Wuppertaler Bühnen, Premiere Tosca, IOCO Kritik, 05.09.2014
Premiere Tosca von Giacomo Puccini
Mit Puccinis dramatischem Verismo-Reißer Tosca eröffnete die Wuppertaler Oper die neue Spielzeit. Die Inszenierung ist nicht unbedingt ein großer Wurf geworden, aber sie ist eine solide Produktion in allen Bereichen.
Diese Tosca ist nicht nur eine x-beliebige Eröffnungspremiere, sondern ein echter Neuanfang. Das schleichende Ende der Wuppertaler Bühnen begann 2009 mit einer radikalen Schrumpfung, erst beim Schauspiel, dann bei der Oper. Seit dem Ende der Spielzeit 2013/14 gib es kein Ensemble mehr.
Nun versucht man mit einem neuen Konzept aus dem Jammertal herauszukommen, mit neuen Sängern, die wahrscheinlich Stückverträge haben. Alle geplanten Werke werden meist ein halb Dutzend Mal en suite gespielt. Das soll angeblich Kosten sparen. Geplant für diese Spielzeit sind noch Don Giovanni, Parsifal, Salome, Johannespassion und zwei Wiederaufnahmen.
Nach der Tosca, die bis Mitte Oktober gespielt wird, geht es weiter mit Don Giovanni am 8. November.
Für die Tosca hatte man mit Stefano Poda einen “international tätigen Opernregisseur“ verpflichtet. Um die “ästhetische Einheit“ seiner Musiktheater-Arbeiten zu gewährleisten, macht er gleich alles, Inszenierung, Bühnenbild, Kostüme und Licht. Ein richtiger Tausendsassa also.
Dass bei diesen vier Komponenten nicht alles gleich gut oder gleich schlecht sein kann, liegt auf der Hand. War im ersten Akt die Personenregie noch etwas vage mit nervösem Herumgewusel, so war die Personenführung im zweiten und dritten Akt wesentlich schlüssiger.
Das Bühnenbild wird dominiert von der Drehbühne, die stets im Einsatz ist. Seitenbühne und Hintergrundaufbau bleiben gleich. Die Seitenwände der Bühne erinnern mit den Nischen und Grableuchten davor an ein Kolumbarium.
Auf der Drehbühne im ersten Akt suggeriert ein gewaltiges, schräg liegendes Kreuz, flankiert und abgestützt von zwei Stelen, dass man in einer Kirche ist.
Im 2. Akt ist das Kreuz durch einen gewaltigen Schreibtisch ersetzt. Im dritten Akt gibt ein verzweigtes Stahlgestänge (Knast?) Rätsel auf.
Ein wirklich toller Knalleffekt war das Finalbild: Tosca braucht nicht von der Engelsburg in den Tod zu springen. Eine Wand dieses Gemäuers bricht partiell zusammen. Die Vorderwand kippt und erschlägt alle noch handelnden Personen, außer Tosca, die überlebt und im Wabernebel steht wie ihr eigenes Denkmal. Dieses letzte Bild ist ein toller effektvoller Einfall.
Schwarz und wenig Weis dominiert bei den Kostümen. Einfach nur prachtvoll anzusehen waren die Roben der Primadonna Floria Tosca. Ihr purpurfarbener Mantel im 2. und 3. Akt, war der einzige Farbtupfer, der auszumachen war.
Die musikalische Komponente gab wenig Anlass zu Mäkeleien. Ohne Fehl und Tadel war, was aus dem Graben klangvoll tönte.
Thoshiyuki Kamioka war der überlegen disponierende Dirigent (nun auch Opernintendant). Der dramatische Ausdruck und auch der schlagkräftige theatralische Effekt haben bei ihm nichts Gewaltsames, auch nichts Brutales. Die großen Steigerungen entwickelten sich organisch ebenso, wie die lyrischen Ruhepunkte. Das hervorragend disponierte Sinfonieorchester mit seinen homogenen Gruppen, besonders Streicher und Holzbläser, unterstützte ihn dabei vorbildlich.
Die Albanerin Mirjam Tola war die Tosca. Sie hat eine nicht unbedingt schöne, aber angenehme Stimme, höhensicher und sie phrasiert sehr musikalisch. Hervorragend, wie sie einer melodischen Linie auf der Spur bleibt und dabei gleichzeitig nichts an Charakterisierung fehlen lässt. Glaubhaft ihr Spiel.
Mikhail Agafonov (ein russischer Tenor) sang den Maler Cavaradossi robust und gelegentlich klobig. Doch er war in hohem Maße ausdruckstark. Die Mittellage sprach weicher an. Bombig war die Höhe. Darstellerisch konnte er nicht immer überzeugen. Er war mehr verliebter Zufallsrevolutionär als ernsthafter Protestler gegen Willkür und Gewalt.
Die Gewalt ist hier durch den Polizeichef Baron Scarpia vertreten. Mikolaj Zalasinski (ein polnischer Bariton) sang ihn mit großer, kräftiger Stimme, die aber zu brachial eingesetzt wurde. Darstellerisch war er ein brutaler, jähzorniger Macho. Jedwede Dämonie und Gefährlichkeit fehlte.
Sehr erfreulich waren die vier jungen Sänger in den kleineren Rollen. Johannes Grau (Spoletta), Jan Szurgot (Sciaronne), Dieter Goffing (Mesner) und Jochen Bauer (Kerkermeister) gefielen durch ihre jungen Stimmen wie auch durch ihre Spielfreude.
Großer Jubel, Gejohle und Bravostürme nach der Vorstellung. Keine Missfallensäußerung trübte die Freude im gut besuchten Haus.
IOCO / UGK / 05.09.2014