Wolfsburg, Scharoun-Theater, Festival Strings Lucerne - Serenade, IOCO Kritik, 29.10.2021

Wolfsburg, Scharoun-Theater, Festival Strings Lucerne - Serenade, IOCO Kritik, 29.10.2021

Theater Wolfsburg

Scharoun Theater Wolfsburg © Stadt Wolfsburg / Lars Landmann
Scharoun Theater Wolfsburg © Stadt Wolfsburg / Lars Landmann

Festival Strings Lucerne - Serenade

Musikalische Zeitreise - von der Renaissance bis zur Romantik

von Christian Biskup

Eine Zeitreise von der Renaissance über das Rokoko bis hin in die Epoche der Romantik bildete den Auftakt zur Konzertsaison im Wolfsburger Scharoun-Theater. Wieder einmal bewies die Theaterleitung ein gutes Händchen für die Auswahl des Gastorchesters, was ja bei einem Tournee-Haus wie Wolfsburg manchmal Glückssache ist. Wer jedoch häufiger den Theaterbau am Klieversberg beehrt, weiß natürlich, welch großes Niveau bei den Konzertabend zu erwarten ist. So auch nicht anders am 10. Oktober 2021. Unter dem Begriff Serenade gastierte das bekannte Streichorchester Festival Strings Lucerne aus Luzern in Wolfsburg: mit Werken von Ottorino Respighi und Peter Tschaikowsky:  Das klingt nicht wie eine Zeitreise?! Abwarten!

Scharoun-Theater Wolfsburg / Festival Strings Lucerne - Kammerorchester © Umglia
Scharoun-Theater Wolfsburg / Festival Strings Lucerne - Kammerorchester © Umglia

Die Festival Strings Lucerne ist ein 1956 gebildetes Kammerorchester, welches im Rahmen des berühmten Schweizer Musikfestivals gegründet wurde. Es gibt wohl kaum bedeutende Virtuosen, die nicht mit dem international aktiven Ensemble gearbeitet haben: James Galway, Arabella Steinbacher, Midori, Mischa Maisky, David Oistrach und viele mehr – die Liste musikalischer Partner*innen liest sich wie das „Who's who“ das Klassikszene. Aktuell steht der australisch-schweizerische Geiger Daniel Dodds als musikalischer Leiter am Konzertmeisterpult dem Orchester vor.

Am Anfang des Programm standen die „Antiche danze ed arie per liuto“ von Ottorino Respighi. Gespielt wurde die dritte Suite, die wohl populärste der Zusammenstellung von „Alten Tänzen und Arien“ aus dem Jahr 1932. Im frühen 20. Jahrhundert bildete sich in Italien eine neue Verehrung alter Meister heraus und auch Ottorino Respighi war von der Begeisterung nicht ausgenommen. Bereits nach dem ersten Weltkrieg suchte der Komponist nach alten Lautenstücken des 16. und 17. Jahrhunderts und bearbeitete diese für eine relativ intime Besetzung. Die erste Sammlung der „Alten Tänzen“ war ein so großer Erfolg, dass er zwei weitere Suiten folgen ließ. Die dritte Suite – ausschließlich für Streicher – war mit ihrem kleinen Format ein einschmeichelnder Konzertauftakt. Schon hier zeigte sich das Festival Strings Lucerne in Bestform. Bereits die ungemein warme Klangfarbe des Orchesters führte das Publikum in südliche Gefilde. Das Motto: „Mit Dirigent*in ist es sicherer, ohne schöner“ gilt für dieses Orchester nicht. Auch ohne taktschlagenden Maestro ist die Präzision bemerkenswert, das Zusammenspiel in all seinen Nuacen ausgefeilt und voll sehnsüchtiger Eleganz. Selbst die Tempowechsel im Finalsatz (basierend auf einer Passacaglia von Lodovico Roncalli) gelangen auf den Punkt.

