Stuttgart, Staatsoper, IL TROVATORE - Giuseppe Verdi, IOCO
IL TROVATORE in Stuttgart: Vom Bänkelgesang zur Psychotherapie - Ein Regieteam um Paul-Georg Dittrich erschafft an der Staatsoper Stuttgart mit Verdis Il Trovatore ein spannendes, tiefschürfendes, bilderreiches und kurzweiliges Opernspektakel .....
Vom Bänkelgesang zur Psychotherapie - Ein Regieteam um Paul-Georg Dittrich erschafft mit Verdis Il Trovatore ein spannendes, tiefschürfendes, bilderreiches und kurzweiliges Opernspektakel
von Peter Schlang
Mit Giuseppe Verdis Il Trovatore ging am 9. Juni 2024 der diesjährige Premierenreigen der Staatsoper Stuttgart zu Ende. Die musikalische Leitung lag in Händen des italienischen Dirigenten Antonello Manacorda; Regie führte der für seine spannenden, unkonventionellen, vom Film beeinflussten Arbeiten bekannte Paul-Georg Dittrich, der damit nach seinem „Boris“ in der erstem Coronaspielzeit 2019/2020 seine zweite Stuttgarter Regiearbeit präsentierte.
Von Verdi ist das Zitat überliefert, nach dem das Nachbilden von Wirklichkeit schön und gut sei, aber in keiner Weise mit dem Erfinden von Wirklichkeit mithalten könne. Von diesem Motto hat der Komponist mit Hilfe seiner Librettisten Salvadore Cammarano und Leone Emanuele Bardare, die sich ihrerseits auf das Drama „El trovador“ von Antonio Garcia Gutiérrez beriefen, in seiner am 19. Januar in Rom uraufgeführten Oper Il Trovatore reichlich Gebrauch gemacht.
Inhalt und Aufbau der zwischen schwarzer Romantik, Skurril-Surrealem und Grotesk-Kafkaeskem changierenden Handlung stellen dem Regietheater gegenüber offene Regisseure und Dramaturgen vor ziemliche Herausforderungen, finden in Verdis eher frühem Meisterwerk aber auch eine dankbare Spielwiese für tief gründende, spannende und zum (Nach-) Denken anregende Interpretationen.
Paul-Georg Dittrich und sein Ausstatter-Team wählen als Ausgangspunkt für ihren Realisierungsansatz einen je in der Handlung und im Titel der Oper verborgenen Anknüpfungspunkt. Der findet sich zum einen in der Tatsache, dass der überwiegende Teil der Oper aus Erinnerungen ihrer vier allesamt hoch traumatisierten Protagonisten besteht, allen voran des Grafen Luna und seiner Gegenspielerin, der zur Entstehungszeit der Oper als „Zigeunerin“ bezeichneten Azucena. (Programmheft und Übertitel der Produktion gehen mit diesem heute geächteten Begriff und seiner politisch-korrekten Umschreibung sorgfältig und vorbildlich um.) Daraus formt Dittrich eine Folge aus sehr subjektiven Ich-Erzählungen, die er zu einem farbigen, drallen und äußerst wirkmächtigen Bilderbogen zusammenfügt. Die Idee für dessen Präsentation bzw. Umsetzung wiederum holt sich die Regie aus einer deutschen Übertragung bzw. Umdeutung des romanischen Wortes Trovador oder Troubadour, dem früher auf Jahrmärkten und öffentlichen Plätzen auftretenden Bänkelsänger.