Shakespeare in Mödling, Konzerthof, ES WAR DIE LERCHE - Ephraim Kishon, IOCO

MÖDLING bei WIEN: Im Jahr 2000 beschloss Nicole Fendesack den Innenhof der Gemeinde Mödling mit Stücken von William Shakespeare zu bespielen, zumal das Ambiente geradezu danach verlangte, all die großartigen Figuren des englischen Nationaldichters......

Shakespeare in Mödling, Konzerthof, ES WAR DIE LERCHE - Ephraim Kishon, IOCO
Konzerthof, Mödling © Marcus Haimerl

von Marcus Haimerl

Im Jahr 2000 beschloss Nicole Fendesack den Innenhof der Gemeinde Mödling mit Stücken von William Shakespeare zu bespielen, zumal das Ambiente geradezu danach verlangte, all die großartigen Figuren des englischen Nationaldichters und Barden von Avon hier zum Leben zu erwecken. Für die Intendantin und Regisseurin Nicole Fendesack ist Shakespeare das Nonplusultra des Theaters, konnte doch kein anderer Autor alle Perspektiven des Lebens so umfassend auf die Bühne bringen. Nach nunmehr 25 Jahren findet Shakespeare in Mödling heuer zum letzten Mal statt. Vor der Premierenvorstellung wurde der erfolgreichen Intendantin von Vizebürgermeisterin Silvia Drechsler das „Ehrenzeichen für Kunst und Kultur“ der Stadt Mödling verliehen.

Die diesjährige Premiere galt dem Stück Es war die Lerche des ungarisch-israelischen Satirikers Ephraim Kishon, der auch als Schriftsteller, Drehbuchautor und Filmregisseur Erfolge feiern konnte. Kishon wurde 1924 in Budapest als Ferenc Hoffmann geboren, überlebte den Holocaust und emigrierte 1949 nach Israel. Kishon ist bekannt für seinen scharfsinnigen Humor und seine satirischen Betrachtungen des israelischen Alltagslebens. Zu seinen wohl bekanntesten Werken gehören Drehn Sie sich um, Frau Lot! und Der seekranke Walfisch. Er schrieb auch zahlreiche Theaterstücke und drehte mehrere Filme, darunter der Oscar nominierte Film Sallah Shabati (Drehbuch und Regie). Kishon starb 2005 in der Schweiz.

Es war die Lerche - Ensemble © Fabian Steppan

 Lang lebe nichts oder Szenen einer Ehe

Es war die Lerche wurde 1974 im Nationaltheater „Habima“ in Tel Aviv uraufgeführt, die deutsche Erstaufführung fand im Dezember 1974 in der deutschen Übersetzung von Friedrich Torberg im Züricher Schaupielhaus statt. Das heitere Trauerspiel in zwei Teilen ist eine humorvolle und gleichzeitig tiefsinnige Auseinandersetzung mit menschlichen Beziehungen und den Herausforderungen des Alltags. Das Stück parodiert die romantische Tragödie Shakespeare und zeigt, wie die idealisierte Liebe im Alltag oft an Magie verliert. Kishon nutzt hier scherzhafte und ironische Elemente, um die Diskrepanz zwischen romantischen Idealen und der Realität des Ehelebens aufzuzeigen. Durch die Darstellung von Romeo und Julia als ein Ehepaar mittleren Alters beschreibt das Stück die Herausforderungen und Kompromisse, die mit einer langen Ehe einhergehen und reflektiert darüber, wie sich Liebe und Beziehungen im Laufe der Zeit entwickeln und verändern.

Romeo und Julia: das größte Liebespaar aller Zeiten. Willst du schon gehen? Der Tag ist ja noch fern. Es war die Nachtigall, und nicht die Lerche, die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang; Sie singt des Nachts auf dem Granatbaum dort. Glaub‘, Lieber, mir: es war die Nachtigall, wer kennt nicht diese liebenden Worte Julias. Doch ihre Liebe konnte nur durch den Tod der Beiden ihren mythischen Charakter erhalten und zur Vollkommenheit gelangen. Was aber wäre geschehen, wenn Julia rechtzeitig erwacht wäre und die beiden 29 Jahre später immer noch als Ehepaar in Verona lebten? Genau diese Geschichte erzählt Kishon in seiner Satire. Selbst das bekannteste Liebespaar der Geschichte bleibt nicht verschont von den täglichen Streitereien des Ehealltags. Zudem sind der Gesangslehrer Romeo und die Hausfrau Julia mit einer pubertierenden Teenager-Tochter „gesegnet“. Diese hat nur Verachtung für ihre Eltern übrig. Romeo liebt nur noch seine Wärmflasche und Julia ist auch nicht mehr die Veroneser Schönheit, die sie einmal war. Doch Rettung naht in Gestalt William Shakespeares Geist, der erscheint, um sein Werk zu vollenden: er will die beiden abermals in den Selbstmord treiben. Tochter Lucretia verliebt sich in den unentwegt dichtenden Willie und beide wollen in die Welt hinausziehen, um zu erfahren, was Liebe ist. Romeo ist davon gar nicht begeistert: Vergiss nicht, dass der Kerl deine Mutter und mich beinahe umgebracht hat. Weitere Personen der Handlung sind der fast 100-jährige Pater Lorenzo und Julias betagte Amme. Bereichert wird dieses Stück durch zahlreiche Zitate aus Shakespeares umfangreichen Werken, deren kunstvolle Einarbeitung die umfassende Textkenntnis Ephraim Kishons beweist. Es war die Lerche bietet sowohl eine unterhaltsame als auch eine nachdenkliche Auseinandersetzung mit der Thematik der Liebe und Ehe, indem es die klassische Geschichte von Romeo und Julia in einen neuen, alltäglichen Kontext setzt.

Patrick Kaiblinger (Pater Lorenzo), Claudia Marold (Julia) © Fabian Steppan

Regisseurin Nicole Fendesack verfügt über die Fähigkeit, Kishons satirische Vorlage auf innovative und originelle Weise zu interpretieren und hat es dabei geschafft, die Essenz der Parodie zu bewahren, während sie eigene kreative Akzente setzte, die das Stück frisch und zeitgemäß wirken lassen. Ihre Regiearbeit zeichnet sich durch eine nuancierte und feinfühlige Personenführung aus und hat den Schauspielern den Raum gegeben, die komplexen Emotionen und Dynamiken zwischen Figuren überzeugend darzustellen. Bemerkenswert ist auch ihre Fähigkeit ein starkes Gemeinschaftsgefühl unter den Darstellern zu schaffen, dass auch im Publikum spürbar ist. Zudem besitzt sie auch ein großartiges Gespür für Timing und Komik. Ihre Inszenierung bringt das Publikum zum Lachen, ohne dass der Humor erzwungen wirkt. Durch diese Aspekte wird deutlich, dass Nicole Fendesacks Regiearbeit sowohl das Publikum begeistert als auch das Stück in seiner vollen humorvollen und kritischen Tiefe zur Geltung bringt.

Jörg Stelling überzeugt in der Rolle des alternden Romeo mit einer authentischen Darstellung zwischen jugendlicher Leidenschaft und reifer Resignation und schafft es, den Witz der Dialoge pointiert und charmant zu präsentieren. Es gelingt ihm, die komplexen Gefühle eines Mannes, der zwischen nostalgischen Erinnerungen an vergangenes Liebesglück und den Herausforderungen des Alltags gefangen ist, zum Ausdruck zu bringen.

Claudia Marold beeindruckt mit einer lebendigen und differenzierten Interpretation der Julia. Sie verleiht ihrer Figur sowohl die mittlerweile verblasste Anmut der jungen Julia, als auch die frustrierten Züge einer Frau, die sich nach einer 29-jährigen unglücklichen Ehe neu finden muss. Mit charismatischer Ausstrahlung und natürlichem Spiel macht sie Julia zu einer glaubwürdigen Figur, mit der sich das Publikum leicht identifizieren kann. Auch gelingt es Marold mit einer beeindruckenden Leichtigkeit die satirischen und ironischen Aspekte der Rolle gekonnt hervorzuheben, ohne die emotionale Tiefe der Figur zu vernachlässigen. Zudem ist die Chemie mit Jörg Stelling als Romeo spürbar und trägt damit wesentlich zur Dynamik des Stückes bei.

Christopher Korkisch (William "Willie" Shakespeare) © Fabian Steppan

Christopher Korkisch brilliert in der Rolle des William Shakespeare. Seine Darstellung ist nicht nur durch eine erstaunliche Bühnenpräsenz geprägt, sondern vielmehr auch durch seine herausragende Artikulation, klare Wortdeutlichkeit und präzise Betonung. Jeder Satz besticht durch Klarheit und Ausdruckskraft, die besonders bei den zahlreichen Zitaten, teilweise auch in englischer Sprache, aus den Werken des englischen Nationaldichters deutlich wird. Mit seinen darstellerischen Qualitäten, die sich oftmals schon in kleinen Gesten und der Mimik manifestieren, verleiht er der Figur des William Shakespeare eine besondere Intensität und Authentizität, sein Auftritt zählt zu den Höhepunkten dieser Inszenierung.

Auch die kleineren Rollen sind hervorragend besetzt: David Czifer sorgt mit seiner herrlich komischen Verkörperung der Amme bei den Zuschauern für herzhafte Lacher. Patrick Kaiblinger begeistert als betagter und verwirrter Pater Lorenzo, der gerne mal Romeo und Julia mit Hamlet und Ophelia verwechselt und Laura Oedendorfer ist eine großartig zickige und rebellische Lucretia.

Die Gesamtperformance des Ensembles macht diesen Theaterabend zu einem unvergesslichen Erlebnis für das Publikum, das auch mit entsprechendem Applaus seine Dankbarkeit ausdrückte. Dieses großartige Stück in exzellenter Besetzung spielt es noch vom 4. Juli bis 7. Juli 2024, aber auch die Vorgeschichte, nämlich Romeo und Julia am 11. Juli, am 12. Juli und am 14. Juli 2024 im Konzerthof Mödling wie weitere Shakespeare-Konzerte und mehr in Mödling sollte man sich nicht entgehen lassen.