Wien, Oper in der Krypta, Il Trovatore - Giuseppe Verdi, IOCO Kritik, 21.03.2022
Il Trovatore - Giuseppe Verdi
Oper in der Krypta - Ein Wiener Kultur-Juwel für schöne Abendevon Marcus Haimerl
Mit der Premiere von Giuseppe Verdis Il Trovatore nimmt sich Oper in der Krypta nicht nur eines Werkes an, welches seit fast drei Jahrzehnten an der Wiener Staatsoper kaum gespielt wird, sondern vielmehr ist es dem Ensemble auch gelungen, alle drei Werke von Verdis Erfolgstrias in der Krypta der Wiener Peterskirche zur Aufführung zu bringen (IOCO berichtete über La Traviata und Rigoletto, links HIER!).
Il Trovatore wurde 1853 im Teatro Argentino in Rom uraufgeführt. Grundlage für das Libretto von Salvatore Cammarano, welches nach seinem Tod von Leone Emanuele Bardare fertiggestellt wurde, ist das 1836 uraufgeführte Drama El Trovador des Spaniers Antonio García Gutiérrez. Die deutsche Fassung von Johann Christoph Grünbaum wurde 1855 in Braunschweig und 1857 im Josefstädter Theater in Wien aufgeführt.
Als er das Werk 1966 an der Komischen Oper Berlin herausbrachte, leistete Götz Friedrich Pionierarbeit an der Erforschung des Librettos, welches gewohnheitsmäßig gerne zum unfreiwillig Lächerlichen abgewertet wird. Mit der Erforschung des Librettos, des Theaterstücks und realhistorischer Vorgänge, konnte er nachweisen, dass sich die Handlung exakt im Jahr 1411 denken lässt, auch wenn die eigentlichen Hauptpersonen des Thronfolgerstreits der Jahre 1410 – 1413 nicht in Person auf der Bühne erscheinen. Dennoch lässt sich eine gewisse Komplexität der Handlung nicht abstreiten, findet ja ein Großteil der Ereignisse außerhalb des Bühnengeschehens statt und die Hinweise darauf lassen sich lediglich aus den gesungenen Texten ableiten. So ist auch die Vorgeschichte, die ebenso wie die Handlung in der Zeit des Thronfolgestreits um Aragon zwischen den Häusern Kastilien und Urgel fällt, für die Handlung nicht unwesentlich. Diese erzählt Ferrando, der Hauptmann der gräflichen Garde, den Soldaten. Einst ließ der alte Conte di Luna eine Zigeunerin auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Im Sterben rief sie ihre Tochter Azucena an, sie zu rächen. Diese raubte den jüngeren Sohn des Grafen, warf aber aus Versehen ihr eigenes Kind ins Feuer. Sie zieht fortan das fremde Kind unter dem Namen Manrico als ihr eigenes auf.
Der ältere Sohn des Grafen ist seinem Vater als Conte di Luna nachgefolgt. Er ist nicht nur politischer Feind Manricos, die beiden sind auch Rivalen um die Liebe der königlichen Hofdame Leonora.
Diese liebt aber nur den Troubadour Manrico. Während sie auf ihren heimlichen Verehrer wartet, treffen die beiden Widersacher unter ihrem Balkon aufeinander. Es kommt zu einem Duell, das Manrico gewinnt. Es erweist sich jedoch als Fehler, dass er den Conte am Leben lässt, denn Lunas Schergen verletzen den Troubadour. Während Azucena seine Wunden versorgt, verwirrt sich ihr Geist und sie denkt an die Hinrichtung ihrer Mutter und gibt Details der Vergangenheit preis. Bevor Manrico jedoch weiter in seine Mutter dringen kann, erhält er die Nachricht, dass Leonora ins Kloster gehen will. Innerhalb der Klostermauern treffen die beiden Rivalen erneut aufeinander. Manrico gelingt es Leonora zu entführen. Während der Hochzeitsvorbereitungen, erhält Manrico die Nachricht, dass Azucena von den Soldaten Lunas gefangen genommen wurde. Manrico eilt seiner Mutter zu Hilfe, doch seine Rettungsversuche schlagen fehl. Gemeinsam mit der Mutter sitzt er nun im Kerker. Nun versucht Leonora den Geliebten zu retten und willigt ein, Luna zu heiraten, wenn er Manrico freilässt. Dieser willigt ein, doch Leonora nimmt Gift, um ihrem Schicksal zu entgehen. Sie stirbt in den Armen Manricos. Als Luna den Betrug erkennt, lässt er Manrico unverzüglich enthaupten. Azucena erwacht aus ihrem Dämmerzustand und triumphiert über Luna: ihre Mutter sei gerächt, habe er doch gerade den eigenen Bruder hinrichten lassen.
