Rostock, Volkstheater, ZAUBERFLÖTE RELOADED als Crossover Fassung, IOCO
Volkstheater Rostock: Die Produktion ZAUBERFÖTE RELOADED Produktion tourt seit ihrer Uraufführung 2018 in Würzburg erfolgreich durch verschiedene Theater der Republik. Die Vorstellung am 04. Mai 2024 war .....
von Thomas Kunzmann
ZAUBERFLÖTE RELOADED - Singspiel von Wolfgang Amadeus Mozart / Libretto von Emanuel Schikaneder - als Crossover-Fassung von Christoph Hagel, mit Elementen aus Breakdance, HipHop und Rap
Die Produktion ZAUBERFLÖTE RELOADED tourt, so oder so ähnlich, seit ihrer Uraufführung 2018 in Würzburg erfolgreich durch verschiedene Theater der Republik. Die Vorstellung am 04. Mai 2024 war – gemessen am Applaus – die wohl erfolgreichste Premiere seit „Feuerherz“ im April 2016, dem Sequel zu „Die neuen Leiden des jungen W.“ mit der Rostocker Punkband Feine Sahne Fischfilet. Nicht unerheblich trug heuer bei, dass vor dem ersten Ton Dirigent und Regisseur Christoph Hagel die Stimmung ordentlich einheizte, man möge klatschen, trampeln und tanzen, wann immer man wolle, denn man erlebe hier ein „two-in-one“-Spektakel, eine Oper und einen Rap-und-Tanz-Wettbewerb.
Nun kann man unterschiedlicher Auffassung sein, ob man beides mischen dürfe, wobei Rap sowieso schon spätestens seit den 80er Jahren alle Musikstile von Barock über Beethoven bis Barbara Streisand – übrigens ganz ohne den modernen Vorwurf der „kulturellen Aneignung“ – assimiliert. Von Xzibit bis zu den Fantastischen Vier, von Pachelbels Kanon bis „Für Elise“ - griffige Melodien mit Wiedererkennungswert sorgen für Ohrwürmer, Ohrwürmer für Medienpräsenz, Medienpräsenz für kommerziellen Erfolg. Und so stellt sich schnell die Frage, ob hier eher die Klassik für die Jugend erlebbar oder der Rap massenpublikumstauglich gemacht werden soll. Zumindest – so hieß es im Vorfeld – würden die bekannten Arien des eigentlichen Dreistundenwerkes unberührt bleiben.
Die Handlung hangelt sich notdürftig am Libretto entlang, wobei Papagino (nein, kein Schreibfehler) mit seiner Hip-Hop-Crew auf der Suche nach einem Weibchen (folgerichtig Papagina) eindeutig im Mittelpunkt steht. In der genre-üblichen Übertreibung darf es dann auch keine Schlange, es muss ein Drache sein. Eingedampft wird das Ursprungswerk auf reichlich zwei Stunden, wovon noch gut eine halbe Stunde Musik aus der Konserve tönt.
Neben der Tanzcompagnie des Volkstheaters kommen Rostocker Breakdancer zum Einsatz, die mit artistischen Einlagen immer wieder zu Recht riesigen Szenenapplaus verbuchen können. Als spartenübergreifendes Gesamterlebnis fehlen jedoch oft die Bindeglieder, das „Warum“ und das „Wofür“, die logische Konsequenz des Handelns – kurz: Dramaturgie. Apropos Dramaturgie. Stephan Knies beschrieb während der Premierenfeier den Auftritt der Königin der Nacht mit „Es ging ein Raunen durch die Reihen“. Nein, Herr Knies, da fühle ich mich missverstanden. Das war kein Raunen, es war ein schmerzverzerrtes Stöhnen, was Sie hörten. Ich saß zwei Plätze neben Ihnen.
