Wuppertal, Wuppertaler Bühnen, Premiere Parsifal, IOCO kritik, 13.03.2015
Premiere Richard Wagner “Parsifal“
13.03.2015
Nach 22 Jahren der Abstinenz gab es mal wieder einen “Parsifal“ an der Wupper, von vielen lang erwartet. Wagners Werke haben hier Tradition. In den letzten Jahrzehnten konnte man hier, außer “Parsifal“, auch “Holländer“, “Lohengrin“, “Tristan und Isolde“, sowie den ganzen “Ring des Nibelungen“ erleben.
Der Regisseur Thilo Reinhardt ging in seiner Inszenierung der Geschichte des Grals, ihrer Hüter und der Heilsbringung sehr locker zu Werke. Er ließ immer Respekt vor dem Stück erkennen, hatte aber eine Abneigung vor allen Weihe-Zeremonien. Einfälle en masse gab es, geradezu eine Bilderflut stürzte auf den betrachtenden Zuhörer ein. Vieles war schlüssig, manches gewöhnungsbedürftig, anderes weniger. Zu seinen weniger guten Einfällen gehörte, die Blumenmädchen als Cheer-Leader zu verkleiden. Aber die Handlung wird nicht gegen den Strich gebürstet. Die Geschichte bleibt erkennbar.
Dazu schuf ihm sein Ausstatter Harald Thor das entsprechende Bühnenbild. Man sah die Turnhalle einer Elite-Schule (oder Internat) mit allen Accessoires. Weder Baskets, Ringe und Barren fehlten, noch Umkleideschränke gab es.
Gurnemanz fungierte als Sport- beziehungsweise als Fechtlehrer, der mit fast militärischem Drill den neuen
Mitgliedern des Gralsordens, dessen Geschichte einbläute. Das Bühnenbild ist in allen drei Akten gleich. Im zweiten Akt kommt noch ein weißer Kubus dazu, in dem Kundry Parsifal zu verführen versucht. Das war eine starke Szene.
Größtenteils ansprechend gerieten die Kostüme, die Katharina Gault kreiert hatte. Obwohl das Outfit der Blumenmädchen gewöhnungsbedürftig war. Orchestral und vokal gab es kaum etwas zu bemängeln. Die Wuppertaler Bühne, die bekanntermaßen über kein eigenes Ensemble mehr verfügt, hatte eine Sängerschar für diese Produktion verpflichtet, die sehenswert, aber besonders hörenswert war.
Thorsten Grümbel gab sein Rollendebüt als Gurnemanz. Sein balsamisch fließender, warmer Bass bewältigte die umfangreiche Partie ganz großartig. Auch ist er ein hervorragender Darsteller. Sehr eindringlich gestaltete er die große Erzählung im 1. Akt.
Thomas Gazheli sang den Amfortas schön und ausdrucksstark zugleich, so musikalisch wie charakteristisch. Er vermied jeglichen wehleidigen Unterton. Er muss körperlich viel leisten in dieser Inszenierung. Er steht es durch. Auch seine Klage hat noch Kraft und Fülle.
Beeindruckend war, und nicht nur durch seine körperliche Größe, der Titurel von Martin Blasius. Sehr intensiv gestaltete Andreas Daum den Klingsor, vokal wie auch darstellerisch.
Eine große Überraschung war der junge Tenor Tilmann Unger in der Titelpartie. Er ist ein schlanker, gutaussehender Mann, kein “holder Knabe“ mehr, der mit einer unglaublichen Natürlichkeit den Naturburschen und späteren Heilsbringer Parsifal spielte.
Noch mehr beeindruckte seine Stimme. Sein baritonal gefärbter Tenor hatte Biss und war ansprechend in allen Registern.
Für eine weitere Überraschung sorgte die Besetzung der Kundry. Sie wurde von Kathrin Göring verkörpert, die derzeit an der Leipziger Oper engagiert ist.
Die Mezzosopranistin beherrschte faszinierend die unerhört delikate und komplizierte Psychologie dieser Rolle. Die Stimme klang in allen Lagen gut.
Im 1. Akt hatte sie Mut zu aufgerauhter Expressivität, um danach im Zaubergarten lockende Weichheit zu entfalten. Ganz außerordentlich schön geriet ihre Herzeleide-Erzählung “Ich sah das Kind an seiner Mutter Brust“.
Die musikalische Leitung hatte Toshiyuki Kamioka. Er nahm die Tempi wesentlich schneller und straffer, als man inzwischen gewohnt ist, wenngleich man beim Vorspiel glaubte, selige “Kna-Zeiten“ brächen wieder an. Doch blieb die Dynamik immer kontrastreich. Kleine Unebenheiten bei den Blechbläsern des Wuppertaler Sinfonieorchesters wurden durch eine lyrische Tonfülle und schillernde Klangfarben wettgemacht. So wurde der 3. Akt zu einem besonders starken Erlebnis. Die Chöre klangen sehr sauber, auch die Soloblumen, die Artikulation war vorbildlich (Einstudierung: Jens Bingert).
Große Beifallsstürme gab es für alle Solisten, den Chor, das Orchester und seinen Dirigenten. Kräftige Buhs musste das Regie-Team einstecken.
IOCO / UGK / 13.03.2015