Wien, Volksoper, Gypsy - Musical von Jule Stynes, IOCO Kritik, 15.09.2017
Gypsy - Musical von Jule Stynes
Von Marcus Haimerl
Jule Stynes Musical Gypsy, 1959 nach den Memoiren der Burlesque-Künstlerin Gypsy Rose Lee uraufgeführt, erzählt vielmehr die Geschichte ihrer Mutter Rose Hovick, die vom großen Erfolg träumt und diesen mit Hilfe des Talents ihrer beiden Töchter zu erreichen hofft. Kinder-Talentshows und Vorsingen in Vaudeville-Theatern stehen an der Tagesordnung, denn Mama Rose lässt nichts unversucht, um aus beiden Kindern Stars zu machen und diese auf die Bühne und ins Rampenlicht zu bringen.
Jenes Rampenlicht, in dem Rose selbst gerne stehen würde und in welches sie sich auch immer wieder drängt um Musikern, Beleuchtern und Theaterdirektoren zu schmeicheln oder um ihnen Anweisungen zu geben. Als Erste flieht die jüngere Tochter June vor der Übermutter. Sie heiratet heimlich und macht unter dem Namen June Hovac Karriere als Schauspielerin in Hollywood und am Broadway. Letztendlich wendet sich auch Louise, die ältere Schwester, von der Mutter ab und wird zur titelgebenden Burlesque-Tänzerin Gypsy Rose Lee.
Bereits der Auftrittsapplaus verrät den eigentlichen Star des Abends: Maria Happel als Rose. Diese Partie fordert neben musikalischem Können auch exzellentes Schauspiel. Inklusive einer gehörigen Portion Humor bringt Maria Happel all diese Voraussetzungen mit und brilliert als entschlossene Mutter mit einer gehörigen Portion Durchsetzungsvermögen. Aber auch Verletzlichkeit und Verzweiflung lässt sie in ihrer Darstellung immer wieder aufblitzen und läuft auch gesanglich immer wieder zur Höchstform auf.
Ebenfalls hervorragend besetzt sind die Nebenrollen. Toni Slama als Agent, Fast-Ehemann und Ersatzvater ist berührend in seiner fast schon verzweifelten Liebe zu Rose, die ihres Ehrgeizes wegen kein Happy End finden kann. Die Volksopern-Debütantin Lisa Habermann in der Rolle der Louise und späteren Gypsy Rose Lee konnte mit der Entwicklung von der vernachlässigten, burschikosen Tochter zur selbstbestimmten, femininen Striptease-Tänzerin genauso nachhaltig überzeugen wie Marianne Curn in ihrer Rolle als Baby June. Auch die Kinderdarsteller der beiden Schwestern, Livia Ernst und Katharina Kemp, leisteten Beachtliches. Eine großartige Leistung auch von Peter Lesiak als Tulsa, der zusätzlich mit einer Stepp-Einlage das Publikum begeisterte. Als herrlich komischer Burlesque-Star Tessie Tura im rosa Ballettröckchen zog Christian Graf, ab Saison 2017/18 festes Ensemblemitglied der Wiener Volksoper, alle Register seines Könnens und sorgte auch für einige Lacher.
Lorenz C. Aichner am Pult, lief mit dem Volksopernorchester zu wahrer Höchstform auf und lieferte erstklassige Broadwayklänge.
Werner Sobotka setzte mit seinem Team (Bühnenbild Stephan Prattes, Kostüme, Elisabeth Gresel) das Musical klug in Szene. Was eignet sich besser als überdimensionale, nostalgische Kisten und Koffer als Kulisse für eine Familie, die ständig unterwegs ist. Diese ermöglichen einen schnellen Kulissenwechsel und da wird schon mal aus einer Kiste ein China-Restaurant oder ein Büro und aus einem Koffer im Stile Louis Vuittons die Luxusgarderobe der berühmt gewordenen Gypsy Lee Rose.
Auch wenn trotz Kürzungen vereinzelt Längen zu spüren waren, dankte das Publikum mit ausgiebigem Jubel den Protagonisten und die Volksoper hat mit Gypsy einen neuen Publikums-Hit in ihrem Repertoire.
Musical Gypsy: Premiere 10. September 2017, weitere Vorstellungen am 12., 14., 17., 23., 25., 28. September, 1., 4., 9., 12., 17., 19., 28. Oktober,, 4., 11., 12. November 2017