Wien, Theater an der Wien, Vor 108 Jahren: Uraufführung Die lustige Witwe, 30.12.2013, IOCO Aktuell
Wien, die große Opernmetropole besitzt seit langem drei bedeutende Musiktheater: Die Wiener Staatsoper, die Volksoper und das Theater an der Wien. Jedes Haus verfolgt augenfällig und erfolgreich eigene Schwerpunkte.
Erst recht wenn es um einen inspirierenden Klassiker geht: Die lustige Witwe von Franz Léhar (1870 - 1948). Inbegriff der guten alten und seit unendlichen Zeiten totgesagten Operette. Einen Erfolg der Lustigen Witwe erwarteten am 30. Dezember 1905 die Väter der Uraufführung nicht, die Direktoren des Theater an der Wien, Wallner und Karcak: `Dös ist ka Musik´ erklärten sie zu Lehar´s Stück, um es dann über 400 Mal zu spielen. 20.000 Aufführungen von der Uraufführung in 1905 bis 1909, 300.000 bis zu Léhars Tod 1948 und geschätzte 750.000 Aufführungen bis 2013 sprechen deutlicher als alle Experten.
Auf der Suche nach der Euphorie, welche die Operette vor 108 Jahren auslöste, als sie zur `Enthüllung des Triebhaften´ mutierte, schrieb damals Felix Salten, Verfasser der pornographischen Memoiren der Josephine Mutzenbacher: "Lehár´s Musik ist wie erfüllt von geschlechtlicher Wollust". IOCO suchte, fand, genoss 2009 in der Volksoper Wien.
Adolf Hitler wie Joseph Goebbels schätzten Franz Léhar, dessen jüdische Frau zur "Ehrenarierin" erklärt wurde. Hitler, eher Fan der großen klassischen Oper, war von der Lustiger Witwe, begeistert: Der Geschichte um den Grafen Danilo Danilowitsch, der aus hierarchischen Gründen seine große Liebe Hanna, ein einfaches Mädchen vom Land, nicht heiraten durfte. Während Danilo darüber seine Trauer bei Grisetten vertreibt, leichtlebigen Frauen der französischen Unterschicht, heiratet Hanna den vermögenden Bankier Glawari, der - welch ein Pech aber auch - noch in der Hochzeitsnacht stirbt. Auf dem Ball der pontevedrinischen Botschaft treffen Danilo und Hanna Glawari wieder aufeinander......
Hitlers Sympathie für Franz Léhar und dessen Lustige Witwe hinderte ihn nicht, den Uraufführungs - Danilo Louis Treumann 1943 im KZ Theresienstadt umzubringen. Die Partie des Danilo sorgte im Dritten Reich auch für den künstlerischen Durchbruch von Johannes Heesters, welcher noch mit 106 Jahren sang: "Heut geh ich ins Maxim, dort bin ich ganz intim, ich duze alle Damen, ruf sie beim Kosenamen". Die legendäre Wiener Soubrettensängerin Mizzi Günther hatte mehr Glück: Sie sang die Hanna Glawari nicht nur heute vor 108 Jahren; über 1.000 Hanna-Auftritte festigten ihren Ruf als Operettenstar.
IOCO berichtet heute, 2013, von einer Lustigen Witwe, welche 2009 in der Volksoper Wien, gespielt wurde, eine Inszenierung aus dem Jahr 2005, Regie und Bühnenbild nach Daniel Dollé.
"Das Bühnenbild: Ob schwelgender Festsaal oder in erotisiertes Rot getauchtes Grisettenlokal Maxim: Ohne verkrampfte Bezüge zur Moderne. Stilecht. Ornamente, Kostümorgien, Blendwerk, dem Schein verpflichtet, augenzwinckernder Kitsch. Man konnte glauben, die gesamte, etwas plüschige Volksoper sei Kulisse dieser Operette. Alles paßte zusammen.
Opern leben nicht durch Premieren. Vorstellungen gewinnen regelmäßig mit ihrem Premierenabstand. Durch die Kraft des Ensembles und gewachsener Distanz zum Regisseur. In unserer Aufführung waren von der ursprünglichen Besetzung nur noch Daniel Strasser (Cascada), Lidia Peski (Sylviane) und Raimund-Maria Natiesta (Pritschitsch) übrig geblieben.
Und so waren wir neugierig auf Josef Luftensteiner als Baron Zirko Meta, Martina Dorak als Valencienne, Edith Lienbacher als Hanna Glawari und Mathias Hausmann als Graf Danilo. Um es direkt zu sagen: Mathias Hausmann als Danilo war stimmlich überragend, in Höhe, Mittellage und Tiefe ausgewogen, sicher.
Martina Dorak als Valencienne beherrschte ihre Partie, überzeugte allerdings unendlich mit ihren verruchten Tanzeinlagen im mitreissend inszenierten 3. Akt. Gerhard Ernst als Njegus, schließlich, wirkte wie komödiantisches Urgestein aus der Schule Otto Schenks kommend. Walzern folgen Tänze, Kanzonetten folgen slawischer Mazurka folgt pariserischer Valse Lente folgt Kantilene folgt folgt..................
Beifall über Beifall, für die Darsteller natürlich mit Mathias Hausmann, dem Tänzerensemble, Martina Dorak an der Spitze. Und wir beendeten die orgiastische Musik- und Tanzekstase voller Begeisterung in einem benachbarten Restaurant. Und empfehlen diese Inszenierung vier Jahre nach ihrer Premiere allen Hedonisten und Orgiasten zum baldigen Verzehr."
War dies die 753.421ste oder die 752.364ste Aufführung der Lustigen Witwe von Franz Léhar? Wir wissen es nicht. Doch wissen wir: Am 30. Dezember 1905, heute vor 108 Jahren hatte diese Operette ihre Uraufführung im Theater an der Wien. Gratulation. IOCO / Viktor Jarosch/ 30.12.2013