So fing der Konzertabend erwartungvoll an. Als zweites Werk standen die Rokoko-Variationen A-Dur op. 33 von Peter I. Tschaikowsky auf dem Programm. Obgleich uns der russische Komponist nicht nur fulminante Klavierkonzerte und das Violinkonzert hinterlassen hat, so fehlte doch immer ein Cellokonzert. Dieser Gattung kommen die Rokoko-Variationen jedoch sehr nah, erfordern sie schließlich nicht nur Musikalität, sondern auch so einige technische Raffinessen.

Obgleich man unter dem Begriff „Rokoko“ verschnörkelt-überladene Zierelemente und gepuderte Damen in Ballkleidern erwartet, war für Tschaikowsky scheinbar Mozart das Vorbild für dieses Werk. Und so zeigt sich das 20-minütige Virtuosenstück in heisterster Weise, ohne in eine Kopie des großen Vorbilds zu verfallen.

Scharoun_Theater Wolfsburg / Festival Strings Lucerne hier Raphaela Gromes © Sammy Hart
Scharoun_Theater Wolfsburg / Festival Strings Lucerne hier Raphaela Gromes © Sammy Hart

Als Solistin stand die 1991 geborene Raphaela Gromes auf der Bühne. Nach Studien in Leipzig, München und Wien ist die symphatische Musikerin heute Exklusivkünstlerin bei Sony und erhielt bereits den Opus Klassik für eine gemeinsame Aufnahme mit ihrem ehemaligen Lehrer Wen-Sinn Yang. Ihr Repertoire beinhaltet die großen Solokonzerte für das Cello, zeitgenössische Werke und eben auch die Rokoko-Variationen, die sie dem Wolfsburger Publikum zu Gehör brachte.

Klangschön, voller Eleganz und Verspieltheit geht sie an den Solopart. Es entwickeln sich hörbar (und auch mimisch unterstützte) Konversationen zwischen Orchester und Cello, da fliegen die Finger über das Griffbrett und treiben die Töne in schwindelerregende Höhen. Orchester und Solistin haben sichtbar Freude an der gemeinsamen Aufführung, die sich auch auf das Publikum überträgt. Nach viel Applaus gab es dann noch eine Zugabe: Der Dornröschen-Walzer aus dem gleichnamigen Ballett, bei dem auch Konzertmeister Daniel Dodds solistisch auftrat. Obgleich es mir nicht gelang über das Fehlen des vollen Orchesters hinwegzusehen, setzte die Bearbeitung die beiden Soloinstrumente über den Streicherteppich gut zur Geltung und das Publikum liebt das Stück natürlich auch, sodass Raphaela Gromes mit viel Anerkennung und Beifall belohnt wurde.

Am Ende des Konzerts stand ein Klassiker der Streichorchesterliteratur – die Serenade in C-Dur op. 48. Obgleich im Gestus sehr romantisch veranlagt, ist das Werk laut Tschaikowsky's eigener Aussage eine Hommage an Mozart. 1880 komponiert, ist das Werk aus einer inneren Eingebung des Komponist entstanden. Er schrieb selber an seiner Gönnerin Nadeschda von Meck: „Sie ist vom Gefühl erwärmt und, wie ich hoffe, nicht ohne künstlerische Vorzüge. Wie stets habe ich an den Stellen, die mir am besten gelangen, an Sie gedacht, und ich freute mich bei dem Gedanken, dass sie wohl dieselben Gefühle in ihnen wecken würden, von denen ich erfüllt war.“

Seit seiner Uraufführung im Jahr 1882 wird die Serenade in C-Dur op. 48 als Meisterwerk Tschaikowsky's angesehen. Und auch die Aufführung durch die Festival Strings Lucerne war ein starkes Plädoyer für das Stück. Der himmelsöffnende Anfang und der elegante Walzersatz gelangen reizend klangschön.

Besonders das Finale, teilweise an die vierte Sinfonie gemahnt, mit seinen rasanten Läufen und prägnaten Rhythmen war der ideale Schlusspunkt für ein beglückendes Konzert. Viel Applaus !

---| IOCO Kritik Scharoun Theater Wolfsburg |---

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