Osnabrück, Theater am Domhof, BALL IM SAVOY - Paul Abraham, IOCO
THEATER OSNABRÜCK: Wenn Ehemänner ihre Frauen betrügen, dann zählt das höchstens als Kavaliersdelikt, im umgekehrten Fall jedoch als Skandal. Dieses Missverhältnis stellt Regisseur Felix Seilerin seiner Osnabrücker Inszenierung der zu selten gespielte Operette Ball im Savoy von Paul Abraham .......
Operette „Ball im Savoy“ von Paul Abraham begeistert im Teater am Domhof - Skandal: Ehefrau betrügt ihren Mann
von Hanns Butterhof
Wenn Ehemänner ihre Frauen betrügen, dann zählt das höchstens als Kavaliersdelikt, im umgekehrten Fall jedoch als Skandal. Dieses Missverhältnis stellt Regisseur Felix Seiler ins Zentrum seiner Osnabrücker Inszenierung der zu selten gespielte Operette Ball im Savoy von Paul Abraham mit den Texten von Alfred Grünwald und Fritz Löhner-Beda. Sie geht beiden Seiten der ehelichen Untreue nach und spielt sie auf mehreren Ebenen so witzig wie betreffend durch.
Da ist auf der einen Seite der reiche Aristide de Faublas (Jan-Friedrich Eggers) mit seiner Frau Madeleine (Susann Vent-Wunderlich). Im Vorspiel sieht man das Paar witzig als lebenden Teil eines bühnenfüllenden Posters in einer Gondel auf dem Canale Grande vonVenedig (Bühne: Hartmut Schörghofer), als es seine Hochzeitsreise beginnt. Nun kommet das Ehepaar von der einjährigen Reise um die ganze Welt zurück nach Hause, verliebt und miteinander glücklich wie am ersten Tag. Und da ist auf der anderen Seite Aristides Freund, der lebenslustige Aufschneider Mustafa Bey (Hans Gröning), der seine Ehen mittels Scheck und Villa zu lösen pflegt und sich so die Freundschaft seiner Verflossenen bewahrt.
Als Aristide von seiner letzten Geliebten Tangolita (Susanna Edelmann) brieflich an sein Versprechen erinnert wird, ihr ein Schäferstündchen zu widmen, wann und wo immer sie will, hat er ein Problem. Aber Mustafa hat keinerlei Skrupel, seinem Freund aus der selbstverschuldeten Zwangslage zu helfen. Er verschafft Aristide gegenüber Madeleine ein Alibi, das ihm ermöglicht, sein Versprechen gegenüber Tangolita wunschgemäß noch am selben Abend auf einem Ball im Hotel Savoy einzulösen.
Verkleidet geht auch die misstrauisch gewordene Madeleine auf den Ball, finster entschlossen, sich für die Untreue ihres Mannes zu rächen und mit dem nächstbesten Mann ihrerseits die Ehe zu brechen. Bestärkt wird sie in ihrem Vorhaben dadurch, dass sie bei dieser Gelegenheit aus dem Nachbars-Séparéee die Töne des Stelldicheins von Tangolita und Aristide mithört. Dem gilt ihr Ehebruch aber als Skandal! Aristide leitet die Scheidung ein, während Mustafa Bey auf seine siebte Ehe mit Madeleines Cousine Daisy Parker-Darlington (Veronika Hörman) zusteuert.
Bei allem Ernst und dem Fokus auf dem tragischen Ehepaar hat Felix Seiler das alles schwungvoll und außerordentlich unterhaltsam inszeniert, vor allem Hans Gröning und Veronika Hörmann halten den Heiterkeitswert durchgängig hoch. Dazu belebt Seiler die Bühne mit viel Tanz und einer Vielzahl teils schriller, teils locker von Linda Schnabel an die Mode der Zwanziger Jahre angelehnter Kostüme. Für die bürgerlichen Szenen im Palais der de Faublas hat Hartmut Schörghofer die Bühne wunderbar sprechend in klassischer Graphic-Novel-Manier schwarzweiß gezeichnet; die Szenen auf der dunklen Seite der Bürgerlichkeit im Hotel spielen angemessen unterweltlich in einem postmodernen, mit kaltem Neonlicht rot und violett beleuchteten Tunnel.
