Dresden, Sächsische Staatskapelle, "Lady Inchiquin" mit Bruckner und Mendelssohn, IOCO Kritik, 31.01.2019

Dresden, Sächsische Staatskapelle, "Lady Inchiquin" mit Bruckner und Mendelssohn, IOCO Kritik, 31.01.2019
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Sächsische Staatskapelle Dresden

Dresden / Semperoper im Sonnenschein © Matthias Creutziger
Dresden / Semperoper im Sonnenschein © Matthias Creutziger

"Lady Inchiquin"  - Eine berühmte Stradivari

Frank Peter Zimmermann und die Sächsische Staatskapelle Dresden

von Thomas Thielemann

Der Hobby-Geigenbauer und damalige Violinist der Berliner Philharmoniker Walter Scholefield entdeckte 1978 bei den Geigenhändlern Bein & Fushi in Chicago eine Violine mit einem außergewöhnlich gestalteten Korpus: sie war 1711 in der Werkstatt von Antonio Stradivari gebaut worden. Ob jahrzehntelanger Vernachlässigung waren dem Instrument nur mit extremer Anstrengung Töne zu entlocken. Eigentlich war es akustisch „tot“.

Möglicherweise über Fritz Kreisler war das Instrument gegen Ende des 19. Jahrhunderts nach England in eine Familie Foster gelangt. Deren Tochter Jane heiratete 1900 in eine gälische Familie königlichen Blutes, wurde damit zur Baronin von Inchiquin und so zur Namensgeberin der berühmten Geige; welche seither "Lady Inchiquin" heißt. Nach ihrem Tode im Jahre 1940 wurde die Stradivari zunächst in die Schweiz versteigert, gelangte bis in die späten 1960er Jahre in die berühmten Cho-Ming Sin Sammlung nach Hongkong, bis sie, erneut zurück in die USA, nach Chicago, gegen ein anderes Instrument getauscht wurde.

Semperoper Dresden / Frank Peter Zimmermann und Lady Inchiquin © Harald Hoffmann
Semperoper Dresden / Frank Peter Zimmermann und Lady Inchiquin © Harald Hoffmann

Für $210.000  erworben, hat Scholefield mit einem professionellen Geigenbauer zweieinhalb Jahre an der Restaurierung seines Kaufs gearbeitet, bis die Geige nach Jahren geduldigen Arbeitens und Abwartens vor allem mit der Rekonstruktion des Holzes des Geigengrundkörpers endlich den perfekten Zustand, den dunklen Klang einer Guarani und den hellen einer Stradivari, erreicht hatte. Nach Scholefield Pensionierung kaufte 2001 die Düsseldorfer Bank WestLB AG die Geige und stellte sie Frank Peter Zimmermann zur Verfügung.

Nach einigen Wirrnissen gehört die „Lady Inchiquin“ inzwischen den NRW-Kunstsammlungen „Kunst im Landesbesitz“, so dass Frank Peter Zimmermann die Geige mit ihrem wundervollen Klang im 6. Symphoniekonzert mit Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert e-Moll vorstellen konnte.

Der Solist setzte unmittelbar im zweiten Takt mit dem Hauptthema ein. Alles war einem starken Ausdruckswillen unterworfen. Die Lady Inchiquin klang im Semper-Bau klar, schön und souverän; ein ästhetisches Erlebnis. Zimmermann spielte frisch mit Virtuosität wo nötig und mit Zurückhaltung, wo angebracht. Alles war einem starken Ausdruckswillen unterworfen, eine Interpretation, wie selbstverständlich.

Christian Thielemann ging bei alledem voll mit; ein Spiel wie aus einem Guss. Orchester und Solist erwiesen sich als Verbündete. Tempowechsel der Sologeige wurden vom Orchester sofort aufgenommen. Da waren Künstler am Werk, die das Expressive voll auskosteten und bis ins Letzte darboten.

Dem stürmischen Beifall folgte eine Bach-Zugabe Zimmermanns, eine faszinierende Verbindung von Sensibilität und emotionaler Intensität, sowie eine eindrucksvolle Demonstration der klanglichen Möglichkeiten der Lady.

Semperoper Dresden / Christian Thielemann und Sächsische Staatskapelle © Matthias Creutziger
Semperoper Dresden / Christian Thielemann und Sächsische Staatskapelle © Matthias Creutziger

Als Abrundung seines Bruckner-Zyklus mit den Dresdnern hatte Christian Thielemann die 1877er-Fassung der 2. Symphonie der neuen Edition des William Carragan gewählt. Der Bruckner-Spezialist Carragan (geboren 1937) hatte Bruckners gründliche Überarbeitung von 1877 (in der Überlieferung des Kopisten Franz Hlawaczek) mit Aspekten des Erstdrucks der Partitur von 1892 (incl. Bruckners handschriftlicher Anmerkungen) verglichen. Dabei wurden insbesondere Wiederholungen und Zusatznoten eliminiert, fragwürdige Änderungen in Phrasierung und Dynamik korrigiert, sowie Änderungen von Instrumentierungen auf Bruckner zurückgesetzt. Erstmalig 1997 aufgeführt, wurde die Partitur 2007 in die Bruckner-Gesamtausgabe aufgenommen.

Mit seiner Interpretation der c-Moll-Symphonie gelang Christian Thielemann ein abschließender Höhepunkt seines Bruckner-Zyklus mit der Sächsischen Staatskapelle.

Felix Mendelssohn Bartholdy © IOCO
Felix Mendelssohn Bartholdy © IOCO

Die opulente Streicherbesetzung machte das vom ersten Einsatz deutlich. Neben dem Ideal des gedeckten, dunklen aber immer durchsichtigen Klangbildes der Dresdner erreichte das Gebotene eine prachtvolle Durchsichtigkeit und Klarheit. Die Blechbläser waren hervorragend im Klangbild eingebunden und akzeptierten in jeder Phase die anderen Instrumenten -Gruppen. Im Andante war der lyrisch-hochromantische Charakter der Bruckner-Arbeit besonders betont und bot eine Rückbesinnung auf Mendelssohn. Im Scherzo trieb der Dirigent seine Musiker unter Hockdruck nach vorn und formte damit ein höchst dramatisches Geschehen. Das Finale, flott angegangen, wurde dann geradezu sanft und lieblich, bis nach der großen Drei-Takt- Generalpause der Sturm massiv losbrach. Besonders in den langen Generalpausen lagen die spannungsintensivsten Eindrücke der Darbietung.

Letztlich setzte Christian Thielemann Anton Bruckners Wille auf eine Performance voller Nuancen, voller Kraft und Eloquenz auf eindrucksvolle Weise um.

Fast überflüssig, den gewaltigen Beifall zum Abschluss des Bruckner-Zyklus der Staatskapelle zu erwähnen.

Nach den Dresdner Konzerten gehen das Orchester unter der Leitung Christian Thielemanns sowie seinem Capell-Virtuos Frank Peter Zimmermann mit dem Programm auf eine Tournee nach Wien, in den Musikverein, nach Baden – Baden ins Festspielhaus, nach Frankfurt in die Alte Oper und Hamburg, in die Elbphilharmonie.

---| IOCO Kritik Sächsische Staatskapelle Dresden |---

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