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Hamburg, Opernloft, LA BOHEME – Giacomo Puccini, IOCO KRITIK, 11.03.2023

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Wolfgang Schmitt
11. March 2023
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Hamburg Altona / OPERLOFT © Opernloft
Hamburg Altona / OPERLOFT © Opernloft

Opernloft

 LA BOHEME  – Giacomo Puccini

– Im “Club Momus”: Mimi arbeitet als Garderobiere – Rodolfo verliebt sich –

von Wolfgang Schmitt

Giacomo Puccinis traurig-schöne Boheme– Szenen aus dem Pariser Künstler-Milieu – ist eine der bedeutendsten italienischen Verismo-Opern und zu Recht eine der meistgespielten Werke der Opernliteratur.

Opernloft Hamburg / LA BOHEME hier Nora Kazemieh als Marcella, Aline Lettow als Musetta, Rocio Reyes als Mimi, Songyan He als Rodolfo © Inken Rahardt
Opernloft Hamburg / LA BOHEME hier Nora Kazemieh als Marcella, Aline Lettow als Musetta, Rocio Reyes als Mimi, Songyan He als Rodolfo © Inken Rahardt

Normalerweise dreht sich die Geschichte um junge freiheitsliebende Künstler – Poeten, Maler und Studenten meist in finanziellen Nöten. Nicht jedoch in der von Susann Oberacker entworfenen ideenreichen und phantasievollen Inszenierung fürs Hamburger Opernloft an der Elbe im ehemaligen Altonaer Fährterminal. Gemeinsam mit der Bühnen- und Kostümbildnerin Claudia Weinhart schuf sie eine eigene gestraffte, aufs Wesentliche gekürzte und aktualisierte Fassung von Puccinis Meisterwerk und übertrug die Handlung in die Jetztzeit. Ihre Protagonisten sind vier unbekümmert lebende junge Menschen, bei denen Geld offenbar keine Rolle spielt und die sich ausschließlich für Facebook, Instagram und Twitter interessieren, deren Welt „Social-Media“ ist mit „Posts“,Likes“ und „Followers“. Gesungen wurde im italienischen Original, deutsche Texte wurden der Handlung entsprechend angepaßt und auf eine Bühnenleinwand projiziert.

Ausgangspunkt dieser Geschichte ist die Eröffnung des „Club Momus“, dem die drei Freunde Rodolfo, Musetta und Marcella entgegenfiebern. Aus dem Bariton Marcello wurde hier eine androgyn wirkende Mezzosopranistin MarcellaNora Kazemieh –, die in einer Szene auch Collines Mantelarie übernimmt. Natürlich war es ungewöhnlich, diese wunderbare Bass-Arie jetzt von einem Mezzosopran dargeboten zubekommen, aber es klang durchaus interessant und reizvoll. Die Partien des Schaunard, Colline und die kleinen Rollen wurden hier ausgespart.

Ein roter Teppich und Absperrbande leiten die drei Freunde zum „Club Momus“, in welchem Mimi als Garderobiere arbeitet und in die sich Rodolfo natürlich gleich verliebt. Im Club selbst erklingt Jazz- und Swing-Musik, und es war faszinierend zu erleben, wie die musikalische Leiterin des Abends, die ausgezeichnete Pianistin Amy Brinkman-Davis Puccinis wunderbare Partitur bearbeitet hatte, nur mit Klavier, Klarinette, Saxophon und Kontrabass zu Gehör brachte und man ein großes Opernorchester in diesem Rahmen gar nicht vermißte. Auch der plötzliche Wechsel von Puccinis romantischen Opernklängen hin zur Jazz- und Swing-Musik wie „Take the A-Train“, „Mackie Messer“ oder „Dream a little Dream of me“ gestaltete sich völlig bruchlos. Das Publikum wurde zu den Klängen von „Chattanooga Choo Choo“  und „I got the Sun in the Morning“ in die Pause ins Foyer geleitet, wo Marcella – die ausgezeichnete Mezzosopranistin Nora Kazemieh – den Song „Fever“ zum Besten gab und damit ihre musikalische Vielseitigkeit noch unterstrich.

 Opernloft Hamburg / LA BOHEME hier das Ensemble zum Schlussapplaus © Wolfgang Radtke
Opernloft Hamburg / LA BOHEME hier das Ensemble zum Schlussapplaus © Wolfgang Radtke

Die Partie der Mimi wurde gesungen und ergreifend dargestellt von der lyrischen Sopranistin Rocio Reyes in roter Garderobieren-Uniform, die mit warmem, samtenem Stimmklang, melancholischen Tönen in der Mittellage und leuchtendem oberen Register ihre beiden großen Arien darbot. Auch die Duettszenen mit dem Tenor gerieten anrührend. In der Handlung wird sie von einem unbekannten Virus befallen – Corona läßt grüßen – und geht daran zugrunde, während die Freunde mit ihren Smartphones beschäftigt sind.

Aline Lettow sah als Musetta wunderschön aus in ihrem weißen, raffiniert  geschnittenen Petticoat-Kleid und sang ihre Arie „Quando m’en vo“ mit strahlender Sopranstimme und perfekten Spitzentönen. Aufgewertet wurde ihre Musetta noch durch die Einfügung der Doretta-Arie aus Puccinis La Rondine, welche ihr mit einer gewissen Sinnlichkeit, vokaler Leuchtkraft und wunderbarem Legato gelang, gepaart mit ihrer charmanten darstellerischen Leistung.

Der Tenor Songyan He konnte aufgrund einer Erkältung die Partie des Rodolfo nicht singen, spielte seine Partie aber tapfer durch. Der aus Chile stammende Tenor Guillermo Valdès konnte für diese Vorstellung gewonnen werden, sang den Rodolfo von der Seitenbühne und bot einen warm timbrierten, angenehm klingenden lyrischen Tenor mit einer Bandbreite zwischen zartem Schmelz und vokaler Ausdruckskraft. Am Ende war er stimmlich der verzweifelte Liebende, gefühlvoll und mit fein dosierter Stimmführung.

Der tosende Applaus des Publikums für diesen Retter des Abends war ihm gewiß. Aber auch die Sängerinnen und die Musiker wurden mit Ovationen durch das begeisterte Publikum überschüttet – Puccini einmal anders, in modernem Gewand, aber nicht weniger faszinierend.

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