Wien, Theater an der Wien, A Midsummer Night’s Dream - Benjamin Britten, IOCO Kritik, 07.05.2018
A Midsummer Night’s Dream - Benjamin Britten
Puck - Der Außenseiter an der Schule - Er allein kann seine Gefährten sehen
Von Marcus Haimerl
Eine völlig neue Sichtweise auf Benjamin Brittens 1960 beim Aldeburgh Festival uraufgeführter Oper A Midsummer Night’s Dream zeigt Regisseur Damiano Michieletto im Theater an der Wien. Die zentrale Frage seiner Regiearbeit war der Grund für das Verhalten von Puck, warum dieser frech ist und stets auf neue Streiche sinnt.
Die Lösung führt Michieletto nicht nach Athen, sondern in ein Internat („Athen könnte der Name der Schule sein“, so der Regisseur) und statt des Waldes landen die jugendlichen Liebespaare im Turnsaal (Foto unten).
Puck ist Außenseiter an der Schule, hat aber Gefährten, die nur er sehen kann. In eben dieser Welt dient Puck dem Elfenkönig Oberon. Puck soll Zauberblumen besorgen, dessen Pollen in den Augen eines Schlafenden gestreut, diesen in die erste Person verliebt macht, die er erblickt. Damit soll Oberons Gattin Tytania ein Streich gespielt werden.
Lysander und Hermia sind ineinander verliebt und wollen die Nacht in der Schule verbringen, sie planen durchzubrennen. Aber auch Demetrius und Helena sind noch heimlich in der Schule geblieben. Und auch Demetrius ist in Hermia verliebt. Helene wiederum ist in Demetrius verliebt und verfolgt ihn, trotz Abweisung, mit ihrer Liebe. Oberon beobachtet die beiden und gibt Puck auch die Anweisung Demetrius zu suchen und diesen mit Pollenstaub zu bestreuen um ihn in Helena verliebt zu machen.
Doch auch andere Jugendliche verbringen die Nacht in der Schule: Quince, Flute, Starveling, Snout, Snug und Bottom. Diese proben für eine Theateraufführung, die antike Liebestragödie Pryamus und Thisbe.
Zwischenzeitlich findet Puck den schlafenden Lysander und hält diesen für den Gesuchten. Er bestreut ihn mit Blütenstaub und der erwachende Lysander verliebt sich in die vorbeikommende Helena. Währenddessen wurde auch Tytania von ihrem Elfenhofstaat in den Schlaf gesungen und Oberon verabreicht ihr ebenfalls den Zauberblumenstaub.
Die jungen Leute (Foto) proben mittlerweile lautstark das Stück und Puck ist verärgert darüber, dass Tytania erwachen könnte. Er verwandelt Bottom in einen riesigen Monsteresel, in den sich die erwachende Tytania verliebt. Das Chaos ist perfekt und die Problemlösung Pucks, er verpasst nun auch Demetrius den Zauberstaub, führt zu noch mehr Chaos.
Am Morgen lässt nun Oberon den Esel verschwinden und erlöst auch Tytania vom Zauber. Auch von den jungen Liebespaaren löst sich der Zauber, alle erinnern sich an die nächtlichen Liebeswechsel. Auch Bottom hat seltsame Erinnerung an amouröse Abenteuer im Eselsfell.
Auch vor den Lehrern Theseus und Hyppolyta ist das nächtliche Treiben nicht unentdeckt geblieben, dennoch fällt die Strafe milde aus und die Paare dürfen zusammenbleiben. Nun beginnt auch die Liebestragödie Pryamus und Thisbe der auch Puck zusieht. Beim Tod des Liebespaares erinnert sich Puck plötzlich an den Unfalltod seiner Eltern und erkennt, dass Oberon und Tytania nur Imaginationen seiner Eltern sind. Er begreift nun deren Tod und als er einschläft entlassen ihn Oberon und Tytania aus der Elfenwelt: er soll sich wieder dem Leben zuwenden.
Das Trauma des jungen Puck - Mittelpunkt der Regie
Im Mittelpunk stellt Michieletto also dieses Trauma des jungen Pucks, der sich seine Elfenhaftigkeit selbst kreiert hat. Schrittweise führt der Regisseur das Publikum an die Lösung heran. Immer wieder werden kurze Filme eingespielt: die Familie beim Frühstück, bei der Autofahrt und schließlich die verunfallten Eltern, die Puck die Wahrheit vor Augen führen. Auch wird in diesen kurzen Filmen klar, wie Bottom zu eben jenem Esel wurde. Dieser Esel war ein Kuscheltier, welches die Eltern Puck geschenkt hatten.
Das Bühnenbild von Paolo Fantin zeigt eine Schulaula mit einer Theaterbühne, welche in den hinteren Bühnenraum geschoben den Turnsaal zeigt. Neonfarben bestimmen die Verwicklungen dieser Sommernacht, orange der Zauberstaub der Blumen, grün die Leuchtröhren die in den Turnsaal hängend, den Wald ersetzen und neonfarben auch die Masken, welche in der Elfenwelt getragen werden.
Intensiv ist die Personenführung des venezianischen Regisseurs, der die Teenager durch den Turnsaal jagen und lieben lässt und die „Schauspieler“ der Theateraufführung von Pryamus und Thisbe ordentlich herumalbern lässt.
Musikalisch lässt diese Produktion keinerlei Wünsche offen. Auf der irdischen Seite: Rupert Charlesworth (Lysander) und Tobias Greenhalgh (Demetrius) beweisen neben enormen Körpereinsatz einen ebensolchen stimmlichen Kraftakt bis zur Erschöpfung um die liebliche Mirella Hagen (Helena). Dieses Kleeblatt wird hervorragend durch Natalia Kawalek (Hermia) ergänzt. Eine stimmliche Urgewalt ist Tareq Nazmi (der in einen Esel verwandelte Nick Bottom), beeindruckend auch Lukas Jakobski (Peter Quince), Michael Laurenz (Francis Flute), Dumitru Madarašan (Snug), Andrew Owens (Tom Snout) und Kristján Jóhannesson (Robin Starveling). Auch die Feenwelt überzeugt: Countertenor Bejun Mehta als berührend lyrischer Oberon und Daniela Fally mit hellem, klarem Sopran als unglaublich intensive Tytania. Maresi Riegner ist ein eindringlicher, berührender, zwischen diesen beiden Welten gefangener Puck. Günes Gürle (Theseus) und Ann-Beth Solvang (Hyppolyta) fügen sich nahtlos in das exzellent besetzte Ensemble ein.
Dirigent Antonello Manocarda kostet mit den Wiener Symphonikern die gesamte Bandbreite von Brittens Partitur aus und verzaubert das Publikum mit zarten, dunklen Glissandi und ist dem gesamten Ensemble und den St. Florianer Sängerknaben ein hervorragender Partner. Eine Produktion die insgesamt große Freude bereitet und darauf hoffen lässt, dass Benjamin Britten wieder vermehrt den Weg in die großen Opernhäuser findet.
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