Wuppertal, Oper, ALCINA - G. F. Händel, IOCO
ALCINA in Wuppertal: Heute, am 9.3.2024, sehen wir die ALCINA Premiere ALCINA, eine klassische Barockoper von Georg Friedrich Händel. Über 30 Opern hat er in der Zeit von 1705 bis 1745 geschrieben, Alcina gehört eher zu seinen bekannteren Werken.
von Uli Rehwald
Heute, am 9.3.2024, sehen wir die Premiere ALCINA, eine klassische Barockoper von Georg Friedrich Händel. Über 30 Opern hat er in der Zeit von 1705 bis 1745 geschrieben, Alcina gehört eher zu seinen bekannteren Werken.
Kern einer Barockoper ist, dass die Rollen überwiegend mit Frauenstimmen besetzt sind und dabei auch die eigentlichen Männerrollen oft mit einem Sopran oder einem Countertenor besetzt werden. So stehen auch heute den 4 Frauenstimmen (einschließlich des Countertenors) nur 2 Männerstimmen gegenüber. Zudem bestehen die Arien immer auch aus Koloraturen, die durchaus mal länger dauern können. Daher halten einige Opernfreunde solche Barock-Opern für eher gewöhnungsbedürftig. Für die Freunde der Barockoper besteht der Genuss meist darin, ausführliche und differenzierte Emotionen in der Perlenschnur der Koloraturen mitzuerleben.
Alcina gilt als Händels Zauberoper, da die Titelheldin (Alcina) Männer verzaubern kann und es darüber hinaus einige phantastische Elemente gibt. Der Zauber Alcinas beginnt damit, dass sie Männer auf ihre Zauberinsel versetzt. Außerdem bewirkt sie ein Liebeszauber, der dazu führt, dass der Geliebte ihr sicher und treu ergeben ist. Sobald sie jedoch des jeweiligen Liebhabers überdrüssig ist, wirkt sie einen weiteren Zauber, der die verflossenen Liebhaber in Steine oder Tiere verwandelt. Mit diesen verzauberten Unglücklichen ist in der Folge ihre Insel zunehmend bevölkert.
Ruggiero ist das neueste Opfer von Alcina. Bradamante sucht ihren Geliebten Ruggiero (sie waren ein Paar, bevor Alcina ihn verzaubert hat) auf dieser Insel. Ruggiero erhält einen magischen Ring, der den Zauber Alcinas wirkungslos macht und ihn die Wahrheit erkennen lässt. Und das ursprüngliche Paar (Ruggiero und Bradamante) kommen wieder zusammen, Alcina ist ihrer Macht beraubt. Jeder moderne Psychologe hätte seine Freude daran, diesen Stoff in der Tiefe auszudeuten.
Und genau an dieser Ausdeutungsmöglichkeit in der Tiefe setzt Julia Burbach an. Ihre Regie bietet uns heute eine Neuinterpretation jenseits einer traditionellen Inszenierung an.
- Es wird eine neue Rahmenhandlung bereits vor Beginn der Oper eingeführt, in der sich Ruggiero von seiner bisherigen Geliebten (Alcina) wegen Bradamante trennt.
- Um ihren Schmerz zu verarbeiten, erschafft Alcina in ihrer Innenwelt eine imaginäre Insel, auf der dann die normale Händel-Oper stattfindet. Das hat für sie den Vorteil, dass Ruggiero dort ihr ergebener Liebhaber ist.
- Es gibt also leichte Änderungen in der Handlung, die Musik wird jedoch wie im Original vorgesehen (mit einigen Streichungen) gespielt.
- Zusätzlich agieren durchgehend 5 Tänzer zur Ausleuchtung der Emotionen und inneren Vorgänge der Titelheldin.
Die stumme Rahmenhandlung beginnt mit Alcina in einem schlichten Hausflur mit Briefkästen. Sie erhält eine schlechte Nachricht aus dem Briefkasten, offenbar eine Trennung. Die Bühne unterscheidet eine Handlung in der Gegenwart (Rahmenhandlung) und die Illusion der Insel (hier ein barocker Salon). Dort gibt es dann die opulenten Barock-Kostüme. Und die 5 Tänzer, die uns heute einen Mix von Barock, Contemporary Dance und Urban Streetstyle zeigen.
Randall Scotting (als Gast) in der Rolle des Ruggiero ist einer der seltenen, international eingesetzten Countertenöre. Er zeigt sich heute vor allem lyrisch sehr beeindruckend. Es braucht ein wenig Eingewöhnung an die spezielle Stimmlage eines Countertenors, wenn man keine Barockopern gewohnt ist und wenn man eine heldische Stimmlage für die männliche Hauptfigur erwartet. Die Stimme eines Countertenors unterscheidet sich deutlich von der normalen männlichen Gesangsstimme dadurch, dass sie eine durch Brustresonanz verstärkte Kopfstimme ist. Und so ist es möglich, auf der Linie eines Soprans zu singen. Händel hat diese Rolle für einen Countertenor komponiert, was in der damaligen Zeit völlig üblich war.
Die Sopranistin Margaux de Valensart kommt gut und kraftvoll durch die schwierige Rolle der Alcina, meistert die Vielzahl der großen Emotionen. Subin Park zeigt in der Rolle der Morgana beeindruckend ihr großes Können als Koloratursopranistin. Auch die Mezzosopranistin Edith Grossman als Bradamante, Erik Rousi mit seinem profunden Bass als Melisso und der Tenor Sander de Jong als Oronte tragen zu einem gelungenen Abend bei. Und schließlich bringt Dominic Limburg sein Sinfonieorchester Wuppertal (heute in der Form eines kleinen Barockorchesters) sicher durch den Abend.
Die 5 Tänzerinnen und Tänzer (Christian Paul, Narumi Saso, Noah Tepe, Sarah Katharina Becher, Yeva Silenko als Gäste) bleiben fast durchgehend auf der Bühne, mal als Gefolge Alcinas, mal als die Spiegelung ihres Innersten. Es ist beeindruckend zu sehen, wie die 5 Körper der Tänzer und die gesungenen Koloraturen immer wieder zusammenfinden. Und sich gegenseitig erklären.
Freundlicher langanhaltender Applaus für die Sänger und Tänzer, auch mit einigen Bravos. Und dann wartet noch eine schöne Überraschung auf das Publikum: Eine Menge stilecht kostümierten Barockfiguren verabschiedet das Publikum auf ihrem Weg zum Ausgang. Schweigend, aber herzlich winkend. Schön.