Salzburg, Festspiele 2024, DER SPIELER - Prokofjew, IOCO

SALZBURGER FESTSPIELE 2024: Sergej Prokofjews Oper Der Spieler basiert auf dem gleichnamigen Roman von Fjodor Dostojewski. Prokofjew schrieb die Oper zwischen 1915 und 1917, wobei sie thematisch eng mit Dostojewkis

Salzburg, Festspiele 2024, DER SPIELER - Prokofjew, IOCO
Blick vom Mönchsberg Hofstallgasse bei Nacht © TSG Breitegger

von Daniela Zimmermann

Sergej Prokofjews Oper Der Spieler, eine Oper in vier Akten, basiert auf dem gleichnamigen Roman von Fjodor Dostojewski. Prokofjew schrieb die Oper zwischen 1915 und 1917, wobei sie thematisch eng mit Dostojewkis Auseinandersetzung mit der menschlichen Natur der Spielsucht und der zerstörerischen Kraft des Glücksspiels verbunden ist. Ein faszinierendes, aber auch ein deprimierendes Werk, welches in der pr0minenten Salzburger Felsenreitschule aufgeführt wurde.

DER SPIELER - youtube Salzburger Festspiele

Obwohl Der Spieler zu Prokowjews bedeutenster Oper gehört, wurde sie nicht sofort nach ihrer Fertigstellung aufgeführt. Die russische Revolution kam dazwischen und das Werk in seiner Aussage entsprach nicht den lebensbejahenden Vorstellungen der russischen Revolutionäre. Alle Aufführungsversuche in seinem Heimatland Russland wurden verhindert, abgelehnt. So fand die Uraufführung erst 1929 im Theatre Royal de la Monnaie in Brüssel statt und in einer französischen Übersetzung. Prokowjews bestes Opernwerk, wird seitdem auch nur gelegentlich inszeniert. Die seltenen Aufführungen, dieses Jahr inszenierte bei den Salzburger Festspielen der amerikanische Regisseur Peter Sellars, eine besonders intensive Inszenierung, bei der die Komplexität der Figuren und die musikalischen Herausforderungen von Prokofjews Werk eindrucksvoll zu erleben waren. Die Herausforderungen dieses ungewöhnlichen und psychologisch anspruchsvollen Werks zu erforschen und neu zu interpretieren, ist dem Regisseur Sellars leider nicht ganz gelungen. Interessant und sehr wirkungsvoll die Bühnengestaltung von George Tspin. Die 7 Roulette-Ufos, unterschiedlicher Größe, die rauf und runter gefahren werden, ein Feuerwerk der Beleuchtung, wenn sie arbeiten und sich in ihrem Kreisen mit der dramatischen Musik Prokowjews vereinen. Die ganze Bühne der Felsenreitschule - ein großes Casino. Die Arkaden an der Felsenwand moosgrün verspiegelt. Aber außerhalb des Casinos spielt sich alles mehr im Düsteren ab. Licht James F. Ingalls.

Der Spieler 2024: Juan Francisco Gatell (Der Marquis), Nicole Chirka (Blanche, eine Halbweltdame), Sean Panikkar (Alexej Iwanowitsch, Hauslehrer der Kinder des Generals), Peixin Chen (Der General a. D.)© SF/Ruth Walz

Die Oper spielt in einem fiktiven Kurort, namens Roulettenburg und dreht sich um eine Gruppe von Charakteren, die sich um Geld, Macht und Liebe drehen. Im Mittelpunkt steht der junge Alexej, der als Hauslehrer für die Kinder des Generals arbeitet. Alexej ist unsterblich in die verschuldete Polina verliebt, die Stieftochter des Generals. Polina spielt mit Alexejs Liebe und benützt ihn zur Verfolgung ihrer eigenen Pläne. Hoch verschuldet ist Paulina bei dem vermögenden Marquis, einem französischen Adeligen, der die Situation voll ausnützt, sie in Abhängigkeit zu ihm zu halten. In Alexej sieht sie eine mögliche Lösung ihrer Probleme. Der General, ist eine tragische Figur, gaukelt allen eine zu erwartende Erbschaft von seiner todkranken Großmutter „der Babuschka“ in Moskau vor, die wiederum plötzlich gesund auftaucht, und das Drama durch ihre eigene Spielsucht und ihren Eigensinn verschärft. Statt dem General zu helfen, verliert auch sie nahezu ihr ganzes Vermögen. Für den General, der eigentlich keiner ist, eine Katastrophe. Dieses Erbe war seine einzige Hoffnung, um seine Schulden zu begleichen, und um weiterhin die Liebe seiner jungen Geliebten Blanche zu behalten. Blanche selbst skrupellos, ist auch nur an seinem Geld interessiert und verlässt den Mittellosen sofort. Der General zerbricht an dieser Situation. Alexej, der inzwischen selbst von der Spielsucht erfasst ist, begibt sich erneut an die Spieltische, um Paulina zu helfen. Diesmal gewinnt er tatsächlich eine große Summe, aber sein Gewinn bringt ihm kein Glück.Obwohl er jetzt das Geld hat, Polinas Schulden zu begleichen, bricht ihre Beziehung endgültig zusammen. Polina will ihn nicht mehr und wirft ihm das Geld ins Gesicht und verschwindet. Am Ende bleibt Alexej allein zurück.