Für die vorliegende Produktion der Oper in der Krypta verzichtete das Ensemble auf einen Regisseur, die Künstler erarbeiteten gemeinschaftlich Giuseppe Verdis Oper und versuchten auf diesem Wege unbeeinflusst die eigenen Figuren entstehen zu lassen und während des kreativen Prozesses weiterzuentwickeln. Das Bühnenbild wird dominiert von jenen Holzkisten, welche bereits in der Produktion von Verdis Rigoletto wertvolle Dienste geleistet haben. Blumengestecke, eine Madonnenstatue und eine Feuerprojektion ergänzen die Kulisse im Wesentlichen. Die raschen Umbauten auf der Bühne übernehmen die Sänger selbst.
Magdalena Renwart-Kahry in der Partie der Leonore nimmt das Publikum bereits bei ihrer mit warmem Timbre vorgetragenen Auftrittskavatine Tacea la notte placida für sich ein. Die mit kräftigen Höhen grandios vorgetragene Arie D'amor sull'ali rosee zählt unbestritten zu den Höhepunkten dieses außergewöhnlichen Abends.
Die Titelpartie des Manrico singt Sergio Tallo-Torres mit tenoraler Klangpracht und meistert die Stretta Di quella pira souverän, verzichtet allerdings auf eine Wiederholung. Berührende, zärtliche Töne findet der spanische Tenor für seine Mutter Azucena in der finalen Szene.
Zwar ist der Conte di Luna kein Sympathieträger, dennoch schuf Verdi eine wunderbare, elegische Arie für die Baritonpartie (Il balen del suo sorriso) die Florian Pejrimovsky mit noblem Timbre und herrlich tragendem Piano meistert. Aber auch sonst scheint dem Wiener Bassbariton diese Partie sehr zu liegen, zeigt er doch in seiner Darstellung die innere Zerrissenheit der Figur.
Zsuzsanna Szabò, seit fast zwei Jahrzehnten Mitglied des Chores der Wiener Staatsoper, füllt die unstillbar von Rache getriebene Azucena mit herrlich voluminöser Tiefe und kraftvoller Höhe. Besonders ihre Arie Stride la vampa gestaltet die Altistin mit packender Dramatik.
Die Entdeckung des Abends ist der sympathische junge griechische Bass Spyros Papadatos. Er gestaltet die wunderbare Basspartie des Ferrando mit profundem, agilem Bass und herausragender Phrasierung. Auch sein intensives, leidenschaftliches Spiel vermag zu begeistern und zu beeindrucken. Von dem jungen Sänger wird man hoffentlich noch sehr viel mehr hören können. Auch die Intendantin des kleinen Opernhauses, Dorothée Stanglmayr, darf ihre darstellerischen Fähigkeiten auf die Probe stellen und mimt komplett verschleiert den Geist von Azucenas Mutter.
Mit gewohnter Präzision begleitet Ekaterina Nokkert, musikalische Leitung von Oper in der Krypta, die Sänger am Klavier, beweist aber auch ihr herausragendes solistisches Können unter anderem bei dem rein instrumentalen Zigeunerchor.
Berechtigter Jubel am Ende für die Künstler und die Hoffnung für das Publikum, dass diese Produktion noch länger das Repertoire von Oper in der Krypta bereichert
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