Wien, Volksoper Wien, Der Zauberer von Oz - Lyman Frank Baum, IOCO Kritik, 05.02.2020
Der Zauberer von Oz - Lyman Frank Baum
- Ein Klassiker in Wien - In der Volksoper, als Flash Mob, in Schulen -
von Marcus Haimerl
Das Kinderbuch Der Zauberer von Oz von Lyman Frank Baum stammt aus dem Jahr 1900, internationalen Ruhm erlangte die Geschichte erst mit der Verfilmung aus dem Jahr 1939 mit der damals 16-jährigen Judy Garland. Der Film fügte einige entscheidende Details hinzu, die noch heute untrennbar mit der Geschichte des Zauberers von Oz in Verbindung gebracht werden. So wurden aus den silbernen Schuhen der Buchvorlage – dem damals brandneuen Technicolor-Verfahrens geschuldet- die berühmten roten Schuhe (ruby slippers). Aber auch die im Buch sehr kurz gehaltene Vorgeschichte in Kansas wurde im Film ausgebaut und die handelnden Personen finden sich in einer anderen Rolle auch im Land Oz wieder.
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Die Songs von Harold Arlen, darunter der wohl größte Hit des Films „Somewhere over the rainbow“ und die Hintergrundmusik von Herbert Stothart bildeten auch die Grundlage für die an der Volksoper Wien gespielte Fassung, welche von John Kane 1987 für die Royal Shakespeare Company adaptiert wurde und auch um die im Film gestrichene Jitterbug-Szene, an der immerhin drei Wochen gedreht wurde, ergänzt.
Die beinahe filmhafte Umsetzung des Musicals an der Volksoper Wien entspricht auch der Handlung des Films. Mitten in Kansas hat die junge Dorothy Gale Schwierigkeiten. Die gemeine Miss Gulch hat es auf Dorothys Hund abgesehen, da sie in diesem eine Bedrohung sieht. Dorothy läuft davon und trifft auf den Wahrsager Professor Marvel, der ihr weismacht, ihre Tante sei schwerkrank. Dorothy läuft nach Hause, aber es zieht ein Wirbelsturm auf, sie kann aber nicht mehr rechtzeitig Schutz im Erdkeller finden. Sie flüchtet ins Farmhaus, das vom Sturm in das zauberhafte Land Oz getragen wird, in Munchkin City auf der bösen Hexe des Ostens landet und diese zerquetscht. Von der Tyrannin befreit, wird sie von den Munchkins als Heldin gefeiert. Die böse Hexe des Westens erscheint und möchte die roten Schuhe ihrer Schwester, die sich plötzlich an den Füssen von Dorothy befinden. Die gute Hexe Glinda schickt Dorothy in die Smaragdstadt zum Zauberer von Oz, dieser könne ihr sagen, wie sie wieder nach Hause findet. Gemeinsam mit Toto macht sich Dorothy auf dem Goldziegelweg auf in die Smaragdstadt.
Auf ihrem Weg schließt sie Freundschaft mit der Vogelscheuche, die sich einen Verstand und dem Blechmann, der sich ein Herz wünscht, sowie auf den Löwen, der nichts anderes als Mut will. Die vier Freunde überwinden die Hindernisse, die die Hexe des Westens ihnen in den Weg legt und sie gelangen in die Smaragdstadt. Als sie schließlich zum Zauberer vorgelassen werden, eröffnet ihnen dieser, die Wünsche zu erfüllen, wenn sie ihm den Besen der bösen Hexe des Westens bringen.
Auf ihrem Weg in den Westen erwarten die Freunde wieder Prüfungen, denn die Hexe schickt alle, die unter ihrem Kommando stehen aus, um Dorothy und ihre Gefährten aufzuhalten. Neben ihren fliegenden Affen und dem versklavten Volk der Winkies schickt die Hexe auch die Jitterbugs. Wird man von diesen Käfern gebissen, muss man bis zur Erschöpfung tanzen. Dorothy und Toto werden von den fliegenden Affen schließlich zum Schloss der Westhexe gebracht, doch gelingt es ihr nicht die roten Schuhe an sich zu reißen. Auch Vogelscheuche, Blechmann und Löwe haben es, mit Uniformen der Winkie-Armee verkleidet, geschafft ins Schloss zu gelangen. Als die Hexe die Vogelscheuche mit Feuer bedroht, übergießt Dorothy sie mit Wasser. Die Hexe schmilzt und ist tot. Zurück in der Smaragdstadt müssen die Freunde erkennen, dass der Zauberer nur ein normaler Mann ist und sein Zauber nur Illusion. Aber sie erfahren von ihm, dass sie das, was sie sich wünschen, bereits in sich tragen. Als äußeres Zeichen ihrer Attribute erhalten die Vogelscheuche ein Diplom für seine Klugheit, der Löwe einen Orden für seine Tapferkeit und der Blechmann einen Preis für seine Nächstenliebe. Glinda schließlich zeigt Dorothy, dass sie jederzeit aus eigener Kraft nach Hause zurückkehren kann. Schließlich ist es nirgends so schön wie zu Hause.
