Sydney, Pinchgut Opera, L´Amant jaloux - Juwel der Barockmusik, IOCO Kritik, 07.02.2016
Normaleuropäer reduzieren Australiens Kultur gern wie leichtfertig auf den Legenden-umwobenen Ayers Rock und die spektakuläre Muscheloper in Sydney, Meisterstück moderner Architektur. Das 1973 erbaute Sydney Opera House wurde bereits 2007 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Für Europäer ist ein Besuch der Sydney Opera "a dream come true". Das Sydney Opera House mit seinen 1.547 Plätzen bietet weiter mehr als Oper: Die Concert Hall mit 2700 Sitzen, das Joan Sutherland Theatre, für kleines Theater das Playhouse, formidable Restaurants und mehr. Der Opernbetrieb wird im Stagionesystem geführt; den teuren in Deutschland üblichen Repertoirebetrieb leistet man sich nicht. Opern - Produktionen werden im Stagionesystem nur 6 – 10 Mal in kurzen Zeitabständen aufgeführt.
IOCO suchte kulturelle Alternativen zum Sydney Opera House und fand Ungewöhnliches in der modernen City Recital Hall im Zentrum von Sydney. Dort zeigt die Pinchgut Opera, benannt nach einer kleinen Festungsinsel im Hafen von Sydney (IOCO Foto links), ungewöhnliche Opernproduktionen. Die City Recital Hall, äußerlich unauffällig, bietet auf 1.238 Plätzen in einem leicht aufsteigenden Konzertsaal mit zwei Rängen und bester Akustik großartige Opern und Konzerte.
Die Pinchgut Opera Sydney wurde 2002 gegründet und bietet selten gespielte Opern der Klassik und des Barock. Pinchgut Produktionen sind wunderbare Raritäten, auch nach hohem deutschen Maßstab. Manche dieser Barockwerke hatten ihre Uraufführung in Sydney. Die meisten Pinchgut Opern wurden um 1750 komponiert. Das Ochestra of the Antipodes begleitet diese Produktionen auf Instrumenten der damaligen Zeit. Die Pinchgut Direktoren Erin Helyard und Antony Walker wollen klassische Opern originalgetreu auf die Bühne bringen. Die Handlung wird in aufwendigen Kostümen aber minimalen Kulissen dargestellt. Das barockerfahrene Orchestra of the Antipodes spielt kompositionsgerecht auf Instrumenten der Epoche; kleine Konzerte zu Beginn der Vorstellung und in der Pause sensibilieren den Besucher für Kommendes.
Die Barockoper L´Amant jaloux, Der eifersüchtige Liebhaber, komponierte der Megastar seiner Zeit, André Grétry (1741 – 1813). 1778 in Versailles uraufgeführt feierte L´amant Jaloux hatte über Jahre in Paris triumphale Erfolge, war Lieblingsoper von König Ludwig XVI., seiner Gattin Marie Antoinette und dem Volk. In seinen Memoiren schreibt Grétry voll Stolz, wie jede Arie dieser Opéra comique eigenen Charakter und melodischen Reichtum füllt. Grétry zeichnet seine Komposition mit orchestraler Farbreichtum, schwarzem Humor und geistreichen Verwicklungen. L´Amant jaloux beeinflusste auch Mozart, als er 1778 in Paris verzweifelt um Aufträge anhielt, Marie Antoinette keine Zeit für ihn hatte und Mutter Anna Maria dort am 3. Juli starb. Grétry, seit 1774 persönlicher Musikdirektor von Marie Antoinette, komponierte über fünfzig Opern. In Deutschland ist André Grétry, seine Kompositionen und L´Amant jaloux seit Jahrzehnten Nebensache.
Die Handlung der Opéra comique ist schnell erzählt: Der reiche Händler Don Lopez (David Greco) möchte nicht, dass seine junge, bereits verwitwete Tochter Léonore (Celeste Lazarenko) wieder heiratet. Doch Léonore ist verliebt in den armen wie eifersüchtigen Don Alonze (Ed Lyon). Alonzes Schwester Isabelle (Alexandra Oomens) wiederum flüchtete mit Hilfe des feurigen Franzosen Florival (Andrew Goodwin) vor ihrem Vormund, welcher sie auch heiraten möchte, zu Léonore. Verwirrungen greifen um sich: Im Dunkel einer Garderobe versteckt glaubt Isabelle….Florival glaubt in der Haushilfe Jacinte (Jessica Aszodi) Léonore zu erkennen… Florival singt nachts eine wunderbare Serenade, leider vor dem falschen Fenster… Im Dunkel der Nacht finden Florival und Alonze erleichtert heraus, dass sie keine Rivalen sind… Zudem verkündet Alonze eine große Erbschaft, sodass er Léonore heiraten kann. Auch Florival heiratet, Isabelle. Die Handlung wird untermalt durch Darsteller in farbig barocken Kostümen (Christie Milton).
Das Barockorchester, das Orchestra of the Antipodes, überrascht mit filigran bezaubernder Klängen. Ihr Dirigent Erin Helyard spielt auch am Cembalo, tiefensichere Fagotte wetteifern mit höhenfeinen Piccoloflöten, die Streicher meistern virtuose Parforceritte durch komplexe Partituren. Das pralle Leben streicht mit L´Amant jaloux in komödiantisch verzierten Bahnen durch die City Recital Hall von Sydney. Dazu ein junges Ensemble, dessen Frische im Gesang zahlreicher Duette und Quartette wie im Spiel spürbar Laune machte: Alexandra Oomens berichtet in ihrer grossen Sopranarie als Isabelle mitreißend über die Flucht vor dem Vormund. Mit den „mitleidenden“ Celeste Lazarenko (Léonore) und Jessica Aszodi (Jacinte) wird ihr lebendiger wie warm timbrierter Dreigesang zu einem Höhepunkt des Abends. Doch auch das männliche Ensemble besticht mit kraftvoll lyrischen und gut verständlichen Stimmen: Die Tenöre Andrew Goodwin als Florival und Ed Lyon als Don Alonze wie Bassbariton David Greco (Don Lopez).
Europäer erwarten neue Erfahrungen in Australien. Doch zielen solche Erwartungen eher auf Outback, Tropenwälder, Taucherfahrungen nicht aber Barockmusik. Wir allerdings erlebten in Australien erstmals André Grétry und dessen Barockjuwel L´Amant jaloux. Das war "highly unexpected" für einen vermeintlichen Australienkenner. Das australische Publikum feierte ausgiebig die Pinchgut Opera, das Orchestra of the Antipodes wie das junge, gesangsstarke australische Ensemble.
IOCO / Viktor Jarosch / 07.02.2016