Stuttgart, Staatsoper, RUSALKA - Antonín Dvořák, IOCO

Der Tenor Kai Kluge als Prinz empfiehlt sich mit seiner runden, in allen Lagen fein und sicher geführten Stimme für andere und größere Rollen.

Stuttgart, Staatsoper, RUSALKA - Antonín Dvořák, IOCO
Oper Stuttgart © Matthias Baus

Der Zwang der Identität und die Grenzen der Liebe – An der Staatsoper Stuttgart ist Bastian Krafts kluge und bildkräftige Inszenierung von Dvořáks „Rusalka“ auf den Spielplan zurückgekehrt

von Peter Schlang

Im Sommer 2022 begeisterte Bastian Kraft an der Stuttgarter Staatsoper mit seiner tiefsinnig-hintergründigen wie bildmächtigen Interpretation von Antonín Dvořáks Oper Rusalka, der Geschichte der wegen der Liebe zu einem Prinzen aus ihrer vertrauten Wasserwelt in die Welt der Menschen drängenden Nixe. Nach gut zwei Jahren Pause ist diese kluge wie berührende Inszenierung am 15. Februar auf die Stuttgarter Opernbühne zurückgekehrt und wurde im ausverkauften Haus vom Publikum erneut begeistert bejubelt. Tatsächlich hat die Produktion in der - ja recht kurzen – Aufführungspause nichts von ihrer Faszination, Spannung, affektiven Berührungsmacht und klugen Dramaturgie verloren.

Wieder fesselt die Doppelung der Wesen der Wasser- bzw. Geisterwelt durch die opulent ausgestatteten und von Spiellust geradezu strotzenden sechs Dragqueens, die durch die magischen Spiegelungen in manchen Szenen ein wahres Geisterballett imaginieren. Dabei verblüfft, ja begeistert - vor allem bei den drei gedoubelten Hauptrollen der Rusalka, des Wassermanns und der Hexe Ježibaba - wie perfekt und völlig synchron die drei Dragqueens Reflektra, Alexander Cameltoe und Judy LaDivina den Gesang ihrer vokalen Partner pantomimisch nachformen. Dadurch unterliegt man ohne jeden Zweifel der Illusion, der Gesang käme aus jeweils zwei Kehlen und Körpern. Dieser betörende, wahrlich märchenhafte Eindruck wird noch durch die stupende Choreografie gesteigert, welche von den sechs „Verstärkern“ im Wasser- und Geisterreich genauso sicher und wirkungsvoll umgesetzt wird. Großen Anteil an dieser suggestiven und höchst theatralischen Wirkung haben aber auch wieder die Sängerinnen und Sänger dieser „Unter-Wasser-Rollen“, die bis auf den Sänger des Wassermanns dieselben sind wie bei der Premierenserie vor knapp drei Jahren. So überzeugen erneut Katja Ledoux mit dunkel grundiertem Mezzo als eruptiv-zornige Ježibaba sowie Natasha Te Rupe, Wilson, Catriona Smith und Leia Lensing als verschreckt-ängstliche Nixen-Schwestern.

Leia Lensing & Emily Island (3. Elfe), Catriona Smith & Lola Rose ( 2. Elfe), Natasha Te Rupe Wilson & Vava Vilde (1. Elfe); 2025 © Martin Sigmund

Esther Dierkes als verletzt-traurige und zart-zehrende Rusalka scheint noch mehr in ihre Rolle hinein gefunden zu haben und (be-)rührt mit ihrem makellos-reinen fein geführten Sopran stellen- und szenenweise fast zu Tränen. Der wirklich bodentief und nahezu „rabenschwarz“ getönte Bass Adam Palkas fügt sich prachtvoll und bruchlos in dieses bewährte Damenquintett ein. Sehr überzeugend agieren auch die beiden neu in das Ensemble gekommenen Besetzungen der Vertreter des weltlichen Adels: Der Tenor Kai Kluge als Prinz empfiehlt sich mit seiner runden, in allen Lagen fein und sicher geführten Stimme für andere und größere Rollen. Die Mezzosopranistin Diana Haller formt eine entschlossen-energische, stellenweise diabolisch-zickige fremde Fürstin, die dem Prinzen und damit auch der ihn begehrenden Rusalka sowie der sie verbindenden Liebe nicht den Hauch einer Chance lässt.

Esther Dierkes (Rusalka), Kai Kluge (Prinz); 2025 © Martin Sigmund

Vervollkommnet wird das musikalische Glück dieser Wiederaufnahme durch das Staatsorchester Stuttgart, welches unter der äußerst inspirierenden und zum musikalischen Atmen motivierenden Leitung Oksana Lynivs nicht nur an die Leistungen der Premierenreihe anknüpft, sondern diese gefühlt nochmals steigert. So lassen die Musikerinnen und Musiker mit ihrer feinfühligen Leiterin das Süffig-Melodische der Partitur genauso fließen wie sie das Dämonisch-Dunkle hörbar machen. In diesen und weiteren Stimmungen steigert eine treffend-sichere Dynamik die musikdramatische Wirkung von Dvořáks Komposition, in der auch deren volksliedhafte Elemente je nach Erfordernis atmend und tänzerisch fließen oder düster-elegisch drohen dürfen.

Adam Palka (Wassermann), Esther Dierkes (Rusalka), Reflektra (Rusalka), Alexander Cameltoe (Wassermann); 2025 © Martin Sigmund

Mit dieser Rusalka, mit der jüngsten Premiere von Prokofjews „Der Spieler“ und den Wiederaufnahmen von Brittens „Der Tod in Venedig“ sowie der Barock-Collage „La Fest“ hat die Staatsoper Stuttgart im Februar und März Opernabende im Programm, die nicht nur höchst aktuell sind und ernsthafte gesellschaftliche Diskursqualität aufweisen, sondern auch musikalischen Hochgenuss versprechen.

Weitere Vorstellungen der Rusalka am 21.und 27. 02. sowie am 9.,11., 16., 22. und 28. 03.