Regisseur Henry Masons filmische Umsetzung des Musicals wird vor allem im ersten Teil von großen Postkarten (Bühne und Kostüme: Jan Meier) dominiert. Nicht nur das Musical aus den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts ist nostalgisch, sondern auch die Postkarten sind ein Objekt der Nostalgie und stehen für das Spannungsfeld zwischen Fern- und Heimweh. Für Dorothys Wunsch nach dem Land hinter dem Regenbogen, ebenso wie den Wunsch nach Hause zurückzukehren. Dazu sagt Henry Mason: „Der Schlusssatz ‚Es ist nirgends so schön wie zu Hause‘ bedeutet vielleicht, dass Dorothys Zuhause das vorher sehr grau ausgesehen hat, nun keine Grenze mehr hat, an der die Welt für sie aufhört. Es ist vielmehr ein Ort, an dem sie auftanken kann, um wieder wegzugehen. Dorothy lernt, wo ihre Wurzeln sind, und kann das, was sie vorher als Enge erlebt hat, nun als Liebe erfahren.“ Die erwähnten Postkarten dienen auf der Bühne als eindimensionale Kulisse, um die sich die Handlung farbenreich entwickelt.
Wolfram-Maria Märtig am Pult des Orchesters der Wiener Volksoper sorgt mit viel Schwung für einen hervorragenden und mitreißenden Hollywood Sound.
Mit Juliette Khalil ist die Rolle der Dorothy Gale ideal besetzt und sie begeistert nicht nur gesanglich mit ihrem Hit „Somewhere over the rainbow“, sondern vielmehr auch mit der intensiven schauspielerischen Gestaltung. Erstklassig besetzt sind aber auch ihre drei Freunde. Als Vogelscheuche auf der Suche nach Verstand (und als Farmarbeiter Hunk) erlebt man Peter Lesiak, der vor allem durch seine Darstellung und seinen akrobatischen Körpereinsatz zu überzeugen weiß. Oliver Liebl berührt als einfühlsamer Blechmann (sowie als Farmarbeiter Zeke). Eine sensationelle Leistung erlebt man von Christian Graf, der all sein Können in die Rolle der bösen Hexe des Westens (und Almira Gulch) wirft. Aber anders als Margaret Hamilton in der Musicalverfilmung bringt Christian Graf ausreichend Humor in die Partie ein und verhilft der Hexe damit auch zu einigen Sympathiewerten des Publikums. Mit verlässlich guter Leistung in Gesang und Darstellung gestaltet Regula Rosin die Rolle der Glinda, der guten Hexe des Nordens und Dorothys Tante Em. Als Onkel Henry und Wächter in der Smaragdstadt überzeugt Wolfgang Gratschmaier, ebenso wie Boris Eder in der Partie des Professor Marvel und des Zauberer von Oz.
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Eine besondere Darbietung auch von Rafael Schuchter der der Puppe von Dorothys Hund, Toto, meist in der Hocke verweilend, Leben einhaucht. Besonderes Lob muss hier auch an den Kinderchor und den Jugendchor der Volksoper Wien gehen, die hier als kleines Volk der Munchkins ganz Großes leisten und dem Wiener Staatsballett, die hier einen wunderbaren Tanz zwischen Mohnblumen und Schneeflocken aufs Parkett legen und damit die Szene im Mohnblumenfeld optisch auf besondere Weise gestalten.
Obwohl die Premiere bereits am 6. Dezember 2014 stattfand, ist das Haus nach mehr als 60 Vorstellungen immer noch restlos ausverkauft. Mit diesem Musical verfügt die Volksoper über eine Erfolgsproduktion, die hoffentlich noch viele Jahre Jung und Alt erfreuen wird.
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