Wien, Wiener Staatsoper, Chefdirigent Franz Welser-Möst schmeißt hin, IOCO Aktuell, 05.09.2014
Franz Welser-Möst und die Wiener Untiefen
Die Wiener Staatsoper, weltweit das Flaggschiff aller Musiktheater, formte der kantige Ioan Holender durch unzählige Wiener Untiefen zur heutigen Weltgeltung. Holenders Nachfolger, der verbindlich sanfte Franzose Dominique Meyer, leitet die Staatsoper seit 2011 höchst erfolgreich. Franz Welser-Möst (*1960 in Linz), Beiname „der Anti-Charismatiker“, ist seit 2010 Generalmusikdirektor der Staatsoper. In der Vergangenheit fiel Welser-Möst durch niedrige Präsenz an der Staatsoper auf: Bei der wichtigen Präsentation des Jahres-Spielplanes 2014/15 vor der internationalen Presse fehlte Welser-Möst, in den Jahren zuvor war er kaum wahrnehmbar. Auffällig war allenfalls seine mangelnde verbale Unterstützung des neuen Intendant Dominique Meyer.Nun, am 5. September 2014, hat Franz Welser-Möst seinen sofortigen Rücktritt an der Wiener Staatsoper bekannt gegeben. Der Grund für seinen Rücktritt liege in "Auffassungsunterschieden in künstlerischen Belangen", erklärte der Welser-Möst nach Angaben der Nachrichtenagentur APA. Details der Auffassungsunterschiede, welche Welser-Möst zu der drastischen, fristlosen Niederlegung seines Amts als Generalmusikdirektor nötigten, nannte Welser-Möst nicht. So bleibt zu vermuten, dass der "Auffassungsunterschied" allein in persönlichen Animositäten liegt.
Folgerichtig und mit wienernder Korrektheit erklärte Welser-Möst gegenüber APA: "Dominique Meyer ist als Direktor die Nummer eins. Er ist ein sehr netter Mensch und hat in künstlerischen Dingen andere Meinungen. Das steht ihm auch zu. Aber dann muss ich die Konsequenzen ziehen". Sein Entschluss sei nicht ad hoc gefasst worden, sondern langsam gereift. "Ich habe den Direktor dann heute Früh um 10 Uhr persönlich davon informiert und ihm auch mein Rücktrittsschreiben überreicht. Er hat gefasst und ruhig reagiert. Er hat nichts gesagt", so Welser-Möst. Warum auch; Dominique Meyer war vorab in einem Brief informiert worden.
Von 279 Vorstellungen des Spielpanes 2014/15 der Wiener Staatsoper dirigiert Welser-Möst gerade einmal 34. Weniger Dirigate leitet kein andrer GMD der Welt an seinem angestammten Musiktheater. So werden schon in der laufenden Spielzeit mindest gleichwertige Dirigenten Welser-Möst an der Staatsoper schnell vergessen machen: Christian Thielemann, Simon Rattle, Ingo Metzmacher, Kirill Petrenko, Peter Schneider, Christoph Eschenbach. Das von Franz Welser-Möst dirigierte Neujahrskonzert aus dem Jahre 2011 ist wegen seiner frappierenden Flachheit noch gut in schlechter Erinnerung.Der aus Linz stammende Welser-Möst hatte 1985 sein Debüt als Dirigent bei den Salzburger Festspielen. 1990 bis 1996 wurde Welser-Möst Musikdirektor des London Philharmonic Orchestra; von der dortigen lokalen Presse allerdings oft heftig angefeindet. Alexander Pereira holte ihn bis 2008 an das Opernhaus Zürich, zerstritt sich 2013 ebenfalls lautstark mit ihm über Konzerte bei den Salzburger Festspielen.