Dresden, Sächsische Staatskapelle, Camille Saint-Saëns  -  Gustav Mahler, IOCO Kritik, 18.09.2019

Dresden, Sächsische Staatskapelle, Camille Saint-Saëns  -  Gustav Mahler, IOCO Kritik, 18.09.2019
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Sächsische Staatskapelle Dresden

Semperoper

Semperoper © Matthias Creutziger
Semperoper © Matthias Creutziger

Sächsische Staatskapelle - Sol Gabetta - Daniele Gatti

Camille Saint-Saëns  -  Gustav Mahler

von Thomas Thielemann

Dem Komponisten Charles Camille Saint-Saëns (1835-1921) sagten Zeitgenossen nach, dass er von keiner Leidenschaft geplagt gewesen sei. Nichts habe die Klarheit seines Verstandes getrübt. Er wäre von Anfällen krankhafter Müdigkeit geplagt gewesen, verfügte aber andererseits über einen wunderlichen Humor und einen kapriziösen Geschmack für Parodien, Burlesken, Possenhaftem. Zugleich trieb ihn eine ruhelose erregte Laune durch die Welt, was ihn zu vielfältigen, zum Teil exotischen Kompositionen anregte, die sein vagabundierendes Denken über Epochen und Landschaften widerspiegelten. Seine Musik zeichnet sich besonders durch handwerkliche Meisterschaft, formale Strenge und Eleganz des Klanglichen aus.

Sächsische Staatskapelle Dresden - 2. Symphoniekonzert 2019/20

Sächsische Staatskapelle / 2. Symphoniekonzert - hier : Sol Gabetta © Markenfotografie
Sächsische Staatskapelle / 2. Symphoniekonzert - hier : Sol Gabetta © Markenfotografie

Sein Violoncello-Konzert a-Moll op. 33 von 1872 ist für jeden Solisten ein Paradestück und sehr beliebt. Statt der üblichen dreisätzigen Konzertform strukturierte Saint-Saëns seine Arbeit in einem Satz, der allerdings drei eng verbundene Ideen enthält. Im 2. Symphoniekonzert der Saison 2019/20 spielte die Capell-Virtuosin der laufenden Saison Sol Gabetta das Konzert mit der Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Daniele Gatti. Beide haben als Gastmusiker schon des Öfteren im Semperbau mit großem Erfolg musiziert, so dass es keine Berührungsprobleme zu überwinden gab. Auch gehört Sol Gabetta inzwischen mit ihrem virtuosen kraftvollen Spiel und ihrer enormen Bühnenpräsenz zu den eindrucksvollsten Musikerinnen unserer Zeit. Mit einem Lächeln im Gesicht meisterte sie die enorm anspruchsvollen Schwierigkeiten  des Soloparts, insbesondere im letzten Abschnitt des Konzerts. Berückend bot sie auch die Kadenz im Menuett-Mittelteil. Dazu kam der warme Klang ihres Instruments, das 1730 in der Werkstatt des Cello-Spezialisten Matteo Goffriller in Venedig gebaut worden ist.

Das Familiengrab von Camille Saint-Saens in Paris © IOCO
Das Familiengrab von Camille Saint-Saens in Paris © IOCO

Daniele Gatti begnügte sich mit einer dienenden Rolle und ließ die Solistin überwiegend im dramatischen und musikalischen Vordergrund. Er führte die Musiker der Staatskapelle einfühlsam und flexibel, bot so die Gegenmelodien zurückhaltend.

Besondere Begeisterung entfachte die Zugabe der Solistin und des Orchesters mit Gabriel Faurés „Plays Aprés un rêve“.

Nach der Pause folgte dann Gustav Mahlers fünfte Symphonie. Mit keiner seiner Kompositionen plagte sich Mahler mit der Instrumentierung so, wie bei diesem Werk. Nach den Symphonien zwei, bis vier war das nächste Werk dieser Gattung das erste ohne Einbeziehung der menschlichen Stimme. In den Sommerferien 1901 und 1902 konzipiert, 1903 erstmals instrumentiert, fand die Uraufführung 1904 statt. Die heute dargebotene Instrumentierung ist allerdings eine Mahler-Überarbeitung aus seinem Sterbejahr 1911.

Die Verwendung des Adagietto als Filmmusik in Viscontis “Tod in Venedig“ hat massiv zur Popularität der Komposition beigetragen, so dass sie heute eine der beliebtesten und am häufigsten aufgeführte Symphonie Mahlers ist. Das Werk ist voll von Themen, Gegenthemen, schnellen Stimmungswechseln und hat einen gewaltigen Dynamikumfang. Gatti gelingt mit den Musikern aber auch ein Spiel mit Weichheit und Transparenz. Hervorragend werden die langen Passagen von den Blechbläsern der Kapelle freigelegt. Bei der Häufigkeit der unterschiedlichen Interpretationen war es für Gatti schwierig, Besonderheiten, die auch seinem Stil entsprechen, in der Darbietung unterzubringen. Die Anklänge an Bachs Polyphonie waren beeindruckend. Der erste Satz wurde an der Grenze des von Mahler gewünschten gemessenen Schrittes gespielt, bevor sein Dirigat Fahrt aufnahm. Der Wirkung des zweiten Satzes bekam, zumindest nach meinem Empfinden, die von Daniele Gatti vorgegeben Tempo- und Intensitätswechsel recht gut.

Sächsische Staatskapelle / 2. Symphoniekonzert - hier : Daniele Gatti © Markenfotografie
Sächsische Staatskapelle / 2. Symphoniekonzert - hier : Daniele Gatti © Markenfotografie

Das Scherzo, nach des Komponisten Einteilung bereits der II. Abteilung zugehörig, bot Daniele Gatti mit den verblassenden Erinnerungen des Lebens den Abschluss einer Entwicklung. Denn fast plötzlich ist das Adagietto als das Markenzeichen jeder Interpretation und als Ruhebereich von Mahlers "fünfter" da. Gatti versuchte mit seinem Dirigat die Hörerwartungen gerade zu rücken, um beim Publikum die Kino-Assoziationen aus dem Kopf zu bekommen und so ein Abgleiten in die Liebeserklärung an Alma Schindler zu vermeiden. Dazu nutzte er die melodischen Wendungen an das Rückert-Lied „ Ich bin der Welt abhandengekommen“. Letztlich gestaltete Gatti, von den flexiblen Streichern des Orchesters unterstützt, ein Atemholen vor dem unmittelbar angeschlossenen Finale.

Zunächst finden Dirigent und Staatskapelle fast zögerlich den Bewegungsrhythmus mit seinen rudimentären Motiven. Dann aber ließ Daniele Gatti die Musik Mahlers für sich sprechen und führte zum jubelnden Finale. Frenetischer Beifall des doch recht erschöpften Publikums für das Gebotene.

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