Salzburg, Salzburger Festspiele 2024 - JEDERMANN, IOCO
2024 wird der 150ste Geburtstag des JEDERMANN -Schöpfers Hugo von Hoffmannstal, 1874 - 1929, gefeiert. Auf dem Programm steht in dieser Saison die Neuinszenierung von Robert Carson ....
JEDERMANN - Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes - von Hugo von Hoffmannsthal - Regie Robert Carsen - Salzburger Festspiele 2024 - Aufführung vom 7.8.2024
von Rainer Maaß
In diesem Jahr 2024 wird der 150ste Geburtstag des JEDERMANN -Schöpfers Hugo von Hoffmannstal, 1874 - 1929, gefeiert. Auf dem Programm steht in dieser Saison die Neuinszenierung von Robert Carson. Und speziell für die Zuschauer am 7. August 2024, also für uns, hatte sich die Natur einen passenden Prolog einfallen lassen. Bis in den frühen Nachmittag hinein verwöhnte sie die erwartungsfrohen Gäste mit Wärme und verschwenderischem Sonnenschein. Kein Gedanke an strafende Himmelsgewalten. Doch dann verdunkelte sich der Himmel. Es gewitterte und goss in Strömen. Womit haben das wir das verdient, fragten sich die von Ferne angereisten Zuschauer? Würde der Abend wirklich im unspektakulären Festspielhaus enden? Sollte der Platz vor dem herrlichen Salzburger Dom verweist bleiben? Der Himmel und die Festspielleitung ließen die Zuschauer bis 19 Uhr um Besserung hoffen. Dann zwinkerte die Sonne durch die abziehenden Wolken. Von höchster Stelle kam die Nachricht: Alles wird gut.
Und es wurde gut. Dieses berühmte Schauspiel vor dem Dom, Foto oben, zu erleben, ist etwas ganz Besonderes. Es macht demütig, auf den harten Zuschauer-Bänken des Domplatzes zu sitzen und auf die angestrahlte Kathedrale zu blicken. Zumal die Fassade in dieser Saison nicht von Dekorationen verstellt wird. Eine gute Idee der Regie. Seit 1920 erschallt der Ruf JEDERMANN zu den Menschen herauf. Und jeder Zuschauer, ob Mann oder Frau, weiß, dass auch er oder sie mit dem Ruf gemeint ist. Nicht nur der Herr Jedermann im Stück: auf jeden Menschen wartet der Tod. Diese Botschaft des Spiels ist zeitlos. Kein irdisches Gut erspart uns das Sterben. Kein Reichtum, nichts können wir mitnehmen. Wenn uns Menschen etwas bleibt, dann ist es das schlechte Gewissen. Es sind unsere Fehler, die wir bereuen, wenn wir vor unserem himmlischen Richter stehen.
Diese im Grunde einfach Botschaft hat Hugo von Hoffmannsthal sehr bildhaft umgesetzt. Und für jede Generation seit 1920 haben alle Regisseure seit Max Reinhardt die Geschichte vom Sterben des reichen Mannes zeitgemäß interpretiert. Immer wurde die Figur des Herrn Jedermann von einem Star der Epoche gespielt. Zu den vielen bekannten Namen zählen Curd Jürgens, Maximilian Schell, Ulrich Tukur und Lars Eidinger. Die Buhlschaft des Herrn Jedermann, also seine Geliebte, verkörperten u.a. namhafte Künstlerinnen wie Natja Tiller, Senta Berger, Veronica Ferres oder Caroline Peters.
Für die Rolle des Jedermann wude in dieser Saison der österreichische Schauspieler Philipp Hochmair ausgewählt. Eine sehr gute Wahl. Vielen bekannt aus der TV-Serie „Blind ermittelt“. In Robert Carsens Inszenierung fährt Herr Jedermann mit einem goldenen Mercedes Cabriolet, Foto unten, auf die Bühne. Protzig und extravagant. Sportlich, vor Energie strotzend, springt er aus dem Auto. Gehilfen tragen Golf-Bags aus dem Kofferraum. Dieser Jedermann verdient sein Geld mühelos. Ein Reicher des Internet-Zeitalters. Er sprüht vor Lebensfreude und ist ein fröhlicher Mensch. Es sei denn es geht ums Geld. Der Bettler bekommt keinen Pfennig. Und einen Schuldner lässt er gnadenlos ins Gefängnis werfen. Da kann dessen Frau betteln soviel sie will. Regisseur Robert Carsen sagt über ihn: „Im Jedermann geht es eher darum, wie man lebt, als darum wie man stirbt. Jedermanns Motto mag ‚Carpe diem‘ lauten, aber wenn man ausschließlich nach diesem Motto lebt, riskiert man dann nicht, dass dies auf Kosten anderer geschieht? / Was passiert, wenn ein Mann, der jenseits des Materiellen keine Werte hat, seinen Irrtum erst kurz vor dem Tod erkennt, wenn es für einen Neuanfang zu spät ist?“
Jedermann zählt zu den Menschen, die man heute gerne beratungs-resistent nennt. Seine Mutter macht sich Sorgen um ihn. Sie versucht ihn zur ihn zur Mäßigung anzuhalten. Vergeblich. Jedermann ist mit sich im Reinen. Er und seine Buhlschaft, die Schweizer Schauspielerin Deleila Piasko, genießen das Leben aus dem Vollen. Sie schmieden Pläne für die Zukunft. Und sie feiern!
