Wien, Oper in der Krypta, La Traviata - Giuseppe Verdi, IOCO Kritik, 28.04.2018
La Traviata von Giuseppe Verdi
Von Marcus Haimerl
Die Peterskirche steht im Zentrum der Stadt Wien, in dessen populären 1. Bezirk. Ihre Geschichte reicht zurück bis ins 4. Jahrhundert, als im dort gelegenen römischen Lager Vindobona eine Kaserne in ein Kirchengebäude umgebaut wurde. Der Bau der heutigen Peterskirche begann 1701, unter Kaiser Leopold I., Fertigstellung und Weihung war 1733. Die Peterskirche war der erste Kuppelbau im barocken Wien. Seit 2014 finden in der Krypta der Peterskirche wunderbare Opernproduktionen statt. 80 Besucher sitzen dort in unmittelbarer Nähe der meist jungen Sänger/innen, immer mit dem intensiven Gefühl, selbst Teil der Aufführung zu sein. IOCO / Marcus Haimerl begleitet hier kommende wie etablierte Bühnenstars.
Mit Giuseppe Verdis, 1853 im Teatro La Fenice in Venedig uraufgeführter Oper La Traviata, nach dem Roman Die Kameliendame (La dame aux camélias) von Alexandre Dumas dem Jüngeren, geht Oper in der Krypta völlig neue Wege. Junge Musik-studenten haben sich hier zu einem Chor für die Opernproduktionen zusammen-gefunden und übernehmen auch kleinere Rollen, wie im vorliegenden Fall wie Gastone oder Barone Douphol. Auch gab es im Vorfeld dieser Premiere erstmals für Stammgäste und Interessierte die Möglichkeit an Proben teilzunehmen, Regisseur Joel Wolcott bei der Arbeit zu beobachten und zu erleben, mit welcher Präzision jeder Schritt und jede Bewegung auch einer kleinen Opernproduktion durchdacht und erarbeitet wird.
Das Bühnenbild dieser Traviata ist ebenso einfach wie genial: ein großes Sofa, zwei Ohrensessel, ein Tisch stehen im Zentrum der Bühne. Mehr braucht es nicht, die Handlung um die vom rechten Weg abgekommene, titelgebende Heldin Violetta Valéry und ihrer Liebe zum gutbürgerlichen Alfredo Germont, die an der Gesellschaft und dem Gesundheitszustand der Protagonistin schließlich scheitern muss, glaubhaft darzustellen.
Zwangsläufig wird das Publikum bei den Produktionen von Oper in der Krypta in das Geschehen eingebunden, betreten die Künstler ja die Bühne zwischen den Besucherreihen oder gehen auf diesen Wegen auch wieder ab. Im ersten Akt der Traviata hat das Publikum nun aber auch die Möglichkeit das Geschehen auf der Bühne mitzuerleben. Während des Festes im ersten Akt gesellen sich einige Zuschauer zu den Gästen und dürfen bei einem Glas Sekt erleben, wie es den Sängern Abend für Abend geht, wenn sie in solcher Nähe vor Publikum singen.
Aber auch musikalisch lässt diese Produktion keine Wünsche offen. Violetta Valéry, der an Tuberkulose erkrankten Kurtisane, singt die mexikanische Sopranistin Elisa Quintero. Mit ihrer kräftigen Mittellage und einer schönen, klaren Höhe ist sie eine Idealbesetzung dieser Partie. Die junge Sängerin, Schülerin der Mezzosopranistin Heidi Brunner und dem Pianisten und Dirigenten Niels Muus wird seit 2017 von KS Grace Bumbry unterrichtet und tritt als Opern-, Lied- und Oratorien-Solistin sowohl in Österreich als auch in ihrer Heimat auf. Der Spanier Sergio Tallo-Torres ist ein ebenso eindrucksvoller Alfredo, der mit seinem kräftigen, leicht metallischen Tenor Höchstleistungen bringt, als gäbe es kein Morgen. Besuchern der Krypta ist er aus zahlreichen Rollen bekannt. Sein Debüt an diesem Ort gab er 2015 in der Partie des Don Carlo, es folgten Pollione in Norma, Roméo in Gounods Roméo et Juliette und in Bellinis Capuleti e i Montecchi, Rodolfo in Bohème und Pinkerton in Butterfly. Auch außerhalb der Krypta ist Sergio Tallo-Torres gefragter Tenor für zahlreiche Rollen.
Auch ein bekanntes Gesicht in der Krypta, Florian Pejrimovsky, ist als Vater Giorgio Germont zu erleben. Mit seinem gewaltigen Bassbariton schafft er auch unglaublich lyrische Passagen. Sowohl das Duett („Pura siccome un angelo“) als auch seine Arie „Di Provenza il mare, il suol“ brauchen den Vergleich mit den großen Interpreten dieser Partie nicht zu scheuen. So wie Elisa Quintero hatte auch die amerikanische Sopranistin Kaitrin Cunningham ihren ersten Auftritt in der Krypta. Die Preisträgerin der Amelie-Rieman Opera Competition überzeugte das Publikum in den Partien der Flora Bervoix und der Annina. Das bereits erwähnte Chor-Ensemble „in höchsten Tönen!“ (Naomi Montfort, Natalia Leal, Baharan Baniasadi, Shabnam Najafi, Oskar Aguilar und Daniel Valero) sangen und spielten so intensiv, dass es den Anschein hatte, sehr viel mehr Sänger wären auf der Bühne verteilt.
Die musikalische Leitung lag in den bewährten Händen der japanischen Pianistin Mami Tsukio, die ihr Können bereits in der Produktion von Bellinis Norma unter Beweis stellen konnte. Mit großem Gespür gelang es ihr, die Sänger gekonnt durch die Premiere zu führen und auf die speziellen Bedürfnisse der Sänger einzugehen. Wohlverdienter Jubel und viele Bravorufe aus dem Publikum empfingen alle Protagonisten und Beteiligte. Die ebenfalls im Publikum anwesende Kammersängerin Marjana Lipovšek zeigte sich nicht minder begeistert ob der Leistung der Künstler. Eine weitere Vorstellung am 28. April, danach wieder ab 11. August 2018.