Gesanglich stachen zumindest Jussi Joula als Sarastro und der aus lediglich 9 Sängern bestehende Herrenchor positiv heraus. Die Regie und Ausstattung setzt ein bisschen auf Moderne versus Tradition, zumindest darin ähnelt es gewissermaßen dem ursprünglichen Werk. Allerdings wird auf eine stringente Erzählform verzichtet. Das Stück wirkt zerhackt und notdürftig neu zusammen-gepuzzelt, verschweißt mit Rap-Rhythmen vom Band. Der große Showdown zwischen Gut und Böse verpufft und die Kostüme erinnern eher an die Anfangszeiten der Breakbeats. Das gesetztere Opernpublikum wird vielleicht mal wieder das 40 Jahre alte „Beat Street“-Video aus jenen Jugendtagen in den Recorder legen, als Rap, Hip-Hop und Breakdance eine unverbrauchte Frische in die Piefigkeit der schlagerlastigen Vor-Neue-Deutsche-Welle-Zeit brachten und sich daran erinnern, dass man für Graffiti in den 80ern mit den Eltern zum ABV musste.
Ob die jüngeren sonst-eher-nicht-Opernbesucher in den Reihen der nächsten Opernproduktionen zu finden sein werden, bleibt abzuwarten.
Positiv sei vermerkt, dass das Musiktheater in dieser Saison mit ihrer dritten Produktion nach Hänsel und Gretel und Der Zauberer von Oz verstärkt das jüngere Publikum anzusprechen sucht. Thematisch und stilistisch wäre es womöglich besser in der Sommerbespielung der Werfhalle aufgehoben. Aber wie sagte so schön ein Stammgast? „Der Publikumserfolg überwiegt möglicherweise den künstlerischen Schaden“. Diesem frommen Wunsch schließe ich mich uneingeschränkt an. Möge nach der Fertigstellung des Neubaus genügend finanzielle Substanz verbleiben, das Schmuckstück an der Warnow mit substanzieller Kunst zu füllen. Darauf eine Schippe Spatenstich-Erde!
Noch eine positive Nachmeldung: Eduardo Browne Salinas, der aus Chile stammende Dirigent, der von mir auf IOCO bereits Bestnoten für Orpheus und Eurydice, Carmen, Hänsel und Gretel und La Bohème bekam, konnte sich gegen über 100 Bewerber um den Posten des Ersten Kapellmeisters der Norddeutschen Philharmonie durchsetzen. Glückwunsch an dieser Stelle! Seine Dirigate sind jederzeit von höchster Musikalität, Einfühlungsvermögen und außergewöhnlicher Sängerzugewandtheit geprägt. Er wird vom Orchester und dem Gesangsensemble gleichermaßen geschätzt und vom Publikum geliebt. Möge er Rostock lange erhalten bleiben!
ZAUBERFLÖTE RELOADED - Volkstheater Rostock - alle Termine, Karten - link HIER!
Musikalische Leitung / Inszenierung und Ausstattung - Christoph Hagel
Kostüme - Jana Maaser
Choreografie (in Zusammenarbeit mit beteiligten Tänzer:innen der Tanzcompagnie) - Brit Bauermeister, Daniele Varallo
Choreografische Assistenz - Natalie Shults
Dramaturgie - Stephan Knies
Choreinstudierung - Csaba Grünfelder
Pamina / Papagena - Julia Ebert
Tamino - Gustavo Eda
Papagino - Frederic Böhle
Königin der Nacht - Darlene Dobisch
Monostatos - Matthew Peña
Sarastro - Jussi Juola
1. Dame - Brit Bauermeister
2. Dame - Corinne Kälin
3. Dame - Ron Estrea Kaslasy
Monoflatos - Alan González Bravo
Knabe - Julian Albrecht
Hip-Hop-Crew - Nelly Fuhrmann, Fiona Härtel, Paula Hörning, Alexandra Krause, Iwan Ovtscharenko, Anna-Sophie Polifke, Elisabeth Schneider, Fenja Strehlow, Karla Terpe, Lisa Unglaube