Dresden, Kulturpalast Dresden, Cappella Andrea Barca und András Schiff, IOCO Kritik, 08.02.2019

Dresden, Kulturpalast Dresden, Cappella Andrea Barca und András Schiff, IOCO Kritik,  08.02.2019

 

Kulturpalast Dresden © Nikolaj Lund
Kulturpalast Dresden © Nikolaj Lund

Kulturpalast Dresden

András Schiff  -  Cappella Andrea Barca

- Mozart - Palastkonzert -

von Thomas Thielemann

Seit im April des Jahres 2017 der umgebaute Konzertsaal im Kulturpalast Dresden wieder seiner Bestimmung zugeführt worden war, haben wir jede Gelegenheit genutzt, Konzerte in diesem Pseudo-Weinberg auf Plätzen der unterschiedlichsten Positionen zu besuchen, weil wir eigentlich fanatische Verfechter der Schuhschachtel-Konzerträume sind und die Klangentwicklung auch nach dem Umbau als etwas „undemokratisch“ empfinden.

Die Dresdner Musikfestspiele finden in diesem Jahr erst vom 16. Mai bis zum 10. Juni 2019 statt. Vermutlich um die breiten Möglichkeiten der Klangentfaltung in diesem noch vergleichsweise neuen Konzertsaal breit auszutesten, veranstaltet das Management, verteilt über die Festspiel-freie Zeit des Jahres, die Reihe „Palastkonzerte“. Zudem möchte man den Ruf des Saales in der Musikwelt möglichst weit verbreiten, um sowohl Interpreten als Besucher auch abseits von Semperoper und Frauenkirche nach Dresden zu locken.

Kulturpalast Dresden / Capella Andrea Barca und Andras Schiff im Kulturpalast Dresden © Oliver Killig
Kulturpalast Dresden / Capella Andrea Barca und Andras Schiff im Kulturpalast Dresden © Oliver Killig

Mit einem Mozart-Abend feierte András Schiff mit seiner Cappella Andrea Barca am 6. Februar 2019 ein Saal-Debüt. Sir András Schiff, 1953 in Budapest geboren und an der Franz-Liszt-Musikakademie unter anderem bei György Kurtág ausgebildet, versteht sich als österreich-britischer Pianist und Dirigent ungarischer Herkunft. Neben seiner Tätigkeit als Solist und Dirigent leitet er auch Musikfestivals.

Die Musiker der Cappella Andrea Barca sind in aller Welt tätige Solisten und Kammermusiker, somit an kein Orchester fest gebunden. András Schiff hatte diese Musiker ursprünglich für eine Gesamtaufführung der Klavierkonzerte in den Salzburger Mozartwochen der Jahre 1999 bis 2005 ausgewählt.

Offenbar hatten die Musiker Freude am gemeinsamen Musizieren auf der Grundlage von Sympathie, Verständnis sowie ästhetischer, musikalischer und menschlicher Gleichgestimmtheit gefunden, so dass sie sich auch weiterhin in kammermusikalischer und solistischer Formation präsentieren.

Der „Namenspatron“ des Ensembles Andrea Barca, vermutlich zwischen 1730 und 1735 bei Florenz in einer Bauernfamilie geboren, hatte bei einem Konzert des Wolfgang Amadeus Mozart am 2.April 1770 in der Villa Poggio Imperiale als „Umblätterer“ mitgewirkt. Beeindruckt vom Genius Mozarts war er diesem nach Salzburg gefolgt. Da sich dort für ihn als Musiker kein Erfolg eingestellt hatte, kehrte er nach Italien zurück und war in der Folgezeit als Pianist und Komponist tätig. Sein Hauptwerk, die Oper La Ribolita bruciata gilt derzeit noch immer als Höhepunkt der toskanischen Musikgeschichte. Wann, wo und unter welchen Umständen er verstorben ist, bleibt unbekannt. Es wäre auch denkbar, daß die Namenswahl eine andere Deutung zuläßt: Andrea = András, Barca = Schiff, wonach die obige Historie eine Schalkerei wäre.

Die eingeladenen Musiker werden von Schiff nach dem Repertoire der Konzerte mit Arbeiten von Bach, Mozart, Haydn, Mendelssohn bis Bartok ausgewählt.

Der Beginn des Palastkonzertes am

6. Februar 2019

gehörte dem Klavierkonzert Nr. 15 B-Dur KV 450, das Mozart 1784 vollendet hatte. Mit diesem Konzert ließ Mozart erstmalig Bläser als Melodieninstrument auftreten, so dass gemeinsam mit dem Klavier und den Streichern faszinierende Klangfarben entstehen.

András Schiff, der das Konzert zum Teil den Musikern zugewandt und ansonsten vom Piano aus leitete, darf nach der ersten Orchester- Einleitung mit einer Art Kadenz einsteigen, bevor die Cappella zur konzertanten zweiten Exposition ansetzt. Der Pianist erweist sich als Vollblutmusikant. Sein wunderbarer Anschlag am legendären Bösendorf-Flügel nahmen uns sofort gefangen. Die Darbietung wirkt sympathisch impulsiv und intuitiv inspiriert. Der erste und der dritte Satz wurden heiter und konzertant geboten, der zweite eher poetisch. Gelöste Spielfreude prägte das Finale.

Mozarts viersätzige Symphonie Nr. 39 Es-Dur KV 543 ist die erste der drei Sinfonien, die innerhalb kurzer Zeit vom Juni bis zum August 1788 drei Jahre vor seinem Tode als sein „Schwanengesang“ entstanden waren.

Kulturpalast Dresden / Andras Schiff und die Capella Andrea Barca im Kulturpalast Dresden © Oliver Killig
Kulturpalast Dresden / Andras Schiff und die Capella Andrea Barca im Kulturpalast Dresden © Oliver Killig

Regelrecht majestätisch leitete die Cappella Andrea Barca den ersten Satz Adagio-Allegro ein, als ob etwas Schicksalhaftes im Raum stehe, bis dann der Klangfluss ins angenehm-Lyrische, zum Satzschluss aber in das weitgehend Kräftige und Festliche überging. Schicksalhaft-festlich auch der zweite Satz, bis dann Schiff den dritten Satz etwas schneller dirigierte, um das Finale heiter , verspielt und schalkhaft spielen zu lassen.

Interessant war, welche Klangwirkung die Cappella der nicht in eine Orchesterdisziplin eingezwängten Instrumentalisten erzeugte, wenn letztlich jeder Musiker seine individuellen Klangfärbungen einbringt.

Das abschließende Klavierkonzert Nr. 17 G-Dur KV 453, 1784 für eine Schülerin komponiert, gehört nach meiner Auffassung zum schönsten, originellsten und wahrscheinlich persönlichsten, was Mozart komponiert hat. András Schiff als Solist, leitete das Spiel gleichfalls zum Teil vom Klavier aus. Das Orchester wusste allerdings genau, mit der regelrecht suggestiven Musik umzugehen, so dass sich der Solist auf sein Spiel konzentrieren konnte, wenn es erforderlich war. Aus dem Mittelsatz gestaltete er ein Adagio und wenn das üppig aufspielende Orchester den Frage-Antwort-Komplex hinter sich hatte, war das schon eine eigene Welt.

Mit einer berückenden Bach-Zugabe demonstrierte András Schiff seinen außergewöhnlichen Anschlag und den besonderen Klang des Bösendorfers. Für uns, die wir inzwischen bei Mahler, Bruckner, Schostakowitsch und Wagner …und Eötvös angekommen sind, war dieser Mozart-Abend doch ein Erlebnis.

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