Hamburg, Altonaer Theater, DER ANGENEHME BETRUG oder DER CARNEVAL VON VENEDIG, IOCO Kritik, 13.07.2022

Hamburg, Altonaer Theater, DER ANGENEHME BETRUG oder DER CARNEVAL VON VENEDIG, IOCO Kritik, 13.07.2022
Altonaer Theater © Thomas Huang
Altonaer Theater © Thomas Huang

Altonaer Theater

DER ANGENEHME BETRUG oder DER CARNEVAL VON VENEDIG

- 1707 am Hamburger Gänsemarkt uraufgeführt -

von Wolfgang Schmitt

Der deutsche Komponist Reinhard Keiser (1674 -1739) lebte und wirkte viele Jahre in Hamburg, schrieb einen großen Teil seiner Opern für das damalige Opernhaus am Gänsemarkt, dessen Intendant er sogar zwischen 1703 und 1707 gewesen ist.

Die Pianistin und Dirigentin Ira Hochman gründete 2007 das Ensemble Barockwerk Hamburg und hat seitdem unzählige Barockwerke wiederentdeckt - u.a. von Georg Caspar Schürmann, Carl Heinrich Graun, Georg Philip Telemann -, aufgeführt und auf Tonträger eingespielt.

Von Reinhard Keisers Oper Der angenehme Betrug oder Der Carneval von Venedig, 1707 an der Hamburger Gänsemarkt-Oper uraufgeführt, war zwar das Libretto erhalten, von der Komposition  gab es jedoch lediglich eine unvollständige Handschrift. Die Arien und Duette dieser Oper waren vorhanden, aber es fehlten eine Ouvertüre, alle Rezitative und einige Chorszenen. Hinzugefügt wurden nun von Ira Hochman, um aus diesen Fragmenten eine vollgültige Oper zu schaffen,  einige in die Handlung passende Arien, Kantaten und Chorpassagen aus anderen Opern Reinhard Keisers in Form eines „Pasticcio“, nämlich aus Arsinoe, Orpheus, Adonis, Der lächerliche Prinz Jodelet, die Kantate „Die rasende Eifersucht“, und sogar ein Lied aus Georg Caspar Schürmanns Heinrich der Vogler wurde eingefügt.

Herausgekommen ist - am 3. Juli 2022, ein wunderschöner, semi-konzertanter Barock-Abend im Altonaer Theater im Rahmen der diesjährigen Hamburger Privattheatertage, mit einem unter der Leitung von Ira Hochman engagiert musizierenden kleinen Barock-Orchester, auf der Bühne platziert vor typischen Venedig-Motiven im Bühnenhintergrund, und ausgezeichnet singenden Protagonisten. Mit sanft geführten harmonischen Linien, klassisch-barocken Klangfarben und sensibler Ausdrucksfülle gelang dem Orchester eine durchaus faszinierende Wirkung auf den Zuhörer. Aufgepeppt wurde die orchestrale Stärke noch durch den Einsatz zweier „Karnevals-Trommler“.

Szenisch eingerichtet wurde die Aufführung von der Regisseurin Anna Magdalena Fitzi, die karnevaleske Kostümierung der Sänger besorgte Anja Regrischnik.

 „DER ANGENEHME BETRUG oder DER CARNEVAL VON VENEDIG © Sebstian Siercke
„DER ANGENEHME BETRUG oder DER CARNEVAL VON VENEDIG © Sebstian Siercke

Die originelle, etwas verworrene Handlung dreht sich um zwei venezianische Liebespaare, Leonora und Leandro (Hanna Zumsande mit wohlklingendem, barock-geschultem lyrischen Sopran und Andreas Heinemeier mit technisch gut kontrolliertem lyrischen Bariton) sowie Isabella und Rodolffo (Fanie Antonelu mit warmem dunkel timbriertem Sopran und Matthias Vieweg mit markantem Kavaliersbariton) während des Karnevals, wenn man sich dem Vergnügen hingibt und sich einige Freiheiten herausnimmt. So verliebt sich Leandro in Isabella, während Rodolffos Herz für Leonora entbrennt. Um sein Ziel zu erreichen, behauptet Rodolffo Leonora gegenüber, Leandro sei tot. Doch Leonora entdeckt den lebendigen Leandro und behauptet nun ihm gegenüber, Isabella sei tot, und damit sind Leonora und Leandro wieder vereint. Auch Isabella und Rodolffo finden schließlich wieder zueinander.

„DER ANGENEHME BETRUG oder DER CARNEVAL VON VENEDIG © Wolfgang Schmitt
„DER ANGENEHME BETRUG oder DER CARNEVAL VON VENEDIG © Wolfgang Schmitt

Ein weiteres „Paar“ sind Celinde, eine „verkleidete Prinzessin aus Teutschland“ (Anna Herbst mit virtuos eingesetztem perlenden Koloratursopran), die nur an Tanz und Oper interessiert ist und der Liebe entsagt, denn Liebe bedeutet für sie Leiden, und ihr Verehrer Myrtenio, ein „Teutscher Prinz“ (Mirko Ludwig mit gefühlvoll eingesetztem sanftem lyrischen Tenor), der sehr unglücklich ist, daß Celinde ihn nicht erhört, sich aber schließlich von ihr überzeugen läßt, der Liebe zu entsagen um nie aus Liebe leiden zu müssen. Mirko Ludwig übernahm auch die kleine Partie des lustigen Sachsen Brillo, und ebenfalls die Chorpassagen zusammen mit Sönke Tams Freier, Santa Karnite und Geneviève Tschumi, wobei letztere mit ausdrucksvollem Mezzosopran auch die herrliche plattdeutsche Arie des „nieder-sächsischen Mägdens“ Trintje sang.

Da bei dieser „Ausgrabung“ keine Rezitative vorhanden waren, entwarf die Autorin Fee Brembeck zu dieser turbulenten Handlung passende Monologe und erklärende Texte. Diese wurden hinreißend und mit sehr viel Charme und Humor dargeboten von der jungen Schauspielerin Mona Vojacek Koper, die in ihrer lustig-schelmischen Art die Conference der Aufführung inne hatte und quasi den „Karneval“ und das „Glück“ symbolisierte.

Bleibt zu hoffen, daß diese überaus gelungene Präsentation von Reinhard Keisers Komposition durch das Barockwerk Hamburg in Form einer Tonträger-Einspielung einem breiteren Publikum  zugänglich gemacht wird. Eventuell gibt es ja noch weitere Möglichkeiten, dieses Werk an anderen Orten aufzuführen, dem Ensemble Barockwerk Hamburg wäre es zu wünschen.

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