Wien, Volksoper Wien, Wonderful Town - Leonard Bernstein, IOCO Kritik, 22.01.2019
Wonderful Town - Musical - Leonard Bernstein
- Zwei Schwestern aus Ohio erobern New York -
von Marcus Haimerl
Die Wiener Volksoper würdigte den Ausnahmekünstler Leonard Bernstein anlässlich seines 100. Geburtstags mit seinem klassischen Broadway-Musical Wonderful Town, welches bereits drei Jahre nach der Uraufführung 1953, am 9. November 1956, seine deutsche Erstaufführung an der Volksoper feierte. Wie bereits in seinem ersten New York-Musical On The Town stammen die Gesangstexte für Wonderful Town ebenfalls von Betty Comden und Adolph Green nach dem Bühnenstück My Sister Eileen von Joseph Fields und Jerome Chodorov, das bereits 1942 mit Rosalind Russell als Ruth Sherwood, die diese Rolle auch in der Uraufführung übernahm, verfilmt wurde.
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Bernsteins Liebeserklärung an die Stadt New York spielt im Sommer des Jahres 1935 im Stadteil Greenwich Village. Ein Stadtführer zeigt Touristen die Sehenswürdigkeiten des Viertels. Unter all den Menschen, die täglich in die Stadt strömen, befinden sich auch die Schwestern Ruth und Eileen Sherwood aus Ohio. Sie beziehen ein schäbiges Souterrain-Zimmer des Malers Appopolous. Die beiden ziehen los auf der Suche nach Erfolg. Eileen, die blonde Sirene, die sich ihrer Wirkung auf Männer gar nicht bewusst ist, will Schauspielerin werden.
Jazz - Swing - Ragtime - Conga-Rhythmen durchdringen die Volksoper
Ihre Schwester Ruth, weniger schön, dafür intellektuell, möchte Autorin werden. Nach unzähligen Vorstellungsgesprächen landet sie beim Redakteur Robert Baker, der sich über ihre Kurzgeschichten lustig macht und ihr rät, in die Provinz heimzukehren. Auch Eileens Versuche sind nicht von Erfolg gekrönt, doch lernt sie den Filialleiter des benachbarten Drugstores, Frank Lippencott, kennen, der sich der mittellosen Kundin sofort erbarmt. Robert Baker erscheint auf der Suche nach Ruth in der, von den Sprengungen für die U-Bahn erschütterten, Behausung der beiden Schwestern. Eileen lädt ihn zum Bleiben ein, ohne daran zu denken, dass sie bereits Frank eingeladen hat. Von Eileens Anblick angezogen, hat sich auch der Zeitungsmacher Chick Clark gleich selbst eingeladen.
Der Abend wird zum Desaster. Bob und Frank verschwinden und um Eileen für sich zu haben, täuscht Chick einen Anruf für Ruth vor: sie soll Interviews mit den Kadetten eines brasilianischen Militärschiffs machen, welches gerade in Brooklyn festgemacht hat. Doch die Kadetten haben nur eines im Sinn: Tanzen! Sie verfolgen Ruth durch die ganze Stadt, erst Eileen kann sie ablenken. Im entstandenen Conga-Chaos wird sie jedoch wegen Unruhestiftung verhaftet. Aber ihre Wirkung macht auch vor der Polizei nicht Halt, sie bezaubert das ganze Revier – alle Polizisten tanzen nach ihrer Pfeife. Ruth gelingt es Eileen freizubekommen und nimmt einen Job an, bei dem sie eine Werbetafel für den Nachtclub Village Vortex durch die Straßen des Viertels trägt. Doch schließlich wendet sich das Schicksal: Chicks Zeitung bringt Ruths Kadetten-Story mit der Schlagzeile „Blonde Sexbombe versenkt brasilianische Kriegsmarine“ heraus. Ruth hat einen Job und Eileen wird zum Kassenmagnet. Das Village Vortex lädt sie zum Vorsingen ein und gemeinsam singen die beiden Schwestern ein altes Lieblingslied der Familie, den „Rag mit dem falschen Ton“. Eileen wird engagiert und Ruth und Robert werden ein Paar.
Die aktuelle Produktion an der Wiener Volksoper wurde mit der Dresdner Staatsoperette koproduziert. Die Geschichte um die beiden Schwestern aus Ohio setzte der deutsche Regisseur Matthias Davids schwungvoll und temporeich im Bühnenbild von Matthias Fischer-Dieskau in Szene. Wenige Versatzstücke ermöglichen einen rasanten Umbau zwischen Straße, Appartement, Hafen, Polizeiwache oder Nachtclub. Die klassischen Kostüme, die das Flair der 30er Jahre vermitteln, entwickelte Judith Peter.
Am Pult des Orchesters der Volksoper Wien sorgt Dirigent James Holmes nicht nur für den entsprechenden Schwung, sondern auch für die notwendige Portion Gefühl mit all den Jazz-Klängen, Swing, Ragtime oder Conga-Klängen, die die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts heraufbeschwören. Zur erstklassigen Besetzung gehören auch die beiden Protagonistinnen der Dresdner Produktion. Allen voran brilliert Sarah Schütz als angehende Journalistin Ruth Sherwood, die nicht nur mit ihrem gewaltigen Mezzosopran, sondern auch mit ihrer großartigen Darstellung für viele Lacher sorgt. Auch Olivia Delauré verkörperte schon in Dresden ihre Schwester Eileen. Das blonde Gift schafft es allen Männern den Kopf zu verdrehen. Beiden gelingt eine sowohl musikalische als auch darstellerische Glanzleistung. Als Redakteur und Zeitungsherausgeber Robert Baker, der am Ende die Journalistin und Autorin Ruth in seine Arme schließen darf, brilliert der Musicaldarsteller Drew Sarich, der an der Volksoper schon in „Die fünfte Jahreszeit“ als Antonio Vivaldi Erfolge feierte.
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Genauso hervorragend besetzt sind aber auch die anderen Partien: Marcus Günzel als der bügelnde Footballspieler „The Wreck“ Loomis oder Juliette Khalil als seine Verlobte Helen sorgen für exzellente Unterhaltung. Christian Graf, einer der wandlungsfähigsten Ensemblemitglieder der Wiener Volksoper, glänzt gleich in zwei Rollen: als schmieriger Journalist Chick Clark und als Trent Farraday. Oliver Liebl überzeugt das Publikum als Filialleiter des Drugstores Frank Lippencott, als Fremdenführer durch die Christopher Street und Redakteur. Christian Dolezal als Maler (und Vermieter) Appopolous und Regula Rosin als Helens Mutter, Mrs. Wade, sorgen ebenso für Unterhaltung im schillernden Schmelztiegel New Yorks wie Ines Hengl-Pirker als schrille Violet und Alexander Pinderak, der mit schönem, großen Tenor als irischer Wachtmeister Lonigan und Randolph Rexford zu erleben sind.
Mit dieser Neuproduktion konnte die Wiener Volksoper nicht nur erneut beweisen, wie geeignet das Haus für das klassische Musical ist, sondern auch dass seitens des Publikums für diese Form des Musicals immer noch großes Interesse besteht, wie der gerechtfertigte Jubel im ausverkauften Haus am Ende zeigte.
Wonderful Town an der Volksoper Wien; die weiteren Vorstellungen 21.2.; 26.2.; 1.3.; 3.3.; 7.3.; 11.3.2019
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