Das Ensemble ist durchgehend gut besetzt und lässt die bekannten Lieder der Operette wie „Es ist so schön, am Abend bummeln zu gehn“ oder „Was hat eine Frau von der Treue“ aufblühen. Susann Vent-Wunderlich entfaltet begeisternd ihr breites gesangsdarstellerisches Vermögen. Als starke, für gleiches Recht für Frauen einstehende Madeleine lässt sie doch fühlen, dass Rache erlittene Verletzung nicht heilt und gleiches Recht auf Untreue nur die zweitbeste Lösung ist. Jan Friedrich Eggers überzeugt als nur zu leicht verführbarer Aristide, dessen Reue am Ende zu spät kommen dürfte. Voll komischer Ausdruckskraft ist Hans Gröning ein liebenswert schräger Mustafa Bey, dessen Leichtlebigkeit die Daisy der gesanglich und tänzerisch mitreißenden Veronika Hörman ein baldiges Ende bereiten dürfte. Susanna Edelmann ist eine erfrischend selbstbestimmte und einfühlsame Tangolita.
Der von Sierd Quarré einstudierte Chor und die Dance Company sind eine Freude für Augen und Ohren mit großem Anteil am quirligen Bühnengeschehen. Das wird getragen vom Osnabrücker Symphonieorchester, dem Daniel Inbal mit weit ausholenden Armbewegungen einen tollen jazzigen Swing entlockt; Paul Abrahams Ball im Savoy ist musikalisch wie thematisch ein gutes Stück entfernt von der guten alten Walzer- und Csárdás-Operette, und das ist in diesem Fall gut so.
Das Publikum feierte nach etwa zweieinhalb Stunden Spieldauer alle an der Aufführung Beteiligten mit lang anhaltendem, mit Bravorufen durchsetztem Beifall, der bei Daniel Inbal und dem Orchester, Susann Vent-Wunderlich, Veronika Hörman und Hans Gröning noch zulegte.
Paul Abraham (1882 - 1960) und seine Librettisten Alfred Grünwald (1884 - 1951) und Fritz Löhner-Beda (1883 - 1942) sind in verschiedenen Formen Opfer des gleichen nationalsozialistischen Rassenwahns geworden. In den Dreißiger Jahren schufen sie gemeinsam europaweit erfolgreiche Operetten. Nach der „Machtergreifung“ der NSDAP wurden ihre Werke als „entartet“ verfehmt und in Deutschland vergessen. Paul Abraham ging ins Exil nach New York, wo er aber nicht zurande kam und geistig verwirrt in die Psychiatrie eingewiesen wurde. 1956 wurde er auf eine hamburger Initiative hin nach Deutschland geholt und auch hier weiter psychiatrisch behandelt. Als er 1965 in Hamburg starb, glaubte er immer noch, in New York zu sein und vor einem neuen Kompositionserfolg zu stehen.
Alfred Grünwald, der ebenfalls nach New York emigrierte, konnte im Gegensatz zu Paul Abraham auf Grund von vorherigen Erfolgen am Broadway in den USA Fuß fassen. Er blieb in den Staaten und starb 1951 in New York.
Fritz Löhner-Beda wurde 1934 als „Wiener Zionistenführer“ denunziert, unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 verhaftet und in das KZ Dachau, später nach Buchenwald und danach nach Auschwitz deportiert. Als Zwangsarbeiter im Buna-Werk der IG Farben AG wurde er in der Fabrik erschlagen, nachdem inspizierende IG Farben-Direktoren die Arbeitsleistung des kranken 59-Jährigen bemängelt hatten.
Ihr Leben und Sterben erschüttert, auch wenn wir uns an ihrer Kunst erfreuen! Nie wieder Faschismus!