Wien, Arnold Schönerg Center, Appell und Seelenschau - Konzert, IOCO Kritik, 31.01.2019
Appell und Seelenschau - Madison String Quartet
Arnold-Schönberg-Center - Wien
von Marcus Haimerl
Gemeinsam mit dem österreichisch-amerikanischen Bariton Steven Scheschareg, dem israelischen Pianisten Itay Goren und dem amerikanischen Dirigenten Charles Prince, gestaltete das Madison String Quartet (Evelyn Estava, Violone, Rebecca Harris-Lee, Violine, Michael Avagliano, Viola und Gerall Hieser, Violoncello), welches im Januar 2019 sein 20-jähriges Bestehen feiert, ein ebenso spannendes, wie tief berührendes Konzert mit dem Titel Appell und Seelenschau.
Am Beginn stand Dover Beach op. 3 von Samuel Barber aus dem Jahr 1931. Das Werk des gerade erst 21jährigen amerikanischen Komponisten beruht auf einem Gedicht des viktorianischen Dichters Matthew Arnold (1822 – 1888). Die pessimistische Grundhaltung des Gedichts wandelt die Schönheit der Naturbilder in ein Symbol der Wiederkehr des menschlichen Elends. Der ruhige, beinahe meditative Beginn dieses Stückes steuert auf einen Höhepunkt zu, nur um am Ende wieder in einen wellenartigen Rhythmus zurückzufallen. Mit seinem schönen, dunklen Bariton gelang Steven Scheschareg gemeinsam mit dem Madison String Quartet eine berührende Umsetzung von Samuel Barbers Werk.
Noch näher am Thema Musik und Politik befindet sich das Werk The Survivor des venezolanischen Komponisten Icli Zitella (*1966). Inspiriert durch Arnold Schönbergs A Survivor from Warsaw (1948) schrieb Zitella eine Chronik von Aufstieg und Machterhaltung des totalitären Regimes in Venezuela. Das Werk voller Zitate aus der venezolanischen Nationalhymne, dem Militärlied „Patria, patria querida“, aber auch politischen Liedern und venezolanischer Volksmusik ist ein musikalisches Porträt über die verheerenden Auswirkungen der Revolution.
Mit Arnold Schönbergs Fuge in e-Moll („Kristallnachtfuge“), in einem wunderschönen Arrangement für Klaviertrio, berührten Itay Goren (Klavier), Evelyn Estava (Violine) und Gerall Hieser (Violoncello) das Publikum mit dem Versuch einer Reaktion des Komponisten auf die Reichsprogromnacht.
Für ein besonderes Gänsehaut-Feeling sorgte das Madison String Quartet mit dem Stück „La vida es sueño op. 76“ (Life is a dream) des in Montevideo, Urugay geborenen, amerikanischen Komponisten Miguel del Águila. Als Einführung trug Steven Scheschareg das zu Grunde liegende Gedicht Calderón de la Barcas „Das Leben ist ein Traum“ vor. Zu der Musik, vom spanischen Phrygisch zu einem lebhaften Jota-Tanz, rezitieren die Musiker die Worte Calderóns. Ein besonderes Klangerlebnis, wenn Evelyn Esteva zu Beginn des Stücks hinter dem Publikum zu spielen beginnt.
Nach der Pause folgte das Hauptwerk des Abends: Arnold Schönbergs „Ode to Napoleon Buonaparte op. 41“. Zu der vom Madison String Quartet und Itay Goren vorgetragenen, von Charles Prince dirigierten Musik Schönbergs, trug Steven Schechareg den Text von Lord Byrons Gedicht vor. Mühelos gelang dem Bariton ein intensiver Vortrag in dem von Schönberg exakt vorgegebenen Sprechgesang. Insgesamt war hier eine exemplarische Darbietung von Schönbergs Werk zu erleben.
Der Vortrag zu Arnold Schönbergs „Ode to Napoleon Buonaparte op. 41“ durch Eike Feß brachte dem Publikum Hintergrund und Entstehung dieses Werks näher und ermöglichte bei der nachfolgenden Wiederholung des gesamten Stücks ein noch sehr viel tiefgreifenderes Erlebnis.
Auch wenn die Werke unweigerlich Betroffenheit, ja sogar tiefen Schmerz auslösen mussten, zeugte der wohlverdiente, frenetische Applaus des Publikums im gut besuchten Arnold-Schönberg-Center nicht nur von den klug gewählten Werken, sondern auch von der hohen musikalischen Qualität jedes einzelnen Künstlers.
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