Stuttgart, Staatsoper Stuttgart, LA FEST - 200 Jahre Barockmusik
Party unterm Schnürboden - oder besser?
Aus dem Altersheim in die Disco - Eric Gauthier - LA FEST - ein Potpourri aus fast 200 Jahren Barockmusik
von Peter Schlang
Eric Gauthier, Tänzer, Choreograph und Leiter der Gauthier Dance-Compagnie des Stuttgarter Theaterhauses, ist zweifellos eine Berühmtheit des (Stuttgarter) Kulturlebens und ein Liebling des hiesigen Publikums. Insofern war es ein kluger Schachzug, als der Intendant der Stuttgarter Staatsoper, Viktor Schoner, den ehemaligen Solisten des Stuttgarter Balletts fragte, ob er nicht an seiner alten Wirkungsstätte eine Oper inszenieren wolle. Der gebürtige Kanadier sagte dankend zu, allerdings nicht für eine herkömmliche Operninszenierung, was ja alle Regieführenden auf die fast gleiche Art täten. Stattdessen schlug Gauthier der Opernleitung eine „Musiktheater-Kreation“ vor, die es so noch nie auf der (Stuttgarter) Opernbühne gegeben habe und die mit Elementen aus Oper, Konzert, Tanz, Chorgesang und anderen Kunstformen das Publikum nicht nur unterhalten, sondern zum Mitfeiern einladen solle. Als Grundlage und verbindendes Element des Ganzen ließ Gauthier den musikalischen Leiter seiner ersten Arbeit für das Musiktheater, den niederländisch-australischen Barockspezialisten Benjamin Bayl, Barockmusik aus über 150 Jahren auswählen und entschied sich quasi für die Rekonstruktion einer barocken Festlichkeit, wie sie zur damaligen Zeit an vielen Fürstenhöfen und in manch bürgerlichem Palais standesgemäß und somit üblich war. Unter dem symbolisch eindeutigen, wenn auch sprachlich nicht ganz sauberen Titel La Fest feierte diese musikalisch-dramaturgische Barock-Show am 3. Dezember 2023 im Stuttgarter Opernhaus ihre Premiere, ja, erlebte - streng genommen - ihre Uraufführung.
Als Stück über Feste und ihr Feiern und zum Darüber-Nachdenken, warum und wie Menschen eigentlich feiern, war es von der Stuttgarter Oper angekündigt worden, und dieses Versprechen wurde durchaus eingehalten. Als Handlungsgerüst für diese musikalische „Feier-Feier“ griff der Regisseur auf das in der Literatur nicht unbekannte Mittel des Rückblicks zurück, indem er eine neunzigjährige, im Rollstuhl sitzende und offenbar im Pflegeheim lebende Seniorin stufenweise an die Stationen ihres Lebens zurückversetzt, an denen sie etwas (Besonderes) zu feiern und zu genießen hatte. So ergibt sich eine szenische Collage aus Lebens-Erinnerungen, die Bayl und Gauthier in die musikalische Form des Pasticcio gießen. Dabei gehen sie revuehaften Elementen nicht aus dem Weg, sondern setzen bewusst auf kontrastreiche, plakative Momente, in denen sie sich auch vor Grellem und Schrillem nicht zurückschrecken.