Wuppertal, Wuppertaler Bühnen, Intendant Kamioka gescheitert, IOCO Aktuell, 22.11.2014
Sanierungsopfer: Toshiyuki Kamioka verläßt Wuppertal
Noch vor zwei Wochen dementierte Kamioka einen angeblichen Streit mit dem Orchester: "Es gibt keinen Streit! - Atmosphärische Störungen kommen immer mal wieder bei der Zusammenarbeit in unserem Bereich vor. Dies wäre sicher kein Grund für mich, meinen Vertrag als Chefdirigent überstürzt auflösen zu wollen".
Es waren keine atmosphärischen Störungen, welche Toshiyuki Kamioka sinnigerweise am Buß- und Bettag 2014, am 19.11.2014, veranlaßten, der Stadt Wuppertal zum Ende der Spielzeit 2015/16 seine Demission bekannt zu geben. Es waren grundsätzliche Anliegen, welche Kamioka und Wuppertal entzweiten. Im Rahmen eines lange geplanten Interview-Termins bedauerte Kamioka gegenüber IOCO am 18.11.2014, keine grundsätzlichen Erklärungen zu seiner Tätigkeit an den Wuppertaler Bühnen abgeben zu wollen. "Er fühle sich der Stadt Wuppertal trotz vieler emotionaler wie operativer Probleme loyal verbunden", so Kamioka. Das Interview mit Intendant Kamioka wird IOCO im Dezember 2014 nachholen und berichten.
Toshiyuki Kamioka führte mit der Spielzeit 2014/15 gegen große Widerstände das Stagione-System in Wuppertal ein. Im Stagione-System werden nur Gastsänger eingesetzt; im Repertoiretheater wird ein festes Stamm-Ensemble beschäftig,. Stagione ist, grob formuliert, kostengünstig wenn auch weniger flexibel als Repertoiretheater.
Die Opern-Spielzeit 2014/15 der Oper Wuppertal begann mit diesem Stagione-System à la Kamioka erfolgreich: Tosca und Don Giovanni Produktionen wurden gut aufgenommen, IOCO berichtete. Toshiyuki Kamioka hatte zudem darum gebeten, in Japan zu konzertieren. Ein übliches Ansinnen erfolgreicher Dirigenten; doch in Wuppertal war dies Ansinnen nicht umsetzbar. Die Ablehnungsgründe sind nur schwer erklärbar.
Immer, auch in der Kultur, ist Sanierung ein raues Geschäft. Sanierung verlangt stabile Strukturen für alle Verantwortlichen. Finanzieller Notstand und Handlungszwänge kämpfen bei Sanierungen mit geliebten Traditionen, verteidigten Eigeninteresses betroffener Mitarbeiter und der oft aggressiven Vielfalt formal wie informell Beteiligter. Die Lobby der Repertoiretheaterfreunde war nicht zu überhören. Kamiokas Wuppertaler Lobby zu klein, ihn stützende formelle Strukturen zu schwach, seine Gegenspieler zu zahlreich. Toshiyuki Kamioka, gefeierter Dirigent, Umsetzer des in Deutschland ungeliebten Stagione-System, gibt in Wuppertal im Herbst 2016 auf. Ein Kultur-Gau: Die Wuppertaler Oper und das sehr teure Sinfonieorchester haben noch schwere Jahre vor sich.
IOCO / Viktor Jarosch / 22.11.2014