Stimme bei lupenreiner Intonation, voller Leuchtkraft in der Auftrittsarie „Recondita armonia“, mit explosivem Ausdruck bei „Victoria Victoria“, und ergreifender Melancholie in „E lucevan le stelle“.
Schlicht sensationell war Erwin Schrott als Scarpia -Bösewicht. Ein Vollblut-Sängerdarsteller, der er ist, kostete er jegliche Nuance dieser gefährlichen, fiesen, zynischen Figur aus. Gleich sein erster Auftritt in der Kirche zwischen den Säulen war beeindruckend, während er „Un tal baccano in chiesa, bel rispetto“ sang. Sein Heldenbariton ist angenehm timbriert, groß und volltönend, was ihm besonders beim „Te Deum“ zugute kommt. Im zweiten Akt mit Tosca ist er zunächst nicht der gewalttätige Macho, sondern er versucht, Tosca mit fast charmanten Gesten zu umgarnen und zu verführen. Erst wenn er merkt, daß er auf diese Art nicht ans Ziel gelangt, wird er handgreiflich und brutal. Sein Gesang ist sehr differenziert, gelegentlich wechselt er ins Parlando. Seinen Untergebenen Spoletta und Sciarrone gegenüber klingt er überheblich, und wenn er manchmal in einen Flüsterton verfällt, so ist er dennoch bis in die letzte Reihe zu hören. Seine siegesbewußt vorgetragene Arie „Gia, mi dicon venal“ ging so richtig unter die Haut. Von der Statur schlank und kräftig gebaut bewegt er sich locker und natürlich, ein charismatischer und absolut bühnenpräsenter Sängerdarsteller. Man ist schon gespannt auf seine 'Vier Bösewichte' im Juni in Les Contes d'Hoffmann.
Blake Denson gab einen lauten, rauh-stimmigen Angelotti. Die weiteren kleineren Partien wurden adäquat gesungen von David Minseok Kang als Sagristan, Peter Galliard als Spoletta, Liam James Karai als Sciarrone, und Christian Bodenburg als Carceriere. Aus dem Off erklang der schöne lyrische Mezzosopran von Claire Gascoin mit ihrem Hirtenlied.
Der von Christian Günther exzellent einstudierte Staatsopern-Chor hatte seinen kraftvollen großen Moment während des „Te Deum“ im ersten Akt.
Das Philharmonische Orchester unter der umsichtigen, passionierten Leitung von Stefano Ranzani hatte einen großartigen Abend. Es spielte dramatisch, effektfreudig und leidenschaftlich zupackend, Puccini con brio, aber auch weich und sensibel wie im fast kammermusikalisch anmutenden Vorspiel zum dritten Akt.
Am Ende der Aufführung gab es nicht enden wollende Ovationen für den Dirigenten, für Tosca und Cavaradossi, besonders jedoch für Erwin Schrott als Scarpia.