Wien, Oper in der Krypta, Rigoletto - Giuseppe Verdi, IOCO Kritik, 25.04.2019
Rigoletto - Giuseppe Verdi
- hautnah in der Krypta der Wiener Peterskirche -
von Marcus Haimerl
Giuseppe Verdis Rigoletto erlebte in der Wiener Peterskirche, in der Oper in der Krypta eine fulminante Premiere. Das Libretto von Francesco Maria Piave orientiert sich an Victor Hugos 1832 in der Comédie-Française uraufgeführten Versdrama Le roi s’amuse. 1851 wurde Rigoletto im Teatro la Fenice in Venedig uraufgeführt und war bereits ein Jahr später in einer deutschen Übersetzung von Johann Christoph Grünbaum in Wien zu erleben.
In einer klugen Regie des künstlerischen Leiters von Oper in der Krypta, Joel Wolcott, konnte man tief unter der Wiener Peterskirche Rigoletto hautnah erleben. Für die szenische Umsetzung bedurfte es nicht viel. Das Bühnenbild besteht aus mehreren Holzkuben, die, immer wieder neu arrangiert, völlig neue Kulissen ergeben. Mit nur wenigen Handgriffen wird aus dem Thron im Palast des Herzog von Mantua die Fassade von Rigolettos Haus - von Rigoletto unmissverständlich vor Gilda aufgebaut- oder aber die Eingangstüre zu Sparafuciles Spelunke. Mit Umbauten, die psychologisch motiviert in die Handlung eingebaut waren, ergänzten sie eher die Handlung, als sie zu unterbrechen und ersetzten die für Rigoletto so beliebte Drehbühne ideal.
Dies gab Raum, sich vollkommen mit Joel Wolcotts exzellenter, dichter Personenführung auseinanderzusetzen, die eine einfühlsame Auseinandersetzung mit der psychologischen Seite des Werks bietet. Auch die Ausstattung steht im Dienst des Erzählens von Seelenzuständen. Mit nur zwei Nicht-Farben, schwarz und weiß, wird klar ersichtlich, dass Liebe und Güte selten sind am schwarz gekleideten Hof des Herzog von Mantua. Rigoletto in seinem schwarz-weißen Narrenkostüm schwankt zwischen den Welten, während Gilda, Rigolettos Tochter, in strahlend weißer Reinheit ein Einzelfall inmitten der düsteren Umgebung ist. Als der Herzog von Mantua (in weißem Cape) sie verführt, überreicht er ihr einen schwarzen Schal, und sie verliert das weiße Taschentuch ihrer Mutter. Wenn Gilda schließlich die Gemächer des Herzogs verlässt, ist ihr Unterrock unter dem weißen Kleid schwarz – das junge Mädchen hat endgültig ihre Unschuld verloren. Auch Gildas Tod ist vermenschlicht und wird dadurch noch berührender. Zwar betritt sie energisch die Gaststube Sparafuciles, bekommt es aber schließlich doch mit der Angst zu tun und versucht zu fliehen, ehe der Auftragsmörder ihrer habhaft werden kann. Durch dieses ehrliche Verhalten gewinnt diese Szene unglaublich an Stärke.
In der Titelpartie erlebt man den aus Wien stammenden Bassbariton Florian Pejrimovsky, der dem Publikum der Krypta bereits aus vielen anderen Partien ein Begriff ist. Ob als gefeierter Scarpia in Puccinis Tosca, Gefängnisdirektor Frank in Strauss‘ Die Fledermaus oder als Colline in La Bohème, Pejrimovsky versteht es stets, sein Publikum in den Bann zu ziehen. Sein Debüt als Rigoletto ist hier keine Ausnahme. Obgleich ein noch sehr junger Rigoletto, beeindruckt er mit seiner reifen Stimmfarbe und Stimmgewalt. Sein "Quel vecchio maledivami" lässt niemanden kalt und seine große Arie "Cortigiani, vil razza dannata" wird zu einem explosiven Ausbruch des Leidens. Er ringt mit berührender Vaterliebe verzweifelt um das einzige Licht in seinem Leben und entkommt doch nicht seiner Rolle als verbitterter Hofnarr und Zyniker. Die Schlichtheit und Aufrichtigkeit, mit der er die Figur zum Leben erweckte, bestrickte und überzeugte weitaus mehr, als alle zustützliche Exzentrik es gekonnt hätte.
Die in Südkorea geborene Jay Yang gestaltet die Partie der Gilda mit einem schönen, glasklaren Sopran scheinbar mühelos. Die gefragte Belcanto-Spezialistin - bei Oper in der Krypta bereits als Elvira in Vincenzo Bellinis I Puritani oder Lucia in Donizettis Lucia di Lammermoor gefeiert - beeindruckt mit schmelzenden Piani und zierlicher Phrasierung. Spätestens mit der überirdisch schön gesungenen, anspruchsvollen Arie „Caro nome che il mio cor“ gibt es im Publikum kein Halten mehr.
Der spanische Tenor Sergio Tallo-Torres, verkörpert die Partie des Duca di Mantova mit großer Verve und zeigt auch dessen uncharmante Seiten mit viel Gespür auf. Er zeigt in seinen großen Arien („Questo e quella“ und „La donna è mobile“) neben technischem Können und unfehlbaren Spitzentönen vor allem seine große Musikalität und wurde vom Publikum dafür mit Applaus überschüttet. Auch Daniel Bäumer überzeugt mit seinem kräftigen, sonoren Bass in der Rolle des Sparafucile und zeigt in seiner Gestaltung die Komplexität dieses Charakters. Die Entdeckung des Abends ist die japanische Mezzosopranistin Emi Nakamura in der Partie der Maddalena. Mit ihrem unglaublich vollen, warmen Mezzo kann sie das Publikum ebenso verführen, wie in ihrer unglaublich intensiven Rollengestaltung. Aktuell erlebt man die Künstlerin, auch als Suzuki in Puccinis Madama Butterfly.
Eine weitere Sensation des Abends ist das Trio Marullo (Christopher Michael Kelley), Borsa (Calon Danner) und Conte di Ceprano (Ivo Kovrigar). Trotz der Tragik dieses Werks gelingt es den drei Herren, unter der feinen Klinge des Regisseurs eine angemessene Portion Humor in die Produktion zu bringen. Der Bariton Christopher Michael Kelley überzeugte das Publikum der Krypta bereits als fulminanter Leporello (Don Giovanni, Mozart) und in zahlreichen anderen Rollen, und bringt auch in dieser kleinen Rolle sein untrügliches Gespür für Emotionen und ungeheures schauspielerisches Talent ein. Der österreichische Tenor Calon Danner weiß das Publikum mit seinem schönen Tenor ebenso zu überzeugen, wie mit seiner intensiven Darstellung. Intensive Bühnenpräsenz zeigt auch der junge Bariton Ivo Kovrigar, der dieses wunderbare Trio hervorragend ergänzt. Michael Pinsker ist als düster fluchender Grafe von Monterone eindrucksvoll. In der Doppelrolle der Contessa di Cepreano und Giovanna, der Gesellschafterin Gildas, debütierte die serbische Sopranistin Djurdjica Gojkovic in ihrer ersten Solopartie in der Krypta der Peterskirche.
Die musikalische Leitung lag in den Händen der koreanisch-amerikanischen Pianistin Victoria Choi, die nicht nur den Sängern eine hervorragende Begleiterin war, sondern auch schon im Vorspiel ihr Können als Solistin unter Beweis stellen konnte.
Alles in allem war schafften die Künstler von Oper in der Krypta erneut einen sehens- und hörenswerten Publikumshit, welcher noch viele Male das Haus füllen dürfte.
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