Die Oper endet düster, da keiner der Charaktere gewinnt - alle sind auf die eine oder andere Weise, Gefangene ihrer eigenen Spielsucht, ihrer Gier oder ihrer emotionalen Obsession.

Am Pult der junge, herausragende, russische Dirigent Timur Zangiev, der hier die Wiener Philharmoniker dirigierte. Mit seinen energetischen Gesten, unterstützt er den Ausdruck und die dramatische Tiefe der Musik, ohne die Sänger zu übertönen. Zangiev fängt die Thematik der Spielsucht, des Machtstrebens und der obsessiven Liebe in Prokowjews Musik ganz präzise und mit emotionaler Tiefe ein. Prokowjews dissonante, moderne Musiksprache, trägt dazu bei, die innere Zerrissenheit und die oft chaotischen Gefühle der Protagonisten zu verdeutlichen.

Der Chor, der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor, Einstudierung Pawel Markowicz, tritt hier eher punktuell auf, indem er hier die Atmosphäre der Spielsalons und die Gemeinschaft der Spieler präsentiert. Ihre Auftritte verstärken die hektische und chaotische Atmosphäre des Casinos, was Sucht, Gier und Verzweiflung der Hauptfiguren zusätzlich untermalt.

Der Spieler 2024: Ensemble© SF/Ruth Walz

Die Sänger*innen sind alle Meister ihres Fachs und perfekt für die intensiven und psychologisch vielschichtigen Rollen dieser Oper. Der gefeierte, chinesische Bass, Peixin Chen, singt den General. Mit seiner tiefen resonanten Stimme und seine Bühnenpräsenz, ist er die ideale Besetzung für diese dramatische Rolle. Polina singt die preisgekrönte litauische Sopranistin Asmik Grigorian. Sie ist zurzeit eine der gefragtesten Sopranistinnen mit ihrer emotionalen Tiefe und ihrer stimmlichen Flexibilität. Die Rolle der Polina entspricht ihrer Fähigkeit, intensive Charaktere auf die Bühne zu bringen.

Der amerikanische Tenor Sean Panikar brilliert als Alexej. Er füllt die Hauptfigur mit Leidenschaft und bringt die inneren Konflikte des Charakters perfekt zur Geltung. Alexej Markov, als russischer Bariton, mit seiner tiefen, warmen Stimme und seinem dramatischen Gespür, interpretiert gern russische Opern. Eine der farbenreichsten Figuren der Oper, die Babuschka, gesungen von Violetta Urmana, eine litauische Mezzo-Sopranistin mit außergewöhnlicher stimmlicher Brandbreite. Mit ihrer kraftvollen, nuancierten Stimme verleiht sie der Babuschka die nötige Autorität und dominiert glaubwürdig ihr Umfeld.  Sie bringt sowohl Komik als auch Dramatik auf die Bühne, insbesondere, wenn sie sich in der Spielsucht verliert. Blanche, die Geliebte des Generals, raffiniert, intrigant, auf der Suche nach ihrem finanziellen Nutzen, wird gesungen von Nicole Chirka. Mit Eleganz und Flexibilität, ist sie die Femme fatale

Nach 2 Stunden, emotionaler Zerrissenheit und den psychologischen Abgründen der Charaktere ausgesetzt, die die zerstörerische Kraft des Spiels so spürbar macht, ist das `raus aus der Felsenreithschule´, das hinein in die abendliche sommerliche Luft Salzburgs, eine wahre Erfrischung für die  Seele.