Die Bühne vor dem Dom-Tor in Salzburg wird zur Riesen-Party-Zone. Sind bei früheren Inszenierungen elegante Diners zelebriert worden, so ist in dieser Saison der Bär los. Es wird getanzt und gesungen. Gefühlt mehr als 100 Menschen trinken Champagner und feiern. Sogar auf den Tischen wird getanzt. Allen voran Jedermann und seine Buhlschaft. Auch als Zuschauer wird man von dieser meisterlich choreographierten Party eingefangen. Um so störender wirkt der Ruf, der diese aufgeheizte, fröhliche Atmosphäre bricht. Ein Ruf, den keiner der Gäste, wohl aber der Gastgeber deutlich vernimmt: JEEDERMAAANN!
THE PARTY IS OVER: Aus der Menge der Gäste tritt der Tod vor Jedermann. Nicht wie ein Gespenst, sondern sachlich und höflich wie ein Bote tritt er vor den reichen Mann. Seine Zeit sei gekommen, eröffnet ihm der Tod. Jetzt müsse er sich bereit machen, vor Gottes Gericht zu treten. Jedermann bekommt es mit der Angst zu tun. Ihm wird klar, was ihm blüht. Verzweifelt bettelt er um eine Frist. Er will sich einen Freund suchen, der ihn auf diesem Weg begleitet. Nur eine Stunde Frist gewährt man ihm. Doch jeder, den er bittet erteilt ihm eine Abfuhr. So willfährig sein guter Gesell sonst zu allem bereit ist. Zu diesem Dienst ist er es nicht. Auch seine Buhlschaft gibt ihm einen Korb. Selbst sein Reichtum will nicht mit ihm gehen. Mammon, brillant dargestellt von Kristof Van Boven, macht klar, wo er hingehört: Auf die Erde.
Alles wird Jedermann genommen. Sogar das, was er am Leibe trägt. Nackt und verzweifelt, liegt er auf der Bühne. Ihm bleibt nur ein zerlumptes Büßergewand. In diesem Moment der absoluten Verlorenheit, ruft aus einer dunklen Bühnenecke eine leise Frauenstimme seinen Namen. Diese gebrechliche Alte, verkörpert Jedermanns gute Taten. Sie könne ihm nicht helfen, flüstert sie. Seine wenigen guten Taten, hätten ihr dafür nicht genug Kraft gegeben. Aber ihre Schwester würde ihm helfen: Der Glaube.
Der Glaube betritt personifiziert als Putzfrau die Bühne. Mit ihrer Hilfe findet er zurück zu Gott. Er zeigt Reue und wäscht zur Buße symbolisch die Füße der Bettler, die jetzt die Bühne betreten haben. Der Regisseur sagt dazu: „Jedermanns Wandel von einem materialistischen, gedankenlosen Hedonisten zu einem vollkommen bewussten, spirituellen Wesen sollt das Publikum... bewegen und kathartisch wirken.“ Der geläuterte Jedermann wird in den Dom geführt, um sich dem Gottesurteil zu stellen. Doch der Teufel hat noch nicht aufgegeben. Er kämpft um Jedermanns Seele. Dreimal versucht er in den Dom zu gelangen. Aber jedes Mal, schleudert ihn das himmlische Feuer zurück, sobald er die Schwelle des Doms betritt. Der Tod gibt auf. Aber nicht ohne eine Botschaft zu hinterlassen, die die Zuschauer als Mahnung und Lehre mit nach Hause tragen werden:
Die Welt ist dumm, gemein und schlecht,
und gerne geht Gewalt allzeit vor Recht.
Ist einer redlich, treu und klug,
ihn meistern Arglist und Betrug!
Die Zuschauer zollten den Hauptdarstellern und dem großen Ensemble stehenden Applaus. Ein Dankeschön für ein unvergesslicher